Bei den Gesundheitskosten geht es immer nur in eine Richtung: nach oben. Jahr für Jahr wird mehr Geld ausgegeben: für Operationen, für Medikamente, für Behandlungen. Aber nicht 2020. Im Coronajahr sind die Ausgaben in den Arztpraxen gar gesunken. Das geht aus dem neusten FMH-Monitoring hervor, der mit Hilfe von Angaben aus rund 9000 der insgesamt 13'600 Arztpraxen berechnet wird.
Der Rückgang beträgt zwischen 1 und 2 Prozent – je nachdem, was gemessen wird: die abgerechneten ärztlichen Leistungen pro Praxis (-1.15%), die Anzahl Patienten pro Praxis (-1.41%) oder die Kosten pro Arztbesuch (-1.87%). Umgemünzt in Franken entspricht dies einer Umsatzeinbusse für die Ärzte in freier Praxis von rund 60 Millionen.
Dabei hatte ihr Geschäftsjahr gut angefangen: Anfang 2020 strömten deutlich mehr Patienten in die Praxen – vor allem wegen der saisonalen Grippe. Doch dann schwappte die erste Coronawelle in die Schweiz.
Die Ärzte durften ihre Praxen zwar offenlassen, waren aber angewiesen, nur noch Notfälle zu behandeln. Die Folge war ein «massiver Einbruch», sagt FMH-Zentralvorstandsmitglied Urs Stoffel. Je nach Fachbereich rechneten die Ärztinnen und Ärzte bis zu 40 Prozent weniger Leistungen ab.
Danach war der Nachholbedarf gross, die in normalen Jahren zu beobachtende Sommerflaute gab es 2020 nicht, wie Stoffel betont. Doch bereits im Herbst war die Hektik vorbei. Für die invasiv tätigen Ärzte bleibt unter dem Strich ein Minus von gut 3 Prozent. Mehr gefragt waren hingegen psychiatrische Leistungen – und zwar übers ganze Jahr hinweg gesehen.
Die Erkenntnisse der FMH werden durch das Monitoring der Krankenkassenversicherungs-Kostenentwicklung (Mokke) gestützt: Pro versicherte Person resultiert für alle Leistungen der Grundversicherung im 2020 zwar ein Plus von 0.4 Prozent, bei den Behandlungen in der Arztpraxis aber ein Minus von 0.9 Prozent.
Für Urs Stoffel ist der Rückgang in den verschiedenen Statistiken ein Beweis, dass die vielkolportierte These nicht stimmt, wonach Ärzte Verluste – etwa durch Tarifeingriffe des Bundes oder durch weniger Patienten – jeweils mit anderen Tricks kompensieren. «Das Tarmed-Volumen pro Patient ist seit Jahren stabil, es findet keine Mengenausweitung pro Patient statt.»
In normalen Jahren steige die Anzahl der Patientinnen und Patienten pro Praxis demografiebedingt, 2020 ist sogar diese Zahl rückläufig. Das Coronajahr zeige exemplarisch: «Die Kosten pro Praxis steigen primär mit der Anzahl Patienten, welche behandelt werden», sagt Urs Stoffel.
Die Zurückhaltung bei den Patientinnen und Patienten hält bis heute an: «Denn auch im ersten Quartal 2021 sind eher unterdurchschnittlich viele Ärztekontakte zu beobachten.» Das liegt auch daran, dass wegen der Hygienemassnahmen im Winter 2020/21 relativ wenig Leute an einer normalen Grippe respektive einer Erkältung erkrankt sind.
Gut möglich ist aber auch, dass «viele noch immer Angst vor Ansteckungen in Arztpraxen haben», wie Stoffel sagt, und solche meiden. Für diese These spricht auch die starke Zunahme bei der Telemedizin. Ob die Erfahrungen im Coronajahr zu nachhaltigen Verhaltensänderungen führen, ist Stand heute unklar. Die «Einsparungen» von 2020 sollten hingegen die nächste Prämienrunde etwas abdämpfen. (aargauerzeitung.ch)