Die Klima-Demo auf dem Bundesplatz ist beendet. Die Besetzung wurde ohne Gewalt aufgelöst. In Erinnerung werden vor allem zwei Dinge bleiben: der Fingerzeig, dass der menschgemachte Klimawandel auch in Zeiten von Corona weiter geht. Und die Verbissenheit, mit der einige Parlamentarier den mehrheitlich jungen und friedlichen Demonstranten eine möglichst schmerzhafte Polizeierfahrung wünschten.
Zwischen den Zeilen fiel aber noch etwas Drittes auf: Dass auch im Jahr 2020 noch viele nicht daran glauben, dass der aktuelle Klimawandel menschgemacht ist – was uns zur vielzitierten «97-Prozent-aller-Wissenschaftler-glauben-an-den-anthropogenen-Klimawandel»-Aussage bringt.
97 percent of climate scientists agree: Climate change is real and man-made. #ActOnClimate pic.twitter.com/UaCZus7uv6
— Barack Obama (@BarackObama) January 22, 2016
Ist das wirklich so?
Vieles deutet darauf hin, dass diese Zahl überholt ist.
Ihren Ursprung hat die 97-Prozent-Aussage (97,1 Prozent) in einer Studie von Cook et al. aus dem Jahre 2013. Cooks Untersuchungseinheit betrug ursprünglich 11,944 Studien – 7930 davon wurden wieder ausgeschlossen, weil sie sich nicht explizit dazu äussern, ob der aktuelle Klimawandel menschgemacht sei oder nicht. So entstand die berühmte 97-Prozent-Aussage.
Aktuellere Zahlen liefert James Powell. Die Koryphäe der wissenschaftlichen Konsens-Forschung publizierte 2016 eine Metastudie zu fünf Studien mit insgesamt 54'195 peer-reviewten Publikationen zum Klimawandel, die zwischen 1991 und 2015 peer-reviewt veröffentlicht wurden. Powell kommt zum Schluss: 99,94 Prozent aller wissenschaftlichen Studien bejahen den anthropogenen Klimawandel. Bei dieser Prozentzahl handelt es sich um Studien – und nicht um Wissenschaftler.
2019 wiederholte Powell seine Untersuchung mit 11'602 Studien, welche in den ersten sieben Monaten von 2019 zu den Themen «Klimawandel» (climate change) und «Globale Erwärmung» (global warming) publiziert wurden. Der Konsens betrug ... 100 Prozent. Keine einzige der untersuchten Studien und damit kein einziger Wissenschaftler widersprach der Theorie, dass menschliches Handeln die Hauptursache des aktuellen Klimawandels ist.
Powells Erkenntnisse wurden erstmals im November 2019 im «Bulletin of Science, Technology & Society» publiziert. Sie wurden derart oft zitiert, dass es Powells Papier unter die 100 einflussreichsten wissenschaftlichen Publikationen von 2019 schaffte. Selbstverständlich wurden auch seine Befunde kritisiert. Vor allem seine Annahme, wer sich nicht direkt gegen die AGW (Anthropogenic Global Warming – menschgemachte Erderwärmung) äussere, trage zum Konsens bei.
Aber genau so funktioniert Wissenschaft. Absolute Gewissheit ist der Ausnahmefall, der Diskurs hingegen normal.
Offenbar ist das nicht der Fall.