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Klimawandel: Was es mit den «97% aller Wissenschaftler» auf sich hat

epa08677670 Firefighters assess the evolution of the Bobcat Fire as it continues to burn in the Angeles National Forest near Juniper Hills, north East of Los Angeles, California, USA, 17 September 202 ...
Drei der vier grössten aufgezeichneten Waldbrände in Kalifornien fanden in diesem Jahr statt.Bild: keystone

Glauben eigentlich wirklich 97% aller Wissenschaftler an den menschgemachten Klimawandel?

23.09.2020, 17:3824.09.2020, 11:55
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Die Klima-Demo auf dem Bundesplatz ist beendet. Die Besetzung wurde ohne Gewalt aufgelöst. In Erinnerung werden vor allem zwei Dinge bleiben: der Fingerzeig, dass der menschgemachte Klimawandel auch in Zeiten von Corona weiter geht. Und die Verbissenheit, mit der einige Parlamentarier den mehrheitlich jungen und friedlichen Demonstranten eine möglichst schmerzhafte Polizeierfahrung wünschten.

Zwischen den Zeilen fiel aber noch etwas Drittes auf: Dass auch im Jahr 2020 noch viele nicht daran glauben, dass der aktuelle Klimawandel menschgemacht ist – was uns zur vielzitierten «97-Prozent-aller-Wissenschaftler-glauben-an-den-anthropogenen-Klimawandel»-Aussage bringt.

Ist das wirklich so?

Vieles deutet darauf hin, dass diese Zahl überholt ist.

Ihren Ursprung hat die 97-Prozent-Aussage (97,1 Prozent) in einer Studie von Cook et al. aus dem Jahre 2013. Cooks Untersuchungseinheit betrug ursprünglich 11,944 Studien – 7930 davon wurden wieder ausgeschlossen, weil sie sich nicht explizit dazu äussern, ob der aktuelle Klimawandel menschgemacht sei oder nicht. So entstand die berühmte 97-Prozent-Aussage.

Aktuellere Zahlen liefert James Powell. Die Koryphäe der wissenschaftlichen Konsens-Forschung publizierte 2016 eine Metastudie zu fünf Studien mit insgesamt 54'195 peer-reviewten Publikationen zum Klimawandel, die zwischen 1991 und 2015 peer-reviewt veröffentlicht wurden. Powell kommt zum Schluss: 99,94 Prozent aller wissenschaftlichen Studien bejahen den anthropogenen Klimawandel. Bei dieser Prozentzahl handelt es sich um Studien – und nicht um Wissenschaftler.

2019 wiederholte Powell seine Untersuchung mit 11'602 Studien, welche in den ersten sieben Monaten von 2019 zu den Themen «Klimawandel» (climate change) und «Globale Erwärmung» (global warming) publiziert wurden. Der Konsens betrug ... 100 Prozent. Keine einzige der untersuchten Studien und damit kein einziger Wissenschaftler widersprach der Theorie, dass menschliches Handeln die Hauptursache des aktuellen Klimawandels ist.

Powells Erkenntnisse wurden erstmals im November 2019 im «Bulletin of Science, Technology & Society» publiziert. Sie wurden derart oft zitiert, dass es Powells Papier unter die 100 einflussreichsten wissenschaftlichen Publikationen von 2019 schaffte. Selbstverständlich wurden auch seine Befunde kritisiert. Vor allem seine Annahme, wer sich nicht direkt gegen die AGW (Anthropogenic Global Warming – menschgemachte Erderwärmung) äussere, trage zum Konsens bei.

Aber genau so funktioniert Wissenschaft. Absolute Gewissheit ist der Ausnahmefall, der Diskurs hingegen normal.

«Plötzlich bewegte sich der Eisberg»

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178 Kommentare
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PVJ
23.09.2020 18:29registriert Februar 2014
Es geht doch nicht um den Glauben, diesen sollten wir den Religiösen überlassen. Es geht darum, ob es wissenschaftlich fundierte und peer-reviewte Gegenargumente zum durch den Menschen verursachten Klimawandel gibt.

Offenbar ist das nicht der Fall.
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Lienat
23.09.2020 19:17registriert November 2017
Diese ganze Klimaskepsis (eine Debatte, die übrigens fast nur in der Öffentlichkeit, jedoch kaum im wissenschaftlichen Umfeld ausgefochten wird) ist ein klares Zeichen dafür, dass Naturwissenschaften in der Grundbildung viel zu kurz kommen. Alle, die etwas von Physik verstehen, können die Zahlen und Fakten selber recherchieren und dann ist die Sache so etwas von klar. Mehr noch: praktisch alle alternativen Theorien für den Klimawandel lassen sich dann mühelos zerpflücken. (Aber klar, jemandem das beizubringen ist natürlich schwieriger als ihn/sie Gedichte auswendig lernen zu lassen.)
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Firefly
23.09.2020 21:58registriert April 2016
Das Problem ist nicht die Wissenschaft, das Problem ist die Bequemlichkeit.
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