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Bundesrat will Überbrückungsrente für Ausgesteuerte über 60

So will der Bundesrat Ausgesteuerten über 60 und inländischen Arbeitskräften helfen

15.05.2019, 16:4515.05.2019, 17:49
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Ausgesteuerte Personen über 60 Jahre sollen eine existenzsichernde Überbrückungsrente erhalten bis zur ordentlichen Pensionierung. Das schlägt der Bundesrat vor, neben Massnahmen zur Förderung inländischer Arbeitskräfte.

Die Personenfreizügigkeit mit der EU helfe, den Bedarf an Arbeitskräften unbürokratisch zu decken, schreibt der Bundesrat in einer Mitteilung vom Mittwoch. Er wolle aber sicherstellen, dass Schweizer Unternehmen so viele Arbeitskräfte wie möglich in der Schweiz rekrutierten. Das entspreche auch dem Auftrag des Zuwanderungsartikels in der Verfassung.

Abstimmung zur Personenfreizügigkeit

Diesen hatte das Stimmvolk 2014 mit dem Ja zur Masseneinwanderungsinitiative der SVP angenommen. Bald steht die Abstimmung zur Begrenzungsinitiative an, mit welcher die SVP das Ende der Personenfreizügigkeit fordert. Der Bundesrat hat seine Botschaft dazu noch nicht vorgelegt.

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Er schlägt nun aber Massnahmen vor, die im Abstimmungskampf eine Rolle spielen könnten. Ein Teil zielt auf ältere Arbeitnehmende ab. Verlieren Personen über 50 Jahre ihre Arbeit, haben sie oft Mühe, eine Stelle zu finden. Dagegen will der Bundesrat vorgehen. Insgesamt beziffert der Bundesrat die Kosten beziehungsweise das Investitionsvolumen auf rund 300 Millionen Franken. Die meisten Massnahmen sind zeitlich befristet bis 2024.

Bessere Beratung

Mit einem dreijährigen Impulsprogramm soll das Beratungsangebot der Regionalen Arbeitsvermittlungszentren (RAV) für ältere Personen ausgebaut und verbessert werden. Dafür will der Bundesrat jährlich 62.5 Millionen Franken ausgeben. Der Bundesbeitrag an die Arbeitslosenversicherung soll entsprechend erhöht werden.

Erwachsene ab 40 Jahren sollen eine kostenlose Standortbestimmung, Potenzialanalyse und Laufbahnberatung in Anspruch nehmen können. Bei Berufsabschlüssen sollen Aus- und Weiterbildungen konsequenter angerechnet werden. Ausgesteuerte Personen über 60 sollen leichter Zugang zu Bildungs- und Beschäftigungsmassnahmen erhalten.

Neue Überbrückungsrente

Für diese Massnahmen sind keine Gesetzesänderungen nötig. Solche braucht es dagegen für die Überbrückungsrente. Der Bundesrat hat das Innendepartement (EDI) beauftragt, eine Vernehmlassungsvorlage auszuarbeiten.

Wer im Alter arbeitslos wird und keine Leistungen der Arbeitslosenversicherung mehr erhält, ist heute oft auf Leistungen der Sozialhilfe angewiesen. Der Sinn der Sozialhilfe sei aber, Betroffene möglichst rasch wieder ins Erwerbsleben einzugliedern, schreibt der Bundesrat. Bei älteren Personen könne dieses Ziel oft nur mit grossen Schwierigkeiten erreicht werden. Deshalb soll eine Überbrückungsleistung bis zur Pensionierung eingeführt werden.

Ähnlich wie Ergänzungsleistungen

Zu den Voraussetzungen gehört, dass die Person weniger als 100'000 Franken Vermögen hat, wobei selbst bewohntes Wohneigentum nicht angerechnet würde. Die Berechnung der Überbrückungsleistung würde auf den Vorschriften für die Ergänzungsleistungen basieren. Grundsätzlich entspreche sie der Differenz zwischen den anerkannten Ausgaben und den anrechenbaren Einnahmen, schreibt der Bundesrat.

Weil während des Bezugs der Überbrückungsleistung noch keine AHV-Rente bezogen werden kann, würde der Betrag für den allgemeinen Lebensbedarf aber um einen Zuschlag von 50 Prozent erhöht. Die Rente der Pensionskasse würde nach Abzug eines Freibetrages als Einkommen angerechnet. Bei einer Weiterversicherung in der bisherigen Pensionskasse könnten die Beiträge als Ausgabe angerechnet werden. Plafoniert werden soll die Überbrückungsrente auf den dreifachen Betrag für den allgemeinen Lebensbedarf.

Rund 2500 Personen im Jahr

Die Zahl der Betroffenen schwankt. Im Jahr 2018 waren 2657 ausgesteuerte Personen über 60 registriert. Die höchste Zahl wurde im Jahr 2004 mit 4001 Personen beobachtet, die tiefste 2009 mit 1697 Personen.

Für 2018 würde die Überbrückungsrente rund 95 Millionen Franken kosten. Die Berechnung beruht auf der Annahme, dass 60 Prozent der ausgesteuerten Personen einen Anspruch auf die maximale Leistung haben. Die Kosten für die Folgejahre wären höher, da mehr Personen hinzukämen. Eine Schätzung gibt der Bundesrat nicht ab.

Integrationsvorlehre in der Pflege

Weitere Massnahmen zielen auf die Integration von Ausländerinnen und Ausländern in den Arbeitsmarkt ab. Seit 2018 gibt es die Integrationsvorlehre für Flüchtlinge und vorläufig Aufgenommene. Der Bundesrat will das Programm nun auf junge Zuwanderer ausserhalb des Asylbereichs ausweiten.

Gleichzeitig sollen die Integrationsvorlehren auf die Berufsfelder Information- und Kommunikationstechnologie sowie die Pflege ausgeweitet werden. Darüber hinaus will der Bundesrat schwer vermittelbaren Flüchtlingen und vorläufig Aufgenommenen die Eingliederung in den Arbeitsmarkt mit finanziellen Zuschüssen erleichtern.

Über eine Verbesserung der Situation älterer Arbeitnehmender hatten Bund, Kantone und Sozialpartner jüngst an einer Konferenz diskutiert. Zu den Themen, die sie weiter verfolgen wollten, gehörte auch eine bessere soziale Absicherung für Ausgesteuerte. (aeg/sda)

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Andreas Büttiker ist über 50, arbeitslos – und Praktikant.
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38 Kommentare
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FrancoL
15.05.2019 17:39registriert November 2015
"Er wolle aber sicherstellen, dass Schweizer Unternehmen so viele Arbeitskräfte wie möglich in der Schweiz rekrutierten.

Genau dies wäre gefragt, es wäre eine griffige Lösung zu erarbeiten, die genau dieses Anliegen stützt und dies nicht durch den Staat der überbrückend wirkt, sondern durch das Ueberbinden dieser Verantwortung auf die Unternehmen (Wirtschaft).

Dies hätte den guten Effekt, dass man dann auch reell über ein moderates Erhöhen des Rentenalters sprechen könnte OHNE im Abseits zu landen, weil es zu wenig Arbeitsplätze gibt.
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Meinsch
15.05.2019 19:30registriert April 2014
Wenn alle schon von Frauenquoten sprechen, kann man ja auch mal über eine ü50 Quote diskutieren.
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Stehaufmännchen
15.05.2019 16:54registriert Februar 2019
"Darüber hinaus will der Bundesrat schwer vermittelbaren Flüchtlingen und vorläufig Aufgenommenen die Eingliederung in den Arbeitsmarkt mit finanziellen Zuschüssen erleichtern."

Aber sonst gehts gut, ja? Noch krasser kann man seine Wähler kaum übern Tisch ziehen!! Helft lieber den eigenen Bürgern!
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