Ob in Bern oder Zürich: Bei den Publibike-Leihvelos ist auch eineinhalb Jahre nach dem Start der Wurm drin.
Die folgende Szene ist sinnbildlich: Ratlos steht ein junger Mann bei der Zürcher Sihlpost, läuft von einem Velo zum nächsten. Versucht verzweifelt, via App ein Schloss zu öffnen. Doch immer wieder zeigt das Display auf den Leihvelos ein «X» an. Das bedeutet, dass sich die Fahrräder nicht entsperren lassen. Nach mehreren erfolglosen Versuchen gibt der gestresste Hipster auf. Und schnappt sich einen Leih-E-Scooter von der Konkurrenz. Dieser ist innert Sekunden fahrbereit.
App starten, QR-Code scannen, losradeln? Nicht so bei der Postauto-Tochterfirma Publibike. Vielmehr braucht es dort oftmals viel Geduld und Nerven. Der Ärger bei den tausenden Kunden wächst. «Ich finde das Publibike-System eigentlich super. Aber man kann sich oft nicht mehr darauf verlassen, weil die Velos immer wieder spinnen», sagt eine Nutzerin zu watson.
In sozialen Medien tönt es ähnlich: «Warum funktionieren so viele von euren Velos nicht? Warum muss meine Tochter mitten in der Nacht nach Hause laufen?», schreibt ein User auf Twitter.
@PubliBike why there’s so many of your bikes not working properly? Why my daughter has to walk home on foot in the middle of the night? This is not the first time. Does she just have a bad luck all the time?
— mom 🍒 (@mom0izzi) December 29, 2019
Die technischen Probleme hören nicht bei der Ausleihe auf. Es kommt vor, dass die Velos bei der Rückgabe nicht ins System zurückgebucht werden. Die Zeit läuft auf der App einfach weiter. watson liegen Printscreens vor, die Ausleihdauer von 2384 (!) Stunden anzeigen.
Was ist los bei Publibike? Im Dezember sagte Publibike zum Tages-Anzeiger, dass man die Ursachen für die technischen Schwierigkeiten noch nicht herausgefunden habe. Das Problem lasse sich nicht auf eine einzige Ursache eingrenzen.
Knapp ein Monat später hat sich die Situation aus Nutzersicht nicht verbessert. Im Gegenteil. Publibike tappt noch immer im Dunkeln. «Die Kommunikation der verschiedenen Komponente innerhalb des Systems ist komplex, dementsprechend schwierig gestaltet sich die Ursachenforschung», so Sprecher Ben Küchler zu watson.
Ein spezielles Team mit internen Leuten und Spezialisten von Lieferanten sei daran, verschiedene Massnahmen auf ihre Wirksamkeit zu testen. Man werde in Kürze Software-Updates ausrollen.
Die Panne ist der erste Prüfstein für den neuen Publibike-Chef Markus Bacher (45), der seit Januar im Amt ist. Der ICT-Crack hat Erfahrungen mit brenzligen Situationen: Zuvor leitete er unter anderem den Krisenstab der Post.
Was sagen die Städte zu den Problemen von Publibike? Immerhin stellen Bern und Zürich der Postauto-Tochter gratis die Parkflächen zur Verfügung und organisieren das Personal, um die Bikes an die entsprechenden Standorte zu verschieben.
«Uns ist das Problem mit der Ausleihe grundsätzlich bekannt. Wir gehen davon aus, dass dies Publibike in den Griff kriegt», sagt der Berner Verkehrsplaner Karl Vogel.
In Zürich teilte das Tiefbauamt just am Dienstag mit, dass das Publibike-System offiziell «abgenommen» und die entsprechende Motion des Gemeinderats damit abgeschrieben sei.
Zu den Problemen bei der Ausleihe sagt Tiefbauamt-Sprecherin Evelyne Richiger: «Wir stehen regelmässig im Austausch mit PubliBike und regen auch Verbesserungen an. Es versteht sich aber von selbst, dass eine funktionierende Technik im eigenen betriebswirtschaftlichen Interesse von Publibike ist».
Klar ist: Die Probleme mit dem Schliesssystem sind für das Sharing-Unternehmen ein herber Rückschlag auf dem Weg aus den roten Zahlen. Publibike ist dringend auf neue Kunden angewiesen, um aus den roten Zahlen zu kommen. Die Post muss mit den Publibikes nach Millionenverlusten mittelfristig ein ausgeglichenes Ergebnis erzielen. Sonst könnte der gelbe Riese Publibike den Stecker ziehen.
Stellt sich die Frage, ob die Publibike-Kunden wegen dem Ausleih-Ärger entschädigt werden. Der Sprecher weicht aus: «Wir konzentrieren uns aktuell darauf, die Probleme zu lösen. Über eine Entschädigung diskutieren wir, sobald das System stabil läuft.»
Zum Schluss ein kleiner Tipp für alle Publibike-Nutzer. Die Velos lassen sich nicht nur per App, sondern auch mit dem Swisspass öffnen. Dies geht oftmals schneller als per App – wenn es denn funktioniert.
Ein bisschen wie langweiliges Glücksspiel