Kanton Bern würde Peter Hans Kneubühl nicht verhungern lassen

Kanton Bern würde Peter Hans Kneubühl nicht verhungern lassen

21.02.2017, 16:16

Der Hungerstreik des inhaftierten Bieler Rentners, Peter Hans Kneubühl, ist für Behörden und Psychiatrie im Kanton Bern eine heikle Angelegenheit. Notfalls würde der Kanton Bern Kneubühl aber zwangsernähren.

Der heute 74-jährige Rentner hielt vor sechs Jahren die ganze Schweiz in Atem. 2010 sollte Kneubühls Haus in Biel zwangsversteigert werden. Als die Polizei anrückte, schoss er und verletzte einen Mann sehr schwer.

Nach tagelanger Flucht konnte der Rentner schliesslich gefasst werden. Die Gerichte taxierten Kneubühl als schuldunfähig, weil er an einem Wahn leide. Er wurde zu einer stationären therapeutischen Massnahme verurteilt. Das ist der Grund, warum er nach wie vor in Haft ist.

Mit dem Hungerstreik will Kneubühl seine Rückverlegung von der Strafanstalt Thorberg ins Regionalgefängnis Thun erzwingen. Aktuell befindet er sich auf der Station Etoine der Universitären Psychiatrischen Dienste Bern (UPD). Die Station ist extra für Häftlinge eingerichtet.

Trotz mehreren Wochen ohne Nahrung gehe es dem Rentner den Umständen entsprechend gut, sagte Werner Strik, Direktor der Universitätsklinik für Psychiatrie und Psychotherapie der UPD, am Dienstag vor den Medien.

Der Mann sei natürlich geschwächt und habe mindestens zehn Kilo Gewicht verloren. In ein, zwei Wochen dürfte die Situation für Kneubühl aber kritisch werden.

Gemeinsame Lösung im Dialog

Die Berner Behörden und die Psychiatrie sind bestrebt, die heiklen Fragen rund um Kneubühls Hungerstreik im Dialog zu lösen.

Im Kanton Bern will man verhindern, dass es so weit kommt wie vor Jahren im Fall des Walliser Hanfbauern Bernhard Rappaz. Damals weigerten sich die Ärzte aufgrund ihrer Überzeugung, die von den Behörden verfügte Zwangsernährung vorzunehmen.

«Wir wollen nicht dort die Justiz, hier die Medizin. Wir wollen die Sache gemeinsam lösen», betonte Thomas Freytag, Leiter des bernischen Amtes für Justizvollzug, am Dienstag vor den Medien in Bern.

Verzwickte Sache

Rechtlich gesehen, wird im Kanton Bern der Hungerstreik von Häftlingen respektiert, solange sie urteilsfähig sind. Liegt eine Patientenverfügung vor, wird diese befolgt, wenn der Häftling nicht mehr urteilsfähig ist, also wenn er beispielsweise nicht mehr bei Bewusstsein ist.

Im Fall von Kneubühl ist die Sache verzwickt, weil er von der Justiz als nicht schuldfähig taxiert wurde. Der Rentner ist gebildet und intelligent und über weite Strecken urteilsfähig, wie Freytag und Strik betonten. Allerdings gelte dies nicht für die Fähigkeit, die Wirkung seines Hungerstreiks einzuschätzen.

Eine Patientenverfügung hat Kneubühl laut Strik nicht erlassen. Das heisst im Klartext, dass der Kanton Bern Kneubühl wohl im Nofall zwangsernähren würde.

Therapeutische Ansätze

Aktuell werde versucht, Kneubühls Motivation für den Hungerstreik zu auszuleuchten, berichtete Strik, der vom Rentner explizit vom Arztgeheimnis entbunden worden war. Dazu habe sich der Mann etwas geöffnet. Ziel sei, sich ihm therapeutisch zu nähern und im Idealfall eine Art Verhandlungslösung zu erzielen.

Eine Rückverlegung ins Regionalgefängnis Thun kommt für die Berner Behörden nicht in Frage, weil die Institution nicht für Personen im Vollzug, wie Kneubühl das ist, ausgelegt sei.

Der Rentner kann von der Station Etoine aus Kontakt zu einem Anwalt haben. Das hat Kneubühl laut Strik bisher abgelehnt. Nun sei man daran, den Kontakt mit einem Bekannten Kneubühls herzustellen. Zu Kneubühl in die Station gilt ein Kontaktverbot.

Der Rentner bekommt laut Strik einen Stimmungsstabilisator, aber keine starken Medikamente, die seine Denk- und Willensfähigkeit einschränken würden.

Kneubühl ist laut dem Klinikdirektor so klar und willensstark, dass eine schwerwiegende Einschränkung durch Therapeutika die ganze Therapie zerstören könnte. (sda)

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