Eklat beim Antrittsbesuch des deutschen Aussenministers Sigmar Gabriel am Dienstag in Israel: Wegen eines geplanten Treffens Gabriels mit regierungskritischen Organisationen sagte Ministerpräsident Benjamin Netanjahu ein Treffen mit Gabriel ab.
«Die Zusammenkunft ist abgesagt», erklärte Netanjahus Sprecher David Keyes am Dienstag in Jerusalem. Zur Begründung hiess es, Gabriel habe an seinen Plänen festgehalten, sich am Abend mit Vertretern der Bürgerrechtsorganisationen Breaking The Silence und B'Tselem zu treffen.
Der israelische Regierungschef verteidigte seine Absage mit scharfen Worten. «Die Politik von Ministerpräsident Netanjahu ist, sich nicht mit ausländischen Besuchern zu treffen, die auf diplomatischen Trips in Israel wiederum Gruppen treffen, die israelische Soldaten als Kriegsverbrecher verleumden», teilte sein Büro mit.
Rückendeckung erhielt Netanjahu von Staatspräsident Reuven Rivlin, mit dem sich Gabriel traf. Rivlin warb um Verständnis für die Absage. Israel als demokratischer Staat sei es gewöhnt, kritisiert zu werden, sagte er. Aber diese Kritik müsse auf dem Boden der Realität stattfinden. «Unsere Armee ist die moralischste Armee der Welt.»
Der israelische Umweltminister Zeev Elkin verteidigte Netanjahus Haltung. «Es ist undenkbar, in ein anderes Land zu kommen und sich mit Gruppen zu treffen, die auf internationaler Ebene Tag und Nacht gegen das Land arbeiten», erklärte er.
Gabriel geht von innenpolitischen Motiven Netanjahus für die Absage aus: «Ich denke, dass wir jetzt hier nicht zum Spielball der Innenpolitik Israels werden dürfen.» Die Absage sei aber «keine Katastrophe», betonte der Aussenminister. «Mein Verhältnis zu Israel und das Verhältnis Deutschlands zu Israel wird sich jetzt in keiner Weise dadurch ändern.»
Angespannte Beziehungen
Die Absage ist ein sehr ungewöhnlicher Zwischenfall in den Beziehungen Israels mit Deutschland, einem seiner engsten europäischen Verbündeten. Die Beziehungen zwischen Berlin und Jerusalem sind derzeit angespannt. Wegen der kritischen Haltung der deutschen Regierung zum verstärkten jüdischen Siedlungsbau in den Palästinensergebieten waren im Februar die für Mai in Jerusalem geplanten deutsch-israelischen Regierungskonsultationen auf 2018 verschoben worden.
Bei seinem Antrittsbesuch in Israel als Aussenminister hatte Gabriel am Montag unter anderem die Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem besucht. Am Dienstag wollte er am Abend Vertreter der Organisationen Breaking the Silence und B'Tselem treffen. Diese setzen sich kritisch mit dem militärischen Vorgehen Israels in den Palästinensergebieten und der israelischen Siedlungspolitik auseinander und sind der Armee, der Regierung und dem rechten Lager in Israel ein Dorn im Auge.
Die Nichtregierungsorganisation B'Tselem hatte unter anderem ein Video veröffentlicht, das die Tötung eines verletzt am Boden liegenden Palästinensers durch einen Kopfschuss eines israelischen Soldaten zeigte. Der Palästinenser hatte zuvor mit einem Komplizen einen anderen Soldaten mit einem Messer angegriffen und leicht verletzt. Der israelische Soldat Elor Asaria war im Februar deswegen zu 18 Monaten Gefängnis verurteilt worden, der Fall sorgte in Israel für heftige Debatten.
Bereits im Februar hatte Netanjahu verärgert reagiert, als Belgiens Regierungschef Charles Michel in Israel Vertreter von Breaking the Silence und B'Tselem traf. Der belgische Botschafter wurde einbestellt.
«Traurige Entwicklung»
Der SPD-Aussenexperte Niels Annen sagte dem Bayerischen Rundfunk, es handle sich um «eine traurige Entwicklung im deutsch-israelischen Verhältnis». Zwar sei das Thema der israelischen Besatzung ein sehr sensibles, es sei aber auch ein Thema, «das für eine Demokratie wichtig ist - dass man sich mit Kritik auseinandersetzt». Eine solche Reaktion hätte er sich «eher in einem autoritär regierten Staat» erwartet, «nicht von einer Demokratie wie Israel».
Die Grünen erklärten kurz vor der Absage, Gabriel dürfe sich «keinesfalls unter Druck setzen lassen». Die Grünen-Rechtspolitikerin Renate Künast sagte, Treffen mit zivilgesellschaftlichen Organisationen gehörten «zur freien Meinungsbildung dazu».
Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International kritisierte «den Versuch der israelischen Regierung, ein Zusammentreffen des deutschen Aussenministers mit Vertretern der israelischen Zivilgesellschaft zu verhindern». (sda/afp/reu/dpa)