Teure Häftlinge gibt es nicht nur im Kanton Bern, wie der bernische Polizei- und Militärdirektor Hans-Jürg Käser bereits am Dienstag im Berner Kantonsparlament klar machte. In der grossrätlichen Fragestunde hatte Käser zuvor auch die Zahl von 58'000 Franken genannt. Ob dieser Zahl rieb man sich nicht nur im Kanton Bern die Augen.
Käser ortet das Problem bei den Gerichten, die immer mehr stationäre Massnahmen statt Verwahrungen aussprechen. Eine stationäre Massnahme ist eine Therapie hinter Gittern. Deren Ziel ist es, die Gefährlichkeit des Straftäters zu reduzieren und ihn zu resozialisieren.
Die Kantone seien durch diese Tendenz der Gerichte gefordert, vielleicht auch überfordert, sagte Käser dazu im Regionaljournal «Bern Freiburg Wallis» von Radio SRF. Die einweisenden Behörden, also die Kantone, müssten für die Straftäter entsprechende Plätze finden - und die sind laut Käser in der Schweiz rar.
Werden stationäre Massnahmen in Strafanstalten vollzogen, sind sie in der Regel günstiger als in einer speziell dafür eingerichteten Klinik. In einer Strafanstalt sind die Sicherheitsstrukturen vorhanden, in einer Klinik müssen sie extra geschaffen werden. Zudem gibt es in einer Klinik mehr Personal für die Betreuung der Straftäter.
Dies legt auch jene Zürcher Klinik dar, die jüngst im Zusammenhang mit dem teuren Berner Häftling ins Rampenlicht der Öffentlichkeit geriet. Die Klinik für Forensische Psychiatrie in Rheinau nahm 2007 einen speziellen Sicherheitsbereich in Betrieb. Er umfasst 27 Betten.
In die Behandlung und Sicherung der 27 Akutpatienten seien insgesamt 60 Personen involviert, schreibt die Klinik in einer am Donnerstag auf ihrer Internetseite aufgeschalteten Mitteilung. Für diesen hohen Standard spricht nach Angaben der Klinik, dass es seit 2007 zu keiner Flucht und zu keinem Suizid gekommen sei.
Die Tarife des Sicherheitsbereichs belaufen sich gemäss Taxordnung der kantonalen Spitäler auf 1879 Franken pro Pflegetag. Ein Behandlungsplatz in einer allgemeinpsychiatrischen Akutklinik, wo mit niedrigerem Sicherheits- und Personalschlüssel gearbeitet werde, koste demgegenüber rund 800 Franken.
Die Zürcher Klinik betont zudem, dass ihr Angebot für eine vergleichsweise geringe Anzahl Patienten zur Verfügung steht. Gefängnisse könnten den Anteil ihrer Sicherheitskosten zum Teil auf über 100 Häftlinge umlegen. Dies sei der Klinik mit ihrer Fokussierung auf besonders risikobehaftete Patienten nicht möglich.
In der Klinik Rheinau gehe es aus medizinischer Sicht um die Behandlung von schwerwiegenden Einzelfällen, für die keine Alternativen zur Verfügung stünden. Es gehe also um eine Patientengruppe mit besonderen Bedürfnissen und nicht um Regelfälle.
Dass die Gerichte zunehmend stationäre Massnahmen aussprechen, spiegelt laut Thomas Noll, dem Direktor des Schweizerischen Ausbildungszentrums für Strafvollzugspersonal, die aktuelle Rechtsauffassung wider. Täter sollen, wenn möglich resozialisiert werden.
Bei einer lebenslangen Verwahrung werden Täter nicht mehr therapiert. Erst vor wenigen Tagen wurde im Kanton Bern ein pädophiler Sozialtherapeut zu einer Freiheitsstrafe von 13 Jahren und einer stationären Massnahme verurteilt. Von einer Verwahrung, wie sie die Anklage gefordert hatte, sah das Gericht ab. Diese «Ultima Ratio» käme nur zum Zug, wenn alle anderen Massnahmen nicht mehr greifen, begründete das erstinstanzliche Gericht den Entscheid. (whr/sda)