Rund 30 Tote bei Kämpfen in brasilianischem Gefängnis

Rund 30 Tote bei Kämpfen in brasilianischem Gefängnis

15.01.2017, 23:52

Bei Kämpfen zwischen Mitgliedern verfeindeter Banden sind in einem Gefängnis in Brasilien dutzende Menschen ums Leben gekommen. Nach Medienberichten wurden bei den Auseinandersetzungen im Nordosten des Landes mindestens drei Menschen enthauptet.

Die Regierung des Bundesstaats Rio Grande do Norte sprach am Sonntag von 27 Todesopfern, laut Polizeiermittlern könnten es über 30 Tote sein. Zuvor war von zehn Todesopfern die Rede gewesen. Zu den blutigen Auseinandersetzungen war es offenbar gekommen, nachdem Gangmitglieder am Samstag in den Bereich einer anderen Bande eingedrungen waren.

Die Militärpolizei stürmte am Sonntag die Haftanstalt Alcaçuz und entdeckte weitere Tote. Ein Helikopter kreiste über dem Gelände. Blendgranaten wurden gezündet und schwer bewaffnete Beamte rückten in das Gefängnis ein. Auf Fotos war zu sehen, wie die Spezialkräfte die Häftlinge nackt in einer Reihe aufstellten und kontrollierten.

Das Ministerium für öffentliche Sicherheit teilte am Sonntag mit, dass das Gefängnis nach 14-stündigen Auseinandersetzungen wieder unter Kontrolle der Sicherheitskräfte sei. Kein Häftling sei aus der Strafanstalt nahe Natal, der Hauptstadt des Bundesstaats, entkommen.

«Wir konnten ihre Köpfe sehen»

Nach Medienberichten wurden bei den Kämpfen zwischen der Gang Primeiro Comando da Capital und dem Sindicato do Norte mindestens drei Menschen enthauptet. «Wir konnten ihre Köpfe sehen», sagte Zemilton Silva von der Gefängnisverwaltung des Bundesstaats. Die Haftanstalt Alcaçuz mit 620 Plätzen beherbergt derzeit 1083 Gefangene.

Die Kämpfe zwischen den Gefangenen wurden offenbar von Gangmitgliedern ausserhalb der Haftanstalt unterstützt. Kurz zuvor hätten sich Männer in einem Auto dem Gefängnis genähert und Waffen über die Mauer geworfen, sagte die Präsidentin der Gewerkschaft der Justizvollzugsbeamten, Vilma Batista, der Zeitung «O Globo».

Primeiro Comando da Capital ist die grösste kriminelle Organisation des Landes und hat ihre Hochburg in der Millionenmetropole São Paulo. Das Sindicato do Norte kämpft um die Kontrolle des Drogenhandels im Nordosten des Landes.

Flüchtige erschossen

Im Bundesstaat Paraná erschossen am Sonntag Beamte der Militärpolizei zwei Häftlinge auf der Flucht. Zuvor waren 30 Gefangene aus einer Haftanstalt getürmt, nachdem mutmassliche Bandenmitglieder die Gefängnismauer von aussen gesprengt hatten.

«Es handelte sich um eine geplante Aktion. Die Polizei ermittelt, wer an dem Fluchtplan beteiligt war und versucht, die geflohenen Häftlinge wieder festzunehmen», sagte der Sicherheitschef des Bundesstaats, Wagner Mesquita.

Krisensitzung am Dienstag

In den zwei Wochen seit Anfang dieses Jahres kamen bei Kämpfen in brasilianischen Gefängnissen schon mehr als 100 Menschen ums Leben. Kriminelle Banden ringen um die Kontrolle des Drogenhandels. Zudem sind die Haftanstalten extrem überfüllt. Nach Angaben des Justizministeriums sitzen 622'000 Häftlinge in Gefängnissen mit einer Gesamtkapazität von nur 372'000 Plätzen ein.

«Das System ist schon lange überlastet. Das Problem hat sich mit jeder Regierung verschärft», sagte Justizminister Alexandre de Moraes im Fernsehen. «Uns fehlen fast 300'000 Haftplätze. Das hat das System in ein Pulverfass verwandelt.» Staatspräsident Michel Temer rief angesichts der jüngsten Ereignisse die Sicherheits- und Justizminister der Bundesstaaten für Dienstag zu einer Krisensitzung zusammen.

Keine Kontrolle

Im den vergangenen zehn Jahren stieg die Zahl der Häftlinge in Brasilien nach Angaben der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) um 85 Prozent. Vor allem die restriktive Drogenpolitik mit Freiheitsstrafen selbst für Konsumenten hat demnach die Zahl der Gefangenen in die Höhe schnellen lassen.

«Das Problem der Überbelegung ist sehr schwerwiegend», sagte die HRW-Chefin in Brasilien, Maria Laura Canineu. Nach den USA, China und Russland ist Brasilien das Land mit der höchsten Zahl an Gefangenen weltweit. Die Haftbedingungen beschreibt HRW als «mittelalterlich».

Zahlreiche Gefängnisse werden de facto von kriminellen Organisationen verwaltet. «In den Einrichtungen gibt es keine Kontrolle», sagte der Regionaldirektor von Human Rights Watch, Daniel Wilkinson. «Das hat in der Vergangenheit zu Gewalt geführt und wird weiter zu Gewalt führen.» (sda/dpa)

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