Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf hatte am Freitag einen strengen Tag: Nicht nur debattierte sie in der Bundesratssitzung stundenlang über eine breite Themenpalette, sie musste danach auch noch den Medienschaffenden Red und Antwort stehen – und zwar gleich zu drei verschiedenen, miteinander allerdings verwandten Themen: Die Unternehmenssteuerreform III, der automatische Informationsaustausch (AIA) und eine vom Bundesrat vorgeschlagene Änderung des Geldwäscherei-Gesetzes.
Letzteres ist ein Anliegen, das Widmer-Schlumpf schon seit längerem umtreibt. Stossrichtung: Neue Sorgfaltspflichten für Banken sollen verhindern, dass Banken unversteuerte Gelder annehmen. Konkret sollen die Finanzhäuser mittels einer risikobasierten Prüfung untersuchen, ob die Gelder im Ursprungsland korrekt versteuert wurden. Muss eine Bank annehmen, dass dem nicht so ist, hat sie bei Neukunden die Geschäftsbeziehung abzulehnen.
Sogar bestehende Kunden sind nicht sicher: Wenn sie weitere Gelder anbieten, die durch den Test fallen, müssen die Banken auch die bereits auf dem Konto liegenden Vermögenswerte überprüfen – und die Geschäftsbeziehung allenfalls ebenfalls auflösen. Der Bundesrat sieht einzig dann eine Ausnahme vor, wenn den Kunden «nicht zumutbare Nachteile» drohen.
Die Regelung würde für all jene Länder gelten, mit denen die Schweiz noch keinen Vertrag zum automatischen Informationsaustausch abgeschlossen hat. Entsprechende Abkommen bestehen derzeit einzig mit der EU und Australien. Mit den USA hat die Schweiz eine ähnliche Vereinbarung. Es ist allerdings davon auszugehen, dass in den nächsten Jahren zahlreiche weitere Abkommen mit gewichtigen Finanzplätzen hinzukommen.
Die neuen Sorgfaltspflichten schlug Widmer-Schlumpf bereits im Jahr 2012 im Rahmen der bundesrätlichen Weissgeldstrategie vor. Doch der Widerstand in der Vernehmlassung war gross, neben den bürgerlichen Parteien wehrte sich auch die einflussreiche Bankiervereinigung gegen die Vorlage. Der Bundesrat legte die Pläne schliesslich auf Eis.
Umso grösser war am vergangenen Freitag die Überraschung, als Widmer-Schlumpf an der Pressekonferenz folgende Worte sagte:
Nur: Die Bankiervereinigung ist ganz und gar nicht einverstanden mit den Sorgfaltspflichten. Die Schweiz brauche keinen Standard, den andere Länder nicht auch kennen, sagt Thomas Sutter, Mitglied der Geschäftsleitung der Bankiervereinigung. Einen «Swiss-Finish» lehne man ab, andernfalls würden dem hiesigen Finanzplatz nur hohe Kosten entstehen und es drohe ein Wettbewerbsnachteil gegenüber dem Ausland. Kurz: «Zur vorgestellten Vorlage sagen wir klipp und klar Nein», so Sutter.
Wie ist diese Kakofonie zu erklären? Beim Eidgenössischen Finanzdepartement weist man darauf hin, dass die Bankiervereinigung die erweiterten Sorgfaltspflichten Anfang 2013 zuerst begrüsst und erst Monate später abgelehnt habe. «Ich gehe davon aus, dass Frau Bundesrätin Widmer-Schlumpf bei ihrer Aussage an das Statement vom Februar 2013 gedacht hat», sagt Brigitte Hauser-Süess, Pressesprecherin der Finanzministerin. Politisches Kalkül oder gar böswillige Absicht könne man Widmer-Schlumpf «auf keinen Fall» unterstellen, so Hauser-Süess.
Dafür sind denn auch die politischen Gegner der Bündnerin zuständig. Thomas Matter, SVP-Nationalrat und geistiger Vater einer Volksinitiative, die das Bankgeheimnis in der Verfassung verankern will, ärgert sich masslos über die «Unwahrheiten, die Frau Widmer-Schlumpf zum wiederholten Mal von sich gibt». Das Parlament müsse sich «nun endgültig fragen, ob ihre Glaubwürdigkeit nicht endgültig am Ende ist».
Mit anderen Worten: Es soll die Finanzministerin bei den Gesamterneuerungswahlen vom kommenden Dezember abwählen. Dass diese Forderung aus der SVP kommt, ist jedoch alles andere als eine neue Erkenntnis. (trs)