International
Digital

«Flüchtlinge raus»: Google-Anfragen sagen Übergriffe voraus

In Bischhagen in Deutschland wurde Anfang Oktober ein Flüchtlingsheim niedergebrannt.
In Bischhagen in Deutschland wurde Anfang Oktober ein Flüchtlingsheim niedergebrannt.
Bild: EPA/DPA / Wichmann TV

«Flüchtlinge raus»: Wie man mit Google-Anfragen Anschläge auf Asylheime voraussagen kann

Es gibt einen Zusammenhang zwischen rechtsextremer Gewalt und Suchanfragen im Netz. Das zeigt sich in den USA mit Muslimen und in Deutschland mit Flüchtlingen. Die Daten könnten zur Prävention dienen.
16.12.2015, 20:1117.12.2015, 15:12
Roman Rey
Folge mir
Mehr «International»

Wir benutzen Google vor allem, um uns Informationen zu beschaffen. Über das Wetter, Rezepte, Sportresultate. Offenbar benutzen Menschen das Suchfeld jedoch auch, um ihren Gefühlen Ausdruck zu geben. «Ich hasse Muslime» oder «alle Muslime töten» etwa ist eine Anfrage, die in der englischen Sprache gehäuft vorkommt.

Journalisten der «New York Times» haben nun etwas Interessantes herausgefunden: Es gibt eine direkte Korrelation zwischen anti-islamischen Suchanfragen und rassistisch motivierten Gewalttaten gegen Muslime. Darauf kamen sie nach einer Auswertung von Google-Suchdaten zwischen 2004 und 2013.

In Deutschland gibt es zur Zeit einen dramatischen Anstieg von rechter Gewalt gegen Flüchtlingsheime: Bis zum 7. Dezember zählten die Ermittler in diesem Jahr 817 Fälle – das sind vier Mal so viel wie 2014. Auch hier lässt sich ein Zusammenhang mit Google-Suchen feststellen: «Flüchtlinge raus» war bis vor kurzem kein Thema, doch im August 2015 begann die Zahl der Suchanfragen anzusteigen, mit einem Vorläufigen Höhepunkt im September.

Bild
Screenshot: Google Trends

Absolute Zahlen gibt es bei Google nicht, lediglich das Verhältnis der Anfragen zueinander ist ersichtlich. Doch die Grafik zeigt, dass vorher kaum «Flüchtlinge raus» gegoogelt wurde. Das dürfte mit der aktuellen Flüchtlingswelle zu tun haben, die in diesem Sommer begann.

In der Schweiz kann ein solcher Trend nicht nachgewiesen werden – es sind zu wenig Daten vorhanden.

Polizei könnte die Daten verwenden

Nun stellt sich die Frage, was man mit diesen Daten macht. Der Autor der «New York Times» schlägt unter anderem vor, die Polizei könne auf Suchanfragen zurückgreifen und bei gefährdeten Orten ihre Präsenz erhöhen.

Oliver Bendel, der an der Hochschule für Wirtschaft FNHW unter anderem zum Thema Informationsethik forscht, sieht das ähnlich: «Bei den rassistischen Übergriffen kann Google sicherlich ein Abbild liefern», sagt Bendel. Eine erhöhte Polizeipräsenz bei solchen «Hotspots» könne daher sinnvoll sein, sinnvoller als überall auf Kameras zurückzugreifen.

Die Polizei arbeitet vielerorts schon mit einer Software, die zum Beispiel die Wahrscheinlichkeit von Einbrüchen voraussagen kann. Diese geschehen vor allem an Orten mit reichen Bewohnern, und für grössere Einbrüche braucht man eine Autobahn zum Entkommen. «Allerdings dürfte es bei rassistischen Übergriffen etwas schwieriger sein», so Bendel. Diese könnten prinzipiell überall stattfinden.

Nicht repräsentativ, aber aussagekräftig

Die häufigsten anti-islamischen Suchanfragen – und somit auch islamophobe Angriffe – gab es in der Woche, als 2010 um eine Moschee beim Ground Zero gestritten wurde und um die Jahrestage der Anschläge vom 11. September 2001, schreibt die «New York Times».

Das FBI hat die Daten zu den sogenannten hate crimes des laufenden Jahres noch nicht ausgewertet. Doch aufgrund ihres Google-Modelles wagt die Zeitung eine Prognose: Die Anzahl der rassistischen Übergriffe auf Muslime sei so hoch wie nie seit den direkten Nachwirkungen von 9/11. Es dürften in diesem Jahr 200 Angriffe sein, was 2015 zum schlimmsten Jahr seit 2001 machen würde.

Auch weitere interessante Fakten brachte die Analyse zutage: Nachdem ein muslimisches Paar im kalifornischen San Bernardino 14 Menschen tötete, war in Kalifornien die Top-Suche im Zusammenhang mit Muslimen: «kill muslims». Im November wurde in den USA 3600 Mal nach «I hate Muslims» gesucht und 2400 Mal nach «kill Muslims».

Analysen von Suchanfragen sind nicht repräsentativ. Trotzdem können sie Aussagekräftig sein, sagt der Stanford-Politikwissenschaftler Paul Snideman zur «New York Times»: Google-Suchen beantworten die Frage: «Was erregt die Leute so sehr, dass sie ihre Gefühle so ausdrücken? Die Antwort auf diese Frage könnte, gerade weil sie nicht repräsentativ für die Bevölkerung ist, besser sein, um rassistische Gewalttaten vorherzusehen.»

Computer-Revolution: Google und Nasa präsentieren Quantencomputer

1 / 11
Computer-Revolution: Google und Nasa präsentieren Quantencomputer
Das Herz des Computers ist ein Quantenchip, kaum fingernagelgross.
Auf Facebook teilenAuf X teilen

Hol dir jetzt die beste News-App der Schweiz!

  • watson: 4,5 von 5 Sternchen im App-Store ☺
  • Tages-Anzeiger: 3,5 von 5 Sternchen
  • Blick: 3 von 5 Sternchen
  • 20 Minuten: 3 von 5 Sternchen

Du willst nur das Beste? Voilà:

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
twint icon
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Das könnte dich auch noch interessieren:
1 Kommentar
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
1
Darum will Instagram Nacktbilder in Direktnachrichten verstecken
Der Jugendschutz auf Social-Media-Plattformen wie Instagram steht schon lange in der Kritik. Mark Zuckerbergs US-Konzern Meta plant nun verbesserte Sicherheitsmassnahmen – ausgerechnet mit KI.

Der US-Konzern Meta hat einen besseren Schutz von minderjährigen Nutzerinnen und Nutzern vor sexueller Erpressung angekündigt. Meta teilte am Donnerstag mit, es werde erprobt, eine von künstlicher Intelligenz (KI) unterstützte Software einzusetzen.

Zur Story