Bern (den) – Sabrina S. ist verheiratet und Mutter von zwei Söhnen. Von 4'000 Franken Mindestlohn kann die 33-Jährige nur träumen. Seit der Geburt ihres ersten Kindes speist sie ihr Ehemann mit monatlich 800 Franken Haushaltsgeld ab: «Ich bin Köchin, Putzfrau und Hure in einem. Und das für einen Stundenlohn von umgerechnet knapp fünf Franken.»
Die Bernerin ist mit ihrem Schicksal nicht alleine. Das Bundesamt für Statistik zählt Hausfrauen zu den «Nichterwerbspersonen» und wirft sie damit in einen Topf mit Rentnern und Studenten. Recherchen des Enthüllers zeigen, dass Hausfrauen je nach Kanton unterschiedlich verdienen. Die Löhne schwanken von monatlich 300 (Thurgau) bis 2’800 Franken (Zürich Goldküste). Eines haben jedoch alle Hausfrauen gemeinsam: Keine von ihnen kommt auch nur annähernd an den geforderten Mindestlohn von 4'000 Franken. «Dass unsere Arbeit weniger geschätzt wird als die einer Migrolino-Angestellten, ist schon schmerzhaft», kommentiert Sabrina S. die Recherchen des Enthüllers. «Ich gebe täglich mein Bestes, sowohl am Herd als auch am Staubsaugerrohr. Und was erhalte ich als Dank dafür? Morgens einen Kuss auf die Backe und zum Geburtstag eine Antifaltencreme vom Discounter.»
Samuel Scheidecker kennt die Nöte Schweizer Hausfrauen. Der ehemalige Immobilienmanager kämpft als Vorsitzender vom «Bund Schweizer Hausfrauen» seit Jahren für den Mindestlohn. Bisher ohne Erfolg. «Die meisten Hausfrauen, oder wie wir hier sagen, ‹Familienmanagerinnen›, werden nach dem Franchise-System betrieben. Jeder Geschäftsführer, also Mann, legt da den Mindestlohn selber fest. Wir können nur Empfehlungen abgeben», sagt der 48-Jährige. Er berät tagtäglich verzweifelte Frauen, denen das Geld hinten und vorne nicht reicht. «Ist die Ehe sowie die Position als Familienmanagerin noch relativ frisch, kann die Frau mit einem Sexentzug eine Lohnerhöhung durchsetzen. Kritisch wird es ab zwei bis drei Ehejahren oder 17 Kilo Gewichtszunahme während der Schwangerschaft, da helfen solche Massnahmen nicht mehr.»
Sabrina S. pfeift auf die Empfehlungen des Hausfrauenverbandes. Sie hat sämtliche Tricks versucht, um an mehr Lohn zu gelangen. Im ersten Ehejahr sei als Bonus noch eine elektronische Saftpresse rausgesprungen, mittlerweile zeige sich ihr Mann bei Lohnverhandlungen nicht mehr kooperativ. «Den im Vertrag festgehaltenen 13. Monatslohn habe ich nie erhalten. Mein Mann Erich meint, die beiden Kinder sollten Bonus genug sein. Ausserdem komme mein Job mit Freiheiten. Er könne sich während der Arbeit nicht einfach rasch mit einer Freundin zum Kaffee treffen, sondern müsse sich irgendeinen hirnrissigen Grund aus den Fingern saugen, um seine Sekretärin an die Kaffeemaschine zu locken.» Ein Ehepartnerwechsel kommt für Sabrina S. momentan nicht in Frage. «Zwar habe ich ein Auge auf den Besitzer der Buchhandlung geworfen, aber dem seine Frau legt beim Einkauf nur M-Budget-Produkte aufs Band, da scheint die Bezahlung also auch ziemlich mies zu sein.»
Der Ball würde nun eigentlich bei der Politik liegen. Doch sämtliche Parteien, die für den Mindestlohn kämpfen, kümmert das Schicksal Schweizer Hausfrauen wenig. «Wollen Sie mich verarschen?», lautet beispielsweise die Antwort von SP-Nationalrat Max Rochard auf die Frage, was seine Frau als Familienmanagerin verdiene. Verschlossen geben sich auch die Grünen. «Ich verrate Ihnen nicht, was meine Frau verdient. Aber es ist nicht wenig. Unser Porsche Cayenne tankt sich schliesslich nicht von alleine», sagt Kantonsratsmitglied B.G.
Hausfrau Sabrina S. betet, dass die Mindestlohn-Initiative am 18. Mai angenommen wird. Ihr Ehemann Erich S. wird hingegen ein Nein in die Urne legen. Sollte die Initiative durchkommen, werde er sich scheiden lassen und seine Frau durch eine Maschine ersetzen. «Für 4'000 Franken monatlich kann ich mir zwei Saugroboter kaufen und das Essen vom Cateringservice kommen lassen. »