Manchmal würde ich gerne den ganzen Bettel anerüere – gopf! Zum Beispiel nach den letzten Wahlen. Zum Beispiel, als ich mich kürzlich mit dem neuen CO2-Gesetz beschäftigte und feststellen musste, dass es verdünntem Wasser gleichkommt – zumindest für meinen Geschmack. Zum Beispiel, wenn ich aus meiner Klimaschutz-Bubble heraus in eine andere Gesellschafts-Bubble geworfen werde, in der die Klimakrise oder Umweltzerstörung irrelevante Nebensächlichkeiten sind (der Pleonasmus ist gewollt).
Nach der Verzweiflung kommt der Gedanke: Aber wenn ich trotzdem etwas tue, ist das nicht nichts, und schliesslich bin ich nicht allein. Das klingt wie aus einem dieser Kinderbücher, die Mini-Menschen miterziehen wollen. Ein bisschen naiv.
Oft fragen mich Klima-Bubble-Menschen sowas wie: «Wie schaffe ich es, nicht zu verzweifeln, obwohl viel zu wenig gegen die Klimakrise unternommen wird?» oder «Warum soll ich mich engagieren, während so viele Menschen das Gegenteil tun? Da kann ich es auch bleiben lassen.»
Es gibt einige Strategien gegen dieses Gefühl von Ohnmacht und Verzweiflung. Und der Gedanke, dass man auch als Einzelperson etwas bewirken kann, ist alles andere als naiv.
Die erste Strategie finden wir beim Soziologen und Sozialpsychologen Harald Welzer: Die Erzählung des eigenen Lebens im Futur zwei. Vereinfacht gesagt erzählt man sich die eigene Gegenwart aus der Perspektive der Zukunft.
Dazu gibt es unzählige Beiträge und Podcasts. Ein lesenswerter Beitrag im Onlinemagazin «Republik» mit dem Titel «Ja, Zukunftslust, verdammt!» bringt den Grundgedanken auf den Punkt:
«Menschen handeln dann am verantwortungsvollsten, wenn sie sich selbst nach den ethischen Massstäben ihres zukünftigen Ichs (oder späterer Generationen) beurteilen – sozusagen aus dem Futur zwei, der vollendeten Zukunft heraus.»
Das könnte dann ungefähr so klingen: Wer will ich gewesen sein? Wie sollen andere Menschen (meine Kinder/Enkelkinder) sich an mich erinnern? Wie werde ich im Kampf gegen die Klimakrise und Umweltverschmutzung gehandelt haben?
Die Antworten ermöglichen es – unabhängig von jenen Menschen, die sich nicht engagieren oder die Konsumsau rauslassen –, mit den eigenen Werten in Einklang zu kommen. Sie regen zum Selberdenken an und führen zu konkretem Handeln. So entsteht eine reale Erfahrung von Selbstwirksamkeit, die sich an kollektiven Werten orientiert, die man selber teilt.
Nur weil andere sich (noch) wie Sau verhalten, macht es mich nicht zufriedener, wenn ich mich ihnen anschliesse und mich konträr zu meinen eigenen Werten verhalte. Das wäre so, als würde ich mich fragen, wie ich ganz sicher nicht gelebt haben will und wie ich bei anderen Menschen keines Falls in Erinnerung bleiben will.
Die von Welzer gegründete Stiftung Futurzwei erzählt auf der gleichnamigen Plattform positive Geschichten vom Gelingen und bietet Inspiration und konkrete Ideen für das eigene Handeln.
Wälzt man sich durch die Sachliteratur über die Klimakrise oder schlicht durch den Alltag, wird eines sehr deutlich: Wir leben in Systemen und haben Strukturen geschaffen, die es dem Individuum nahezu verunmöglichen, klima- oder umweltfreundlich zu leben.
Drei Beispiele von vielen
Klar ist: Hier muss Substantielles auf politischer und wirtschaftlicher Ebene verändert werden. Aber deshalb davon auszugehen, dass das eigene Handeln wirkungslos bleibt, ist falsch gedacht, genauso wie der Glaube, dass die Politik und der Markt es bestimmt irgendwie richten werden.
Es braucht beides.
In der psychologischen Forschung – und insbesondere in der Umweltpsychologie – ist gut belegt, dass wir das Gefühl der Ohnmacht am besten bekämpfen, indem wir unsere kollektive Selbstwirksamkeit nutzen. Wer sich beispielsweise in einer Umweltschutzorganisation oder einer Landwirtschaftskooperative engagiert, findet Gleichgesinnte und steht nicht mehr alleine da.
Wer wenig Zeit hat, kann etwa damit beginnen, Angebote von anderen zu nutzen, an einem Kleidertausch teilzunehmen, im Repair Café kaputte Dinge flicken zu lassen. Vor Ort zu merken, dass sich andere Menschen ebenfalls engagieren, motiviert. Darüber hinaus hat man in diesen konkreten Fällen auch gleich noch Geld gespart und damit einen ganz konkreten Nutzen für sich persönlich.
Die kollektive Selbstwirksamkeit, oder besser kollektives Handeln, lässt sich auch auf die politische Ebene heben. Das Klimaschutzgesetz wäre nicht zustande gekommen, hätte es dafür nicht einen Verein gegeben und unglaublich viel ehrenamtliches und finanzielles Engagement aus der Bevölkerung. Das individuelle Handeln unzähliger Menschen hat auf politischer Ebene etwas bewegt, ist also alles andere als naives Umechüechle. Auch wenn natürlich noch viel zu tun bleibt.
So betrachtet ist individuelles Handeln Voraussetzung, um mittels politischer Entscheide etwas zu verändern.
Kollektive Selbstwirksamkeit kann auch im sehr kleinen Rahmen stattfinden. Ein sympathischer pensionierter Herr erzählte mir mal vom Klima-Apéro in seinem Quartier. Er und einige andere Quartierbewohnerinnen und -bewohner träfen sich alle paar Wochen bei jemandem zu Hause auf einen Apéro und tauschen Erfahrungen und Tipps aus.
Die Geschichte vom Klima-Apéro enthält einen psychologischen Aspekt, der essentiell ist: Mit Gleichgesinnten über eigene Erfahrungen und Zweifel zu sprechen, entlastet und kann gleichermassen motivieren. Eigentlich nichts Neues, denn nichts Anderes tun wir, wenn wir mit Freunden oder Familienmitgliedern über unsere Sorgen sprechen.
Was ich in der ganzen Literatur rund um die Klima- und Umweltschützerei leider noch nicht gefunden habe, ist der Hinweis, dass es auch super motiviert, Menschen für ihr positives Verhalten zu loben. Also einfach mal zu sagen «Ich finde es grossartig, dass du immer mit dem Zug in die Ferien fährst!» oder «Respekt, dass du kein eigenes Auto brauchst. Das ist toll.» Das hilft zwar nicht unmittelbar gegen das eigene Gefühl der Ohnmacht, dafür kann es andere Menschen motivieren.
Auch das ist nichts Neues. Wir tun dies meist bei Kindern, die etwas gut machen. Wir tun es ab und zu im Job oder erhalten Lob von der Chefin, das uns motiviert und unser Engagement bestätigt. Warum nicht auch beim klima- und umweltfreundlichen Handeln?
Die Predigt von der Work-Life-Balance sollten wir uns auch beim Klima- und Umweltschutz zu Herzen nehmen. Sonst artet das eigene Engagement schnell mal in Dauerstress aus, womit niemandem geholfen ist. Schliesslich können wir auch oder gerade beim Faulenzen das Klima und die Umwelt schützen, aber lest selbst.
Meistens drehen sich die Klimaschutz-Diskussionen um Naturkatastrophen und menschliches Elend, die es zu mildern oder bestenfalls zu verhindern gilt. Als würden wir uns ständig Fragen, wie wir diese künftige Welt verhindern sollen, in der wir offensichtlich nicht leben wollen.
Motivierender und produktiver kann es sein – auch das zeigt die Forschung –, sich eine wünschenswerte Zukunft vorzustellen.
Das klingt erstmal schwammig, weil was sollen wir uns vorstellen? Wo sollen wir anfangen?
Im vergangenen März bin ich auf ein bemerkenswertes Beispiel gestossen, das zeigt, wie die Vorstellung einer lebenswerten Zukunft zum Handeln motiviert. Der Verein Zukunftsgemeinde mit der gleichnamigen Plattform bietet für verschiedenste Bereiche unseres Alltags solche Zukunftserzählungen. Er bleibt dabei nicht im Erzählen stecken, sondern setzt sie auf Gemeindeebene bereits um und bietet interessierten Personen Hilfestellung. Der Verein geht also den entscheidenden Schritt: von der blossen Vorstellung zum Handeln.
Auch der Verein Klimaschutz Schweiz liefert auf der Plattform Schweiz 2050 eine Vorstellung einer wünschenswerten Zukunft.
Inspiration, wie eine Zukunft aussehen kann, die bereits in der Gegenwart existiert, liefert wie erwähnt die Stiftung Futurzwei, und zwar mit unzähligen Beispielprojekten, die heute schon umgesetzt werden.
Södelig! Ihr wisst es: Hebed üch Sorg und bleibt motiviert. Ich les mich jetzt durch die Geschichte «Grüezi, darf ich ihre Tasche heimfahren?». Bis bald!