Es war die perfekte Ausgangslage. Sie war hübsch, Hanna fand, ich zitiere, sie sehe aus wie eine «Basic Bitch», aber ehrlich gesagt weiss ich nicht einmal, was sie damit genau meint, zweitens hat Hanna gerade jemanden kennengelernt, «jemand wirklich Gutes!», und findet, dass sie deshalb befugt ist, umso schneller Urteile über andere zu fällen, weil sie ja nun den Dreh raus hat, irgendwie so, ein Mal ein erfolgreiches Date und schon ist man Beziehungsexpertin und Menschenkennerin, klar ...
Sie, nennen wir sie Jessica, war 28 Jahre alt, sie hatte sehr lange, sehr gerade, sehr blonde Haare, die eigentlich schwarz und ungerade waren, erzählte sie mir beim Treffen, weil sie halb Puerto-Ricanerin sei. Aber sie färbe ihre Haare, seit sie zwölf ist. Zuerst dunkelblond, jetzt hellblond. Passe besser zu ihrem Teint. Fand ich die Information wichtig? Nein. Fand ich es wichtig, die Information wichtig zu finden? Nein. Ich wollte schliesslich keine Frau zum Heiraten finden, sondern jemanden für meinen sogenannten Rebound-F*ck, entschuldigt die Wortwahl, ich wollte eine Frau finden, um mit ihr «Liebe zu machen». Jawohl.
In ihrem Profil stand, sie sei nur eine Woche in Zürich und suche jemanden, der ihr die Stadt zeigt. Jessica ist aus New York. Besser gesagt, New Jersey. Da ist sie aufgewachsen. Da lebt sie immer noch. Bei ihren Eltern, yes. Aber sie arbeite in der City, also in Manhattan, und sie reise viel wegen des Jobs. «All the time!»
Ich habe ihr also die Stadt gezeigt. Das ist eine Lüge. Ich habe ihr exakt eine Bar gezeigt und ihr ein bisschen über die Stadt erzählt. Das Gespräch war jetzt nicht das interessante, das ich je führte, Sarkasmus und Ironie prallten komplett an ihr ab, sie sagte auch, egal, was ich erzählte, «Oh, I love this!» oder «Oh my God, that's awesome!», wie ein Roboter auf Repeat, aber eben: Ich wollte ja auch nur zurück ins Game.
Sie war streng katholisch, sagte sie. Wegen der Eltern. Also nicht, wenn sie ausserhalb von den USA war. Verstand ich nicht ganz, fragte aber auch nicht weiter.
Ich finde, in Hotels vögelt es sich anders. Besser. Meistens jedenfalls. Vielleicht, weil die Betten weicher sind. Oder das Bad nicht am anderen Ende der Wohnung. Oder weil egal ist, wenn man laut ist, weil man sich ja am nächsten Tag nicht mit den Nachbarn im Treppenhaus darüber unterhalten muss.
Jessica, das muss ich sagen, war ein wirklich guter Rebound ... Eine wirklich gute Wahl.
Ich übernachtete dort, weil sie am nächsten Tag zurückflog, aber erst um 13 Uhr, also gab es keine Eile und ich dachte, so könnte man ja am Morgen nochmals bumsen. Sie wollte erst Frühstück aufs Zimmer bestellen, im Bett essen. So wie «in all the movies». Haben wir getan. Also angefangen. Sie war an ihrem Handy, ich nahm also meins hervor, klickte auf ein paar Newsportale.
Ich sah eine Nachricht aus den USA, den Präsidenten betreffend, und machte irgendeine Bemerkung, dass das ja schon alles einfach verrückt war. Ich dachte nicht einmal wirklich nach, ich murmelte einfach vor mich hin.
Zuerst fand sie, ich könne das nicht beurteilen, ich würde nicht in den USA leben. Fand ich, hatte sie recht damit, wusste aber noch nicht, wo sie damit hinwollte.
Es stellte sich heraus, dass sie einen ganz anderen Blick auf die US-Politik hatte. Nicht, weil sie dort lebte und ich nicht. Sondern, weil sie politisch komplett anderswo stand als ich.
Leute! Ich habe das nicht kommen sehen. Es hat sich in der Bar nicht abgezeichnet! Und sie war aus New York! Halb Puerto-Ricanerin. Ich habe es nicht mal in Erwägung gezogen.
Hätte man alles ignorieren können. Aber konnte ich nicht. Sie wohl auch nicht. Als sie weiter ausführte, warum sie dachte, wie sie dachte und unterstützte, wen sie unterstützte, sagte sie, ich würde «so weird» dreinschauen, sie bekäme fast Angst vor mir.
Mein «Back in the game»-Game war also abrupt zu Ende.
Aber ich bin wild entschlossen, bald wieder zu spielen und die Erfahrung mit einer anderen zu überdecken.
So long,
Ben
Lieber Ben, Eigenlob ist auch im Jahr 2026 noch maximal uncool.