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Liebe Kafi. Es sind Beschwerden auf hohem Niveau, von daher nicht dringend. Nichtsdestotrotz geht es mir deswegen ab und zu recht schlecht, da ich mir leider immer zu viel Gedanken mache, was andere von mir denken.  

Dies ist mein Himmel. Ich teile ihn mit 7,3 Milliarden anderen Menschen.
Dies ist mein Himmel. Ich teile ihn mit 7,3 Milliarden anderen Menschen.Bild: Kafi Freitag
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Liebe Kafi. Es sind Beschwerden auf hohem Niveau, von daher nicht dringend. Nichtsdestotrotz geht es mir deswegen ab und zu recht schlecht, da ich mir leider immer zu viel Gedanken mache, was andere von mir denken.  

12.01.2015, 13:4015.01.2015, 11:12

Und irgendwie kann ich diese Sprüche nicht mit der nötigen Portion Selbstbewusstsein ignorieren. 

Hier also: Mein Mann und ich haben vor kurzem ein schönes Haus an schöner Lage gekauft mit eigens erwirtschaftetem Geld. Wir haben es schön eingerichtet und sind sehr glücklich mit unseren zwei kleinen Kindern. Einige Freunde und leider auch nahe Familienmitglieder haben sich in letzter Zeit teilweise sehr spitze und verletzende Bemerkungen erlaubt i. S. von so viel Geld ausgeben o. ä. – wobei wir uns aber nichts geleistet haben, was wir uns nicht leisten könnten. Ich bin dann jeweils in Verteidigungsposition und versuche zu erklären, aber ich habe gemerkt, den Leuten geht es gar nicht darum, die Hintergründe über etwas zu erfahren (warum wir z. B. ein Parkett verlegt haben). Es geht ihnen anscheinend einfach darum, etwas loszuwerden. Wie antworte ich am besten auf solche Angriffe? Im entscheidenden Augenblick bin ich oft sprachlos und ärgere mich dann nachträglich. Solche «Freunde» meide ich jetzt einfach ein bisschen, bei Familienmitgliedern geht das ja leider nicht. Was soll ich tun? Herzliche Grüsse. Manuela, 32 

Kafi Freitag
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Liebe Manuela 

Für jede Frage, die mir gestellt wird, habe ich mindestens drei Versionen von Antworten parat und es hängt jeweils von meiner persönlichen Stimmung ab, welche ich dann niederschreibe. Vielleicht hätte ich vor ein paar Wochen ein Pamphlet über Neid und Missgunst geschrieben und wie der ganzen Sache zu begegnen ist. Aber das mache ich heute nicht, weil es mir im Moment als zu einfach erscheint.

Dieser Tage scheint mir nämlich vieles zu einfach. «Je suis Charlie» und aus jedem noch so lächerlichen Hasenfuss, der sich sonst tunlichst davor hütet, jemals öffentlich etwas preiszugeben, das ihn angreifbar macht, wird ein mutiger Held, der für seine Überzeugung sein Leben riskiert. Ihre Frage erwischt mich in genau dieser Laune und darum werde ich Ihnen auch in dieser eine Antwort zu Ihrer Frage schreiben.

Sie stören sich daran, dass niemand so wirklich mit Ihnen mitgeht und sich für Ihren Hauskauf ohne Vorurteile und Wertungen interessiert. Und ich frage zurück:

Wann haben Sie sich zum letzten Mal ehrlich und aufrichtig für Ihre Freunde interessiert? Wissen Sie, was diese umtreibt und mit welchen Sorgen sie abends zu Bett gehen? Wie viel Platz bleibt bei einem Grossprojekt wie dem Kauf eines Hauses für die Themen der Anderen? Verliert man sich eventuell in der Auswahl des Parketts und hat dann den Anspruch, dass es jemanden anderen genauso interessiert? Wann haben Sie das letzte Mal für einen aussenstehenden Menschen Ihre Komfortzone verlassen? Und können Sie sich vorstellen, dass es in Ihrem Umfeld Menschen gibt, welche wirtschaftliche Sorgen haben und darum nicht adäquat mit Ihrem Glück umgehen können?

Das sind alles nur Fragen und vielleicht liege ich vollkommen falsch. Aber ich habe für mich entschieden, vermehrt bei mir selber hinzuschauen, wenn ich Probleme mit anderen habe. Ich habe mich dafür entschieden, meinen wichtigen Freunden mehr Zeit zu widmen und mich mit Ihren Problemen und Ängsten noch mehr auseinanderzusetzen.

Das ist meine persönliche Antwort auf all das Böse, das im Moment vor unserer Haustür geschieht. Es passiert im Grossen wie in Paris und es geschieht im Kleinen, wenn ich auf Facebook gemein angefickt werde, oder selber gemein anficke. Ich will noch mehr Menschlichkeit wagen, als ich es bis anhin schon getan habe. Ich will den Menschen mit noch mehr Verständnis und Liebe begegnen, als ich es heute bereits tue. Und dazu gehört auch, dass ich mich und mein Verhalten anderen gegenüber immer wieder hinterfrage.

Ich bin verantwortlich für meine Gedanken, weil ich weiss, dass aus ihnen Worte und später Taten werden. Ich bin verantwortlich dafür, ob ich in meinem persönlichen Leben Frieden oder Krieg habe. Ich kann den Menschen mit Liebe und Interesse begegnen oder diese von anderen einfordern, weil ich das Gefühl habe, Anspruch darauf zu haben. Ich entscheide darüber, was ich säe und später ernten werde.

Fragen Sie sich einmal ehrlich, was Ihr Beitrag zur Menschlichkeit in den letzten Monaten war. Waren Sie Ihren Mitmenschen eine gute Freundin und Zuhörerin oder hat sich alles nur um Sie und Ihr persönliches Glück gedreht? Haben Sie offenen Herzens geteilt oder sich hauptsächlich für das eigene Wohlbehagen engagiert? Auch Zweiteres wäre vollkommen verständlich und menschlich. Aber vielleicht ein Ansporn, das neue Jahr unter einen anderen Stern zu stellen.

Einige LeserInnen werden mich heute etwas gar abgehoben empfinden. Und genau das will ich. Ich will abheben von meinen täglichen Alltagssorgen und mich mal aus sicherer Distanz beobachten. Ich will mich mit neutralen Augen sehen und schauen, wie ich diese meine Welt zu einer besseren machen kann. Ich will heute noch ein besserer Mensch werden. Weil es das Einzige ist, was ich heute und für mich selber tun kann. Ich habe keinen Zugriff auf globale Probleme. Aber ich habe Zugriff auf meine Gedanken und mein Handeln. Und ich will dafür die Verantwortung übernehmen. Weil es meine kleine Welt ein kleines bisschen lebenswerter macht.

Mit herzlichem Gruss. Ihre Kafi.  

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Kafi Freitag (39) beantwortet auf ihrem Blog www.FragFrauFreitag.ch Alltagsfragen ihrer Leserschaft. Daneben ist sie Mitbegründerin einer neuen Plattform für Frauen: Tribute.ch.



Im analogen Leben führt sie eine Praxis für prozessorientiertes Coaching (www.FreitagCoaching.ch) und fotografiert leidenschaftlich gern. Sie ist verheiratet und Mutter eines zehnjährigen Sohnes.



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