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Unser sprachlich eher ordinärer Nachbar kappt regelmässig unseren Haselstrauch, welcher an der Grundstücksgrenze steht. 

Wunderbare (vermutlich zufällige) Zusammenstellung von Artikeln.
Wunderbare (vermutlich zufällige) Zusammenstellung von Artikeln.Bild: Kafi Freitag
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Unser sprachlich eher ordinärer Nachbar kappt regelmässig unseren Haselstrauch, welcher an der Grundstücksgrenze steht. 

25.08.2014, 11:2328.08.2014, 13:50

Dies ohne uns zu fragen oder uns mitzuteilen, warum er ihm ein Dorn im Auge ist. Ich möchte den Nachbarn darauf ansprechen, habe aber weder Lust, es zu einem Streit eskalieren zu lassen, noch, dass mein südländisches Temperament mit mir durchgeht. Sein Haus steht höher als unseres, ca. 2m Aufschüttung. Wie gehe ich es an?? Katharina, 35

Kafi Freitag
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Liebe Katharina 

Eine wunderbare Frage, inhaltlich wie sprachlich! Ich weiss nicht, ob Sie die Frage absichtlich so linguistisch herrlich treffend formuliert haben, oder ob es mehr eine unbewusste Formulierung ist, dass der Haselstrauch Ihrem Nachbarn ein Dorn im Auge ist. Aber wie auch immer, mir wortverliebtem Menschen haben Sie damit eine Freude bereitet. Drum: danke!

Wenn Sie erlauben, würde ich Ihre Frage nun gern inhaltlich etwas auseinandernehmen. Es geht nun also um einen Strauch, der die beiden Grundstücke trennt, aber auf Ihrem steht. Folglich sind Sie für die Pflege verantwortlich, Ihr Nachbar kann sich aber ebenfalls berufen fühlen, da sich das Gewächs vermutlich nicht an unsichtbare Grenzen hält und auch auf seine Seite herüber wuchert.

Das ist natürlich eine Grenzüberschreitung. Und Grenzüberschreitungen sind gerade im Rahmen der eigenen vier Wände höchst unwillkommen. Eine Tatsache, die dazu führt, dass sich Friedensrichter hauptsächlich mit Haselsträuchern und dessen Kollateralgeschädigten herumzuschlagen haben. Ich könnte mir sehr gut vorstellen, dass die Ausbildung zum Landschaftsgärtner von grossem Vorteil ist, wenn man es als Friedensrichter zu etwas bringen will. Was ich damit etwas umständlich sagen will; Sie sind mit Ihrem Anliegen in bester Gesellschaft. Und das würde mir an Ihrer Stelle dann doch zu denken geben.

Sie haben sicher auch schon davon gehört, dass es in anderen Teilen dieser Erde etwas anders zu und hergeht, mit dem Wohnraum. Vermutlich lebt man nur noch in Norwegen verschwenderischer als bei uns in der Schweiz. Aber das ist jetzt nur eine Annahme, ich habe das nicht recherchiert, behaften Sie mich drum bitte nicht drauf. In China leben sehr viele Menschen in einer Art Wohnsilos, wo einzelne Wohnungen mit Gittern nochmals unterteilt werden in einzelne «Wohneinheiten». In der Schweiz verbietet der Tierschutz eine ähnliche Haltung bei Schweinen. Und auch in Japan wohnen meistens mehrere Generationen zusammen in einer Wohnung und schlafen, wenn es sein muss, unter dem Schreibtisch. Diese Menschen haben demzufolge das grosse Privileg, sich nicht um einen Haselstrauch streiten zu müssen, der das eigene Grundstück gegen das andere abschirmt. Ich bin mir ziemlich sicher, dass sich weder die betreffenden Chinesen noch die Japaner dieses Vorteils bewusst sind. Eine dementsprechende Kampagne könnte da vermutlich Abhilfe schaffen. Ich werde mich darum kümmern, sobald mein Schreibtisch einmal leer sein sollte.

Sie können in der Zwischenzeit weiterhin mit der geballten Faust in der Hosentasche leben. Ist bestimmt einfacher, als das Thema einmal in Ruhe anzusprechen. Gerade für eine Frau mit südländischem Temperament, wie Sie es sind. Wäre auch zuviel erwartet. Da soll der Nachbar doch selber drauf kommen, dass Sie das stört.

Nein ernsthaft, Katharina. Wenn es etwas gibt, das kaum Sinn macht, dann ist es Streit mit Nachbarn. Denn schliesslich haben solche Differenzen das grosse Potenzial, einem das Leben und das Wohnen vollkommen zu versauen. Umso mehr erstaunt es mich, dass man nicht bereit ist, ein sachliches Gespräch darüber zu führen. Natürlich habe ich gelesen, dass Ihr Nachbar sprachlich ordinär unterwegs ist. Aber Sie sind dafür gar nicht unterwegs. Wagen Sie doch zumindest mal den Versuch! Und wenn der dann vollkommen in die Hose geht, können Sie mir immer noch schreiben, wie es weitergehen soll.

Vielleicht haben Sie das grossartige neue Zürcher Bauprojekt Kalkbreite etwas verfolgt. Das ist eine neue Überbauung (Architekten stellt es bei diesem Begriff die Nackenhaare auf, aber man soll die Dinge doch noch beim Namen nennen dürfen, nicht), welche sämtliche Grenzüberschreitungen nicht nur zulässt, sondern förmlich provoziert. Das gilt für das Zusammenleben der Mieter untereinander (keine privaten Balkons, dafür eine grosse gemeinsame Fläche), aber auch für den Kontakt mit Menschen, die nicht dort wohnen. Der gemeinsame Raum ist nämlich auch noch öffentlich und eine fehlende Beschilderung macht's möglich, dass immer mal wieder interessierte Passanten auf einer eigentlich privaten Terrasse stehen. Ich persönlich finde das Ganze extrem spannend. Auch darum, weil ich weiss, dass es nichts für mich wäre. Für mich ist es wichtig, dass ich mich vollkommen zurückziehen kann in meinen vier Wänden. Dieses Spannungsfeld der offenen Grenzen würde mich vermutlich an meine bringen.

Zu diesem Bewusstsein bin ich aber erst durch die Konfrontation mit diesem Projekt gekommen. Davor habe ich ja nichts anderes gekannt! Und das sollten Sie auch tun, liebe Katharina. Gehen Sie mal an die Grenze Ihrer eigenen Komfortzone und tun Sie etwas, wovon Sie gestern noch nicht gewusst haben, dass Sie dazu imstande wären. Wie wäre es zum Beispiel mit einem Loch im Strauch, durch das Sie Ihrem Nachbarn eine Bratwurst und ein Bier für den «gemeinsamen» Grillabend reichen können?

Natürlich können Sie die Beschneidung Ihres Haselstrauchs als eine Beschneidung Ihrer persönlichen Freiheit betrachten. Oder Sie können genau das Gegenteil tun und sich einreden, dass Ihr Nachbar einfach nur etwas mehr Nähe zu Ihnen haben möchte. Und ja, ich weiss natürlich, dass das im Anbetracht Ihres Nachbarn vielleicht eine totale Unmöglichkeit sein kann. Aber wenn ich etwas gelernt habe, dann das, das eben gar nichts unmöglich ist! Die Schranken zwischen möglich und unmöglich sind allein in meinem Kopf. DORT entscheide ICH, was möglich sein soll. Und diese Wahl haben Sie auch. Sie müssen es nur wollen.

Alles Liebe und Danke fürs Fertiglesen. Ihre Kafi.

P.S. Eigentlich wollte ich mich ja noch zu Ihrer letzten Bemerkung, diesen 2 Metern Aufschüttung äussern. Ich verstehe nämlich beim besten Willen nicht, was das zur Sache tut. Geht es da um ein Egogewixe zwischen Wohneigentümern, oder ist es eine neutrale Auskunft, die das Haselstrauchproblem verständlicher machen sollte? Diese Frage hat sich mir auch nach längerem Nachdenken nicht erschlossen und darum werde ich diesen Punkt unbeantwortet lassen. Sollte dieser Tatbestand aber matchentscheidend sein, dürfen Sie mir das gerne nochmals mitteilen. 

Und dann grad nochmals ein P.S.: Kürzlich hat mir die Fragende von «Vermieterin aus der Hölle» einen Brief geschickt (keine Email, einen persönlichen, handgeschriebenen Brief!!!) und mir mitgeteilt, dass sie bis heute Ruhe hat von der Teufelin ... Vielleicht wäre auch das noch einen Versuch wert?

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Kafi Freitag (39) beantwortet auf ihrem Blog www.FragFrauFreitag.ch Alltagsfragen ihrer Leserschaft. Daneben ist sie Mitbegründerin einer neuen Plattform für Frauen: Tribute.ch.



Im analogen Leben führt sie eine Praxis für prozessorientiertes Coaching (www.FreitagCoaching.ch) und fotografiert leidenschaftlich gern. Sie ist verheiratet und Mutter eines zehnjährigen Sohnes.



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