Die zentrale Frage unseres Daseins ist die nach dem Sinn des Lebens. Obwohl sich alle grossen Denker mit dem Phänomen auseinandergesetzt und Bibliotheken zum Thema gefüllt haben, gibt es nach wie vor keine schlüssige Antwort.
So schmerzlich es ist: Der Sinn des Lebens bleibt uns verborgen. Diese bohrende Ungewissheit brachte den Menschen auf Gott. Da auch die Philosophie keine endgültige «irdische Lösung» bieten kann, suchen viele Menschen die Antwort in den übersinnlichen Sphären.
Für diese Disziplin ist bekanntlich die Religion zuständig. Somit übernehmen die Theologen und Geistlichen die Deutungshoheit, und die Frage nach dem Sinn des Lebens wird von der Wissens- auf die Glaubensebene verschoben.
Damit wird die Suche nach dem Sinn der Existenz eingeschränkt. Wer glaubt, dass der Sinn im Übersinnlichen liegt, verpasst die Chance, ihn dort zu suchen, wo er am ehesten angelegt ist: in uns und in der Existenz an sich.
Da wir Menschen nach Höherem streben und uns die Religionen die Vision von einem ewigen Leben schmackhaft machen, werten wir die Idee ab, dass auch im profanen irdischen und begrenzten Leben Sinnhaftigkeit zu finden ist. Wir delegieren die Frage nach dem Sinn des Lebens an einen Gott oder Schöpfer, den wir nicht kennen und an den wir glauben müssen. Damit weichen wir der wohl spannendsten philosophischen Frage aus.
Wer sich unvoreingenommen mit dem Phänomen auseinandersetzt, muss sich zuerst die Frage stellen: Braucht das Leben überhaupt einen Sinn? Ist unser Dasein nicht Sinn genug? Unsere Existenz ist nicht zwingend an Sinnhaftigkeit gebunden.
Das führt uns weiter zur Frage: Wenn es einen höheren Sinn gäbe, müsste dann nicht vieles im Leben vorbestimmt sein? Da unser Leben von Zufällen geprägt ist, kommen Zweifel an den religiösen Antworten auf. Schliesslich verdanken wir unsere Existenz einer Reihe von Zufällen.
Zum Beispiel: Wenn eine junge Frau nach dem Streit mit ihrem Mann nicht in eine Bar geflüchtet wäre und sich nicht von einem Alkoholiker abfüllen und sich schliesslich zu einem Seitensprung überreden lassen hätte, hätte sie nicht Reto geboren, sondern mit ihrem Mann Peter gezeugt. Oder: Es hat viel mit Zufall zu tun, welches der Tausenden von Spermien als erstes in das Ei eindringen kann.
Der Glaube, das Leben beinhalte oder folge einem höheren Sinn, ist nicht plausibel. Es richtet sich nicht nach übersinnlichen Kriterien, es verfolgt keinen bestimmten Zweck. Wir interpretieren in unserer Sehnsucht nach einem Leben nach dem Tod viel in unsere Existenz, in unser Dasein hinein. Wir erwarten das Heil, die Erlösung.
Doch davon ist im irdischen Leben wenig zu spüren. Ist es nicht eher so, dass das Leben an sich der Sinn ist? Ich lebe, also bin ich. Punkt.
Das ist ja schon sehr viel. Vor allem wir Schweizer sind in der aktuellen Zeit wahre Glückskinder. Mit uns meint es das Leben sehr gut, denn wir sind in jeder Beziehung privilegiert.
Wenn wir schon einen Sinn brauchen: Dieser liegt primär in der Arterhaltung. Mehr braucht das Leben nicht. Leben weiterzugeben, kann sinnstiftend sein. Und zur Arterhaltung gehört, dass wir ein soziales Gewissen entwickeln, unser Bewusstsein schärfen, verantwortungsbewusste Individuen werden und versuchen, aus der Erde einen besseren Ort machen, indem wir das Leiden verringern.
Also ein ethisch-moralisches Empfinden entwickeln, das uns nicht von Gott oder seinem Bodenpersonal übergestülpt wird. Und dies aus der Einsicht heraus, den irdischen Lebenssinn zu kultivieren. So holen wir alles auf die Erde, was wir gern im Himmel ansiedeln, den es womöglich gar nicht gibt.
Nur weil wir die Idee schlecht ertragen, dass unser Leben nach dem Tod definitiv endet, suchen wir nach einem höheren Sinn und einem rettenden Gott. Dabei vergessen wir gern, dass das Leben an sich einen Wert hat. Wir können ihm einen Sinn geben, der in unserer Reichweite liegt. Wir können unser Leben sinnvoll gestalten.
Es gibt aber noch einen viel einfacheren Inhalt: Entwickeln wir Lebensfreude und konzentrieren wir auf das Dasein, dessen wir uns sicher sind: unsere Existenz im Hier und Jetzt. Schliesslich ist unser Leben ein Wunder, egal, ob wir an einen höheren oder tieferen Sinn glauben – oder eben nicht.
Wie sagte doch schon der französische Philosoph Denis Diderot vor 300 Jahren sinngemäss: Es gibt keinen höheren Zweck. Das Überleben an sich ist der Sinn.
Funktioniert halt einfach mal überhaupt nicht.
Wenn man sich überlegt, dass Gott bei jedem Menschen (bereits vom Mutterleib an) weiss, ob dieser in den Himmel (Paradies) oder Hölle (ewige Verdammnis) kommt ist dass doch total absurd, unfair, ein Irrsinn!
Spätestens als ich dies erkannt hatte, war für mich klar, dass ich aus meiner damaligen Freikirche austrete.