Es soll kein amerikanischer Christ sagen, er habe es nicht gewusst! Schliesslich hat es Donald Trump beim Wahlkampf angekündigt. Immer und immer wieder. Er werde die Migranten verfolgen und aus dem Land jagen. Zehntausende, Hunderttausende, ja Millionen. Die meisten frommen Christen der Freikirchen und die traditionalistischen Katholiken haben ihn trotzdem gewählt.
Zur Erinnerung: Trump hetzte mit seinem grobschlächtigen Vokabular gegen die Einwanderer, nicht nur die illegalen. Er bezeichnete sie als Tiere, die das Blut der Nation vergiften würden. Dabei verhalfen «diese Tiere» den USA zu Wohlstand, weil sie für einen Hungerlohn am Fliessband standen und die Drecksjobs machten.
Die Umsetzung des Wahlversprechens erfolgt nun ähnlich brutal wie die Ankündigungen. Polizisten durchkämmen ganze Wohnquartiere und verhaften willkürlich Migranten. Dabei trifft es nicht nur Menschen ohne gültige Papiere, sondern auch die «Feinde» von Donald Trump, die er als Ungeziefer bezeichnete, die es auszurotten gelte.
Das sieht dann so aus: Maskierte Polizisten, die wie Gangster oder Kidnapper aussehen, überfallen eine Frau auf offener Strasse und zerren sie in ein Auto. Obwohl sie eine gültige Arbeitsbewilligung hat, droht ihr die Ausschaffung. Ihr «Verbrechen»: Sie hat an einer Demonstration zugunsten der Palästinenser teilgenommen und sich in den sozialen Medien für sie eingesetzt.
Das alles haben sie gewusst, die frommen Christen der Freikirchen. Trotzdem wählten ihn laut einer Nachwahlumfrage von Edison Research 82 Prozent der weissen evangelikalen Wähler sowie 63 Prozent der Protestanten. Auch 58 Prozent der Katholiken gaben Trump ihre Stimme.
Wie reagieren die Frommen auf die unmenschlichen Razzien? Erinnern sie sich an die christliche Nächstenliebe und Barmherzigkeit? Setzen sie sich für die Verfolgten ein? Bereuen sie, dass sie Trump ihre Stimme gegeben haben?
Weit gefehlt. Es gibt kaum öffentliche Proteste der Christen, die meisten ducken sich weg.
Hier zeigt sich ein klassisches Sektenphänomen. Die meisten freikirchlichen Pastoren waren vor den Wahlen in sich gegangen und hatten Zwiesprache mit Gott gehalten. Dabei empfingen sie das himmlische Signal, dass Gott ein Wunder gewirkt und den Saulus Trump zum Paulus verwandelt habe. Vom Sünder zum Heiligen und Gesandten Gottes.
Und diesen Paulus oder «neuen Messias», der plötzlich Abtreibungen verurteilte, galt es zu unterstützen. Trump nannte die frommen Wähler «meine wunderbaren Christen». Da sie Gottes Wege als unergründlich betrachten, halten sie weiterhin zu Trump. Egal, wie unchristlich die Methoden der Abschiebung von Flüchtlingen ist.
Dabei wäre es für die amerikanischen Christen einfach, eine göttliche Richtschnur zu finden. Sie müssten nur die Bibel konsultieren, die für sie das authentische Wort Gottes enthält.
Die Gläubigen der Freikirchen scheinen vergessen zu haben, dass das Buch der Bücher voll von Geschichten über Verfolgung, Flucht und Migration ist. Opfer waren damals die Israeliten, besonders das auserwählte Volk der Juden, das teilweise wegen des Glaubens verfolgt wurde.
Es musste aus Ägypten fliehen und Asyl suchen. Schon zu urchristlichen Zeiten gab es Gläubige, die aus wirtschaftlicher Not flüchten mussten.
Auch ihr Idol Jesus Christus war ein Flüchtling, sein Leben war geprägt von Verfolgung und Flucht. Um sein Leben zu retten, flüchteten seine Eltern vor Herodes. Sein Leben endete mit dem Tod am Kreuz.
Die frommen Christen blenden gern Dinge aus, die nicht ihrem starren Glaubenskonzept entsprechen. Sie passen ihr Weltbild ihren religiösen Sehnsüchten an. Das sind sektenhafte Mechanismen.
Schöne Worte bei der Sonntagspredigt sind das Eine, christliche Taten etwas ganz anderes.