Bislang konnten Elektro-Sportwagen eine Unmenge an PS vorweisen bzw. schafften es, innerhalb einiger Augenblicke von 0 auf 100 km/h zu beschleunigen. Aber den meisten fehlte es an Seele, an dieser lebendigen Eigenschaft, dieser Fähigkeit, einen dazu zu bringen, mit der Maschine eins zu werden, die Autos mit Verbrennungsmotor immer noch haben und die einen Sportwagen zu einem echten Sportwagen macht.
Das hat sich nun aber geändert. Denn der Hyundai Ioniq 5 N hat die Spielregeln gerade neu verfasst. Koreanische Ingenieure haben sich eine völlig verrückte Maschine einfallen lassen, die in der Lage ist, das Wesen dessen, was zum automobilen Hedonismus beiträgt, sowohl auf der Strasse als auch auf der Rennstrecke nahezu perfekt nachzuahmen.
Es gibt jedoch bestimmte obligatorische Kriterien, die ein Auto zu einem Sportwagen machen. Auch wenn die Basis des Ioniq 5 N der des gleichnamigen Familienautos entspricht, weist er dennoch erhebliche Unterschiede auf: das Auto ist länger (+80 mm), die Spurweite ist höher (+50 mm), das Fahrwerk ist spezifisch, die Fahrhöhe liegt 20 cm tiefer und der Wagen hat eine fixierte Formschale oder ein hinteres mechanisches elektrisch gesteuertes Differenzial – das alles verpackt in Ambition.
Unten hat sich die Batterieleistung von 77 auf 84 kWh erhöht und ermöglicht nun eine Reichweite von bis zu 448 km. Dank seiner 800-V-Architektur wird das Auto mit einer Ladeleistung von bis zu 350 kW fertig, und das Aufladen von 10 auf 80 % dauert nun nur 18 Minuten. Die beiden Motoren spucken zusammen bis zu 650 PS bzw. 770 Nm aus, natürlich auf alle vier Räder verteilt. Die Vorstellung kann beginnen.
Reden wir nun über die Fahrmodi «Normal», «Eco» und «Sport», die den Ioniq 5 N zu einem intelligenten 100 % elektrischen Crossover machen, der allenfalls ein bisschen auffälliger als die anderen ist.
Die Federungskontrolle und Geräuschdämmung sorgen für ein hohes Komfortniveau, der «One-Pedal»-Fahrmodus ermöglicht ein völlig entspanntes Fahren, eingebaut trotz allem in einen umhüllenden Alcantara-Schalensitz. Die Passagiere auf den Rücksitzen geniessen reichlich Platz mit einer schiebbaren und umklappbaren Sitzbanklehne (2/3–1/3). «Und was hat das mit Sport zu tun?», werden Sie fragen. Ich komme gleich dazu.
Die geheime Waffe des Hyundai Ioniq 5 N ist sein mit Knöpfen und Schaltwippen ausgestattetes Lenkrad. Natürlich braucht man dafür eine gewisse Eingewöhnungszeit, um alle Funktionen, Menüs und Untermenüs zu verstehen, aber sobald man das hinter sich gebracht hat, ist es ein Fest der Freude.
Der Sesam ist der Knopf «N», der das wahre Gesicht des Ioniq 5 N offenbart, das aus zahlreichen vorprogrammierten oder konfigurierbaren Funktionen besteht:
Kommen wir nun zum verblüffendsten Teil: das Duo «N Active Sound» und «N e-Shift». Ersterer dient dazu, mithilfe der Lautsprecher den Sound eines 4-Zylinder-Motors (den des i30 N) realistischer wiederzugeben. Natürlich inklusive der «Ratatatata»- und Knallgeräusche, die beim Loslassen des Gaspedals sehr eindrucksvoll wirken.
Der «N e-Shift» simuliert das Vorhandensein eines 8-Gang-Doppelkupplungsgetriebes. Zusammen verleihen sie dem Ioniq 5 N alle Attribute, die normalerweise zu einem Sportwagen mit Verbrennungsmotor gehören. Natürlich kommen dabei Tausende von Zeilen Computercode zum Einsatz, was das Kunststück angesichts der natürlichen Performance, die diese Vorrichtungen liefern, noch verrückter macht.
Das Ergebnis ist einfach verblüffend – sowohl auf der Strasse als auch auf der Rennstrecke. Alle Reaktionen des Fahrzeugs sind denen eines Sportwagens mit Verbrennungsmotor ähnlich. Man vergisst sogar, die Ladestands-/Betriebsdaueranzeige der Batterie, die einen normalerweise so nervös macht, im Auge zu behalten, weil man sich von den Empfindungen so mitreissen lässt. Das Geräusch des Motors im Leerlauf, die automatische Schaltung, die den Geräuschpegel und die Näherung des Drehmoments moduliert, ein leichter Tritt auf das Gaspedal beim Herunterschalten – es ist alles da.
Auf der Rennstrecke kommt im manuellen Modus bei hohen Drehzahlen das Ruckeln des Getriebes beim Gangwechsel dazu, und wenn wir den Unterbrecher bei 7700 fiktiven U/min berühren, ähneln die Zündunterbrechungen und das Stoppen der Beschleunigung in jeglicher Hinsicht denen von Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor. Man fängt sogar an, mit dem Fahrzeug zu spielen, es in die Kurven zu werfen, sich an eine Drift zu wagen, erst mit Verspätung zu bremsen und sehr früh zu beschleunigen – all das gelingt dem Auto äusserst beeindruckend.
Natürlich wären da die Grösse und, last but not least, das Gewicht. Mit 2,2 Tonnen auf der Waage und 4,72 m Länge ist der Hyundai Ioniq 5 N nicht unbedingt klein und handlich.
Dennoch ist es den koreanischen Ingenieuren gelungen, die negativen Auswirkungen seines Übergewichts zumindest auf der Strasse innerhalb der Grenzen der Physik einzudämmen. Ein Rundstreckenausflug endet natürlich mit komplett abgenutzten Reifen. Beim Bremsen hingegen kann man beruhigt sein, denn die Kraft des regenerativen Bremsens ist so stark, dass Scheiben und Beläge auch auf der Rennstrecke nur selten zum Einsatz kommen.
Es ist ganz klar, dass für Fans von Rennstrecken eine englische oder französische Ballerina oder – wenn man ein höheres Budget hat – ein schöner italienischer oder deutscher Sportwagen aufregender sein wird. Aber die Meisterleistung, die Hyundai beim Ioniq 5 N hingelegt hat, ist zu begrüssen und ist definitiv ein Meilenstein.
Ja, man kann auch an Bord eines Elektroautos etwas spüren, und das sogar zu einem angemessenen Preis: CHF 79'000.–. Hyundai will, dass der Wagen weitaus mehr ist als einfach nur Weltmeister beim stehenden Start, wie es in dieser Autokategorie momentan bei sogenannten Sportwagen die Norm zu sein scheint, und wir finden es irgendwie beruhigend. Wir sind sehr gespannt darauf, wie es weitergeht!
Ich finds ein geniales Auto.
Auch wenn ich eigentlich Froh bin, dass ich die ganzen "Features" die hier im Artikel genannt wurden (Lärm, Ruckeln,...) durch den Umstieg auf Elektro nicht mehr habe, überzeugt es vielleicht ja ein paar andere, auch umzusteigen.