Die meiste Zeit verbringen wir bekanntlich am Arbeitsplatz. Folglich lebt man in einer Art Beziehung mit dem Chef oder der Chefin. Und Beziehungen harmonieren nun mal nicht immer. Dazu kommt das hierarchische Gefälle. Für Chef:innen gibt es dazu unzählige Führungskurse und Seminare. Doch wie gehe ich als Untergebene:r mit meinem Chef oder meiner Chefin um?
Ein Thema, das für die Soziologin Dr. Elisa Streuli präsenter sein dürfte. Die Dozentin am Institut für Angewandte Psychologie der ZHAW zitiert eine Studie mit Millenials, wonach diesen die Beziehung zur vorgesetzten Person am Arbeitsplatz etwas vom Wichtigsten ist. «Sie wünschen sich eine wohlwollende und unterstützende Haltung der Vorgesetzten.» Wer nicht?
Und sicher geben sich die allermeisten Chef:innen Mühe, dennoch bleibt die Beziehung zu den Mitarbeitenden ein Minenfeld.
Fünf klassische Situationen oder Szenarien und wie man als Mitarbeitende:r damit am besten umgeht:
Das Wichtigste ist die emotionale Haltung, die man zu solchen Situationen einnimmt. Sich nicht aus der Fassung bringen lassen, ruhig bleiben, lautet das Gebot. Elisa Streuli kennt es aus eigener Erfahrung. «Ich erwartete von meinem Chef bereits vor versammelten Mitarbeitenden den Verriss», erzählt sie. Sie hatte sich aber einen einfachen Satz zurechtgelegt: «Wir schauen das an.» Es ist weder eine Entschuldigung noch eine Trotzreaktion. Der Satz wirkte. «Für mich ist das in der Folge zu einem Zaubersatz für solche Situationen geworden», so Streuli. Wichtig ist zudem, bei Kritik auf die Metaebene zu wechseln, dem Chef zu zeigen: «Mir ist es wichtig, gute Arbeit zu leisten, was kann ich dafür tun?» Die persönliche Ebene («du magst mich nicht») soll dabei vermieden werden, wie auch Unterwürfigkeit: Ruhig bleiben bedeutet nicht, dass man sich alles gefallen lassen muss.
«Kritik soll nicht ein Vorwurf sein, sondern ein Wunsch, etwas zu verbessern», so Streuli. Konkret? Besser ist zum Beispiel: «Ich hatte den Eindruck, dass du über meinen Vorschlag gestern etwas genervt warst», als «du bist immer so gereizt!» Dies lässt auch Spielraum zu, dass man sich getäuscht hat. So werden oft Missverständnisse aufgedeckt. «Die wenigsten Vorgesetzten sind von sich aus ‘böse’, sondern stehen selber unter Druck.»
Auch eine Situation, die Elisa Streuli aus einer Mediation kennt: Eine Mitarbeiterin und ihre Chefin waren miteinander befreundet. «Die Mitarbeiterin zog sich immer mehr zurück, während die Chefin eigentlich mit ihr Mittagessen gehen und Zeit verbringen wollte. Diese war mit der Zeit gekränkt, auch das Arbeitsverhältnis litt.» Da sei es wichtig zu klären, wie man mit den unterschiedlichen Wünschen umgehen möchte. Zum Beispiel definieren, dass man wöchentlich zusammen einen Kaffee trinken geht. «Man kann ein Arbeitsverhältnis haben und freundschaftlich verbunden sein», sagt Streuli, «gleichzeitig muss immer klar sein, dass im Betrieb die Rollen verschieden sind».
Diese Art von Vorgesetzten gibt es leider, das bestätigt auch Streuli. «Sie haben oft ein genaues Gespür dafür, wo sie ihre Untergebenen an der Psyche packen können.» Wird eine Grenze überschritten oder gar die Menschenwürde untergraben, soll man eine Grenze ziehen: «Bis hierhin und nicht weiter.» Geht oder reicht das nicht und die Situation frisst an der Psyche, so gilt es, externe Hilfe zu holen in Form einer Beratung. Falsch wäre, sich auf Biegen und Brechen duchzubeissen im Sinne von «es gibt keine Probleme, nur Herausforderungen», so Streuli. Dauert der Zustand an, bleibt schliesslich nur noch, die Notbremse zu ziehen, sich selbst zu schützen und sich nach einer neuen Stelle umzusehen. Fazit: «Gegen eine solch festgefahrene Situation gibt es kein Mindset.»
Gewisse Menschen können sich im besten Fall gegen einen vergifteten Führungsstil abgrenzen und Sticheleien als dummes Geschwätz abtun. «Da helfen oft Sprichwörter, wie zum Beispiel: ‘Nach dem Regen scheint wieder die Sonne’ – also die Haltung, dass nichts endlos ist, und alles vorbei geht. Dazu passt auch das chinesische Sprichwort: ‘Wenn du lange genug am Fluss sitzt, fliesst irgendwann die Leiche deines Feindes vorbei’.» Passend dazu hilft immer auch eine Prise Humor. Für Ablenkung und positive Energie sorgen zudem ganz einfach Hobbies. «Die Arbeit ist ja nicht alles.»
Diese Empfehlung gibt Elisa Streuli auch allgemein für alle genannten Fälle mit auf den Weg. «Man soll sich, den Chef oder die Chefin sowie auch die Arbeit nicht immer allzu ernst nehmen. Es gibt schliesslich mehr im Leben.» Dennoch arbeiten wir besser, wenn wir auch gerne arbeiten. Denn, wie bereits erwähnt, wir verbringen einen grossen Teil unseres Lebens bei der Arbeit.
Daher finde ich persönlich es sehr wichtig, dass nicht die Zahl auf der Lohnabrechnung das oberste Credo ist, sondern dass es eben auch einigermassen Spass macht, zur Arbeit zu gehen...