Die Extremisten im Netz jubelten. Einen Tag nach der Bluttat von Paris feiern radikale Muslime in den sozialen Medien den Anschlag auf das Satiremagazin «Charlie Hebdo».
Im Gegensatz zu den Radikalen kritisieren allerdings Regierungen, Organisationen und viele Medien die Bluttat eindeutig. Ein «terroristisches Erdbeben» nennt das ägyptische Blatt «Al-Shorouq» den Anschlag auf seiner ersten Seite und druckt dazu im Blatt eine Karikatur von «Charlie Hebdo» , die den IS-Terroranführer Abu Bakr al-Bagdadi zeigt. Auch auf d. en Netz zeigt sie sich solidarisch mit den Karikaturisten Die einflussreiche arabische Tageszeitung «Al-Sharq al-Awsat» spricht auf ihrer Titelseite von einem «Massaker».
Mit Blick auf Unterstützer für radikale Gruppen in der Region hält «Al-Sharq Al-Awsat», ein Blatt in saudischer Hand, den Muslimen sogar den Spiegel vor. Wer Terroristen und ihre Verbrechen verteidige, begehe selbst ein Verbrechen, schreibt ein Kommentator – eine klare Anspielung auf Rechtfertigungen für mörderische Attentate, die in muslimischen Ländern immer wieder zu hören sind.
Auch etliche Regierungen wandten sich gegen die Attentate. «Es gibt keine Rechtfertigung für diese brutale Tat», erklärte Afghanistans Präsident Aschraf Ghani. Das türkische Staatsoberhaupt Recep Tayyip Erdogan rief zum Zusammenhalt auf, um zu «zeigen, dass der Terrorismus in Paris und der Hass und die Diskriminierung, die er gegen unsere Religion und Kultur hervorgerufen hat, nicht toleriert werden».
In Indonesien verurteilte der Rat muslimischer Prediger (MUI) den Anschlag. «Das verstösst gegen humanitäre Werte und die islamische Lehre», sagte MUI-Sprecher Muhyidin Junaidi.
Unter den Kritikern der Bluttat sind auch Länder und Parteien, denen immer wieder ihre ideologische Nähe zum Dschihadismus vorgeworfen wird – dazu gehören Katar und Saudi-Arabien ebenso wie die islamistische Ennahda-Partei aus Tunesien, die sich «entsetzt und empört über diese feige und kriminelle Tat» zeigte.
Auch im Netz formiert sich Widerstand, etwa bei Iyad el-Baghdadi, einem bekannten Aktivisten des arabischen Aufstands. «Das Töten von Unschuldigen im Namen des Islam ist für mich als Muslim viel, viel widerwärtiger als es irgendeine Karikatur jemals sein kann», schreibt er auf Twitter – und wird mehr als 38'000 mal retweetet.
As a Muslim, killing innocent people in the name of Islam is much, much more offensive to me than any cartoon can ever be. #CharlieHebdo
— Iyad El-Baghdadi (@iyad_elbaghdadi) 7. Januar 2015
El-Baghdadi dürfte einer Meinung sein mit dem Karikaturisten Ahmed Giassa aus Kairo, der für mehrere ägyptische Medien zeichnet. «Terroristen sind keine Muslime», sagt der 32-Jährige. «Sie töten und rufen dabei ‹Allahu Akbar› – sie klauen also diesen Ruf uns echten Muslimen. Wir als Karikaturisten müssen dagegen anzeichnen, denn Worte allein können nicht beschreiben, was in Paris passiert ist.»
If you "love Islam" you should be standing up to the extremists and the sectarians and the terrorists too. Not just the Islamophobes.
— Iyad El-Baghdadi (@iyad_elbaghdadi) 8. Januar 2015
Seine nächste Karikatur hat Ahmed Giassa schon im Kopf: Dort konfrontiert ein Terrorist mit Gewehr einen Zeichner mit Stift. Doch die Lobformel «Bismillah» («Im Namen Gottes») steht über dem Zeichner, nicht über dem Terroristen – die Religion will Ahmed Giassa jedenfalls nicht den Extremisten überlassen. (rar/sda/dpa)