In London steht während der nächsten fünf Wochen Craig Steven Wright vor Gericht. Der 53-jährige Informatiker behauptet von sich selbst, der legendäre Satoshi Nakamoto zu sein – der Erfinder von Bitcoin. Die Gruppe «Crypto Open Patent Alliance» (COPA) bezweifelt dies und zerrte den Australier vor Gericht. Denn Wright behauptet nicht nur, er sei Satoshi, er fordert auch Urheberrechtsentschädigungen für «sein» Bitcoin-Whitepaper. Ausserdem verklagt er immer wieder Kritiker, die seinen Status infrage stellen. Der offizielle Richterspruch soll diesen Spuk nun endlich beenden.
Das inoffizielle Urteil wurde in der Bitcoin-Szene schon lange gefällt: Es gibt kaum jemanden, der wirklich glaubt, dass Wright und Satoshi dieselbe Person sind. Und das hat viel mit Wrights Auftritt zu tun.
Während der oder die tatsächlichen Bitcoin-Erfinder unter dem Pseudonym Satoshi für Bescheidenheit, Höflichkeit und Umsichtigkeit bekannt waren, gibt sich Wright rüpelhaft, protzig und verklagt Kritiker, die seinen Status infrage stellen.
Trotzdem leuchtete sein Name nach Recherchen von «Wired» und «Gizmodo» in der Liste der verdächtigen Bitcoin–Erfinder 2015 ganz zuoberst auf. Zu ihrer Einschätzung kamen die Onlineportale aufgrund von Informationen einer anonymen Quelle. Als Journalisten von «Wired» kurz darauf etwas tiefer schürften, stiessen sie jedoch auf Widersprüche, die den Verdacht aufkommen liessen, ihre anonyme Quelle könnte Craig Steven Wright selbst sein. Und dass die Hinweise fingiert waren.
Wright widersprach, stellte sich weiter als Satoshi dar und versprach, schon bald Beweise für seine Identität vorlegen zu können. Er blieb diese bis heute schuldig.
2016 brachte sich Wright erneut als Satoshi Nakamoto ins Spiel. Dies mithilfe einer kryptografischen Signatur, die angeblich nur vom Bitcoin-Gründer stammen kann. Alles nur Humbug, lautete das Verdikt erneut. Dieses fällte kein Geringerer als Dan Kaminsky, der mittlerweile verstorbene inoffizielle Internet-Sicherheitspapst.
Auch dieser erneute Rückschlag hielt Wright nicht davon ab, sich weiter als Satoshi zu präsentieren. Ethereum-Mitgründer Vitalik Buterin drohte er mit einer Klage, als dieser ihn als Betrüger bezeichnete. Tatsächlich vor Gericht zog er dann gegen den britischen Podcaster Peter McCormack. Dabei stellte das Gericht fest, dass Wright bewusst falsche Beweismittel vorgebracht hatte.
Besser machen wollte er es bei seiner Klage gegen den norwegischen X-User «Hodlonaut». Erneut reicht Wright dubiose Beweismittel ein. Zum Beispiel ein File, das laut Entstehungsdatum aus dem Jahr 2008 stammt. Die Wirtschaftsprüfer von KPMG fanden heraus, dass es mit der Software Adobe Acrobat Distiller 15.0 für Windows kreiert wurde – eine Software, die erst Jahre später (2015) auf den Markt kam. Auch die Klage gegen Hodlonaut verlor Wright.
Gar 100 Millionen musste Wright den Nachkommen von Dave Kleiman bezahlen. Diese hatten gegen ihn geklagt, weil sie glaubten, er habe Bitcoins im Wert von über 5 Milliarden Dollar aus dessen Nachlass gestohlen.
Auf seiner Odysee durch die Bitcoin-Szene hat Craig Wright in den letzten Jahren nicht nur seinen Ruf, sondern auch viele Weggefährten verloren. Im Team Wright gastiert eigentlich nur noch der dubiose Glücksspiel-Milliardär Calvin Ayre. Diesem gehört die Online-Publikation CoinGeek, und die Wright-Geschichten besitzen dort eine weit weniger kritische Tonalität. Auf CoinGeek darf sich Wright unwidersprochen als Opfer präsentieren. Beispielsweise als er erklärt, wie ihm und seiner Firma Kryptotokens im Wert von 3,4 Milliarden gestohlen wurden: «Vermutlich mit Hilfe eines Routers, den Eindringlinge bei mir im Haus eingepflanzt haben.»
Dr. Steven Craig Wright wird ab heute erneut versuchen, den Beweis zu erbringen, dass er Satoshi Nakamoto ist. Der Anwalt der klagenden Partei, zu der auch Twitter-Gründer Jack Dorsey gehört, nannte Wrights Behauptung vor dem Gericht gestern eine «dreiste Lüge». Die Chancen, dass das Jahr 2024 sein erstes prominentes Opfer in der Kryptobranche fordert, stehen gut.