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Nach «Succession»: Fünf grosse Serien, die ihre Zeit überdauert haben

Ein familiäres Hauen und Stechen: die Familie Roy in «Succession».
Ein familiäres Hauen und Stechen: die Familie Roy in «Succession».

Nach dem Ende von «Succession»: 5 wirklich grosse Serien, die ihre Zeit überdauert haben

Der Streaming-Hit «Succession» ist vorbei. Vielerorts wird der Intrigenstadel der Familie Roy zu den besten Serien überhaupt gezählt. Doch wird sie bleiben? Und überhaupt: Wie können Serien ihre Gegenwart überdauern?
03.06.2023, 22:1405.06.2023, 07:23
Tobias Sedlmaier / ch media
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Wieder einmal ist etwas zu Ende gegangen. Vergangene Woche lief die finale Folge von «Succession». Noch einmal betrieben die Grossunternehmerkinder der Familie Roy ihr Lieblingsspiel: Sich in den Rücken fallen, gegeneinander intrigieren, Allianzen um das Erbe schneller wechseln als schmutzige Unterwäsche. Ohne zu viel verraten zu wollen: der Schluss der vierten Staffel macht es sich nicht einfach, erlöst niemanden von Schuld und Verantwortung, löst aber auch wenig ganz endgültig auf. Die Figuren bleiben, wer und wie sie sind, der Fluss der Zeit strömt unbeirrt weiter und heilt dabei keinesfalls all ihre Wunden.

Damit zieht die Serie ihr Programm, die menschliche Unberechenbarkeit gnadenlos offenzulegen, bis zum melancholischen Schlussbild durch. Gefühle sind keine Gezeiten, die man berechnen kann. Die emotionalen Schwankungen werden von einer sensationellen Schauspielriege rund um Jeremy Strong («Ken»), Sarah Snook («Shiv») und Roy Kieran («Rome») getragen, deren Gesichter die Kamera fast schon dokumentarisch in Nahaufnahmen einfängt. Streaming als grosses Kino.

Wie oft, wenn eine hochgelobte Serie endet, küren die Medien sie zum neuen Thronfolger, lang lebe «Succession»! Doch was macht eine wirklich grosse, ihre Gegenwart überdauernde Serie überhaupt aus?

Aufmerksamkeitsverlust durch Überfülle

Alleine aus den USA wurden 2022 mehr als 500 Serien auf den Markt geworfen, Neustarts, Fortsetzungen, Remakes, Spin-offs. Die Produktion hat durch den Konkurrenzkampf der grossen wie kleineren Streamingdienste in den letzten Jahren gigantomanische Züge angenommen. Und sie ist globaler geworden: Neuerscheinungen aus Indien, Brasilien oder der Türkei drängen längst auf internationale Verwertung. Serien sind zum Prototyp der Kulturindustrie geworden: Für jeden Geschmack, jedes Alter, jede Zielgruppe ist etwas dabei, vom Gamer («The Last of Us») über die alleinerziehende Mutter («Workin' Moms») bis zum pensionierten Paar («The Kominsky Method»).

Doch diese Überfülle resultiert in komplettem Aufmerksamkeitsverlust: Wer kann über alle die Serien noch die Übersicht behalten? Geschweige denn auch nur einen Bruchteil des Angebots sehen?

Im Dezember schrieb die «New York Times», das goldene Zeitalter des Streamings neige sich dem Ende zu. Ein Grund dafür ist die Ungeduld und die Berechenbarkeit, mit der Serien entworfen werden. Zu oft stecken statt künstlerischem Herzblut passgenaue Algorithmen dahinter. Die Hauptaufmerksamkeit der Streamer gilt den Klickzahlen, passen die nicht auf die Erwartungen, wird sofort der Stecker gezogen.

Besonders Netflix ist berüchtigt für diese Praxis, die solch teuren Eigenproduktionen wie «GLOW», «1899» oder jüngst «Lockwood & Co.» das vorzeitige Aus bescherte. Eine riskante Strategie: Warum sollten die Zuschauer Zeit und (Abo)-Kosten investieren, wenn sie nicht mal sicher sein können, ob sie mit einer abgeschlossenen Geschichte belohnt werden?

Bewährtes bewährt sich nicht immer

Bisweilen setzen die Serienschöpfer auf Bewährtes, versuchen, neue Altersgruppen für ein bekanntes Phänomen zu begeistern oder eine bestehende Serienwelt zu erweitern. Das kann klappen, etwa beim «Breaking Bad»-Ableger «Better Call Saul». Unzähliges anderes versandet in der Wüste des Halbinteressanten wie «And Just Like That», der Nachfolger von «Sex and the City». Und so manch vermeintlichem Selbstläufer geht auf halbem Weg der Atem aus: Weniger als 50 Prozent des weltweiten Publikums ging bei der Amazon-Prestigeproduktion «The Rings of Power» bis zum Finale der ersten Staffel mit.

Ein Irrglaube ist, dass serielle Produktionen aufgewertet werden durch Kinostars, die ohnehin mit dem Streaming lange gefremdelt hatten. Serien produzieren ihre eigenen Stars. So wie Pedro Pascal, der als väterliche Beschützerfigur in «The Mandalorian» und «The Last of Us» zu einem der populärsten Gegenwartsschauspieler aufstieg. Leinwandpräsenz bedeutet nicht automatisch auch Präsenz auf dem Tablet. Renée Zellweger («What/If») oder Sylvester Stallone («Tulsa King») können ein Lied davon singen.

Aktuell reiht sich auch Arnold Schwarzenegger mit «Fubar» in diese Riege ein. Die Netflix-Serie über die Konflikte zwischen einem Agentenvater und seiner Agententochter wäre wohl als launischer Actionfilm wie das Vorbild «True Lies» unterhaltsamer geraten.

Fubar mit Arnold Schwarzenegger
Arnold Schwarzenegger als Luke Brunner in «Fubar».Bild: netflix

Was entfacht die Lagerfeuerstimmung?

Es existiert also kein garantiertes Erfolgsrezept für Serien, die nicht nur kohärent zu Ende erzählt werden, sondern dabei noch ihr Niveau halten können und kulturell über ihre Ausstrahlung hinaus relevant bleiben. Und doch gibt es, ab und an, die Dauerbrenner, die sich von der Eintagsfliege unterscheiden. Die grossen Produktionen in der digitalen Nachfolge der Fortsetzungsromane von Dickens und Dostojewski. Die Serien, die eine gewisse Masse mitreissen und die viel beschworene Lagerfeuerstimmung schaffen, die Serien, über die man morgens im Büro, abends beim Bier und am besten noch Jahre später diskutiert.

Ist «Succession» eine davon? Drei Elemente scheinen dafür zu sprechen. Zum einen muss eine Erfolgsserie die unmittelbare Gegenwart ansprechen und die darin ausgetragenen Konflikte und Phänomene aufgreifen. Dies kann auch im Gewand der Vergangenheit geschehen. Zwei der besten Serien unserer Zeit, «Succession» und «Game of Thrones», nennen ihr hochaktuelles Thema bereits im Titel.

Beide erzählen von Zeitenwenden, Generationenfolgen, Wirtschaftskrisen und unerbittlichen Kämpfen in einer instabilen Welt, in der die alten Träger der Macht allmählich erodieren. Bei ersterem wird sich nur rhetorisch duelliert, zweiteres holt die Streitaxt dazu. Doch die konfrontative und pessimistische politische Grundstimmung könnte kaum aktueller sein.

Zu viel Gegenwärtigkeit alleine hilft jedoch kaum, solange der Kern der Geschichte nicht überzeitlich und allgemein verständlich ist; wie bei allen Klassikern. Die Sprösslinge aus «Succession» mögen einer megareichen Mediendynastie aus den ersten Jahrzehnten des 21. Jahrhundert entsprungen sein. Doch ihre geschwisterlichen Zwistigkeiten, das Buhlen um die väterliche Anerkennung, der Neid aufeinander, dessen manchmal spielerische Auflösung - all das könnte sich ebenso bei Köbi Meier am Küchentisch abspielen.

Es sind Erfahrungen, wie man sie aus jeder Familie kennt; hier werden sie quälend präzise seziert. Die Roys in ihrer Designergarderobe sind so ambivalent wie alle anderen Normalsterblichen auch, ebenso liebens- wie verachtenswert.

Die allerbeste Serie

Zuletzt muss eine wahrhaftige Erfolgsserie über sich selbst hinausweisen, einen Einfluss generieren, der weit über eine Handvoll tagesaktueller Besprechungen in den Feuilletons reicht. Das Internet ist dafür ein ebenso guter Gradmesser wie es das für Hypes ist, kann es doch auch ein Sammelbecken für langfristige Fanbeschäftigung sein.

Man tauscht sich in Foren über Serien aus, spinnt Geschichten weiter, fühlt sich als Teil einer Gemeinschaft, etwa wenn Fanpetitionen zum Erhalt einer Serie gestartet werden. Memes erhalten und steigern die Bekanntheit; besonders «Succession» eignet sich durch die Fokussierung auf die einzelnen Figuren dafür prächtig.

Letztlich gilt für jede Kunst und Unterhaltungsform: Die Zeit ist der einzige Richter. Aber welches ist denn nun die beste Serie aller Zeiten? Meine Wahl ist kaum originell, geradezu schon kanonisch, handelt es sich doch um die Mutter aller anspruchsvollen Serien, vor der sich bis heute etwa jeder dritte Showrunner öffentlich verneigt. Ein bis heute gültiges, komplexes Meisterwerk sämtlicher Tonlagen von gruslig über romantisch bis absurd-komisch: «Twin Peaks».

Fünf Serien, die ihre Zeit überdauert haben:

  • 1. «Twin Peaks»
  • 2. «The Sopranos»
  • 3. «Breaking Bad»
  • 4. «Game of Thrones»
  • 5. «South Park»

1. «Twin Peaks»

https://www.moviepilot.de/serie/twin-peaks/bilder/695885

Twin Peaks
«Twin Peaks»: Die Mutter der anspruchsvollen Serien.Bild: ABC

Das Mystery-Drama von David Lynch und Mark Frost legte Anfang der 1990er-Jahre die Grundlage dafür, dass Serien nicht nur als kurzweiliges Entertainment, sondern allmählich als Kunstform angesehen wurden.

2. «The Sopranos»

the sopranos
«The Sopranos»: Tony Sopranos hat mafiöse Sorgen.Bild: hbo

Ein Mafiaboss auf der Therapiecouch? Tony Soprano war 1999 einer der ersten gebrochenen Antihelden in der Hauptrolle einer Serie, die inzwischen zum modernen Klassiker geworden ist.

3. «Breaking Bad»

Breaking Bad
Breaking Bad: Walther White zieht auch Jess Pinkman in den Abgrund. Fast.Bild: AMC

Die Geschichte des krebskranken Chemielehrers Walter White, der zum Dealerkönig aufsteigt, ist knapp zehn Jahre nach ihrem Ende noch immer ein erschütterndes Musterbeispiel, wie tief ein Mensch fallen kann.

4. «Game of Thrones»

Game of thrones
Bild: HBO

Derzeit das populärste Beispiel für eine Serie, von der wirklich alle zumindest einmal gehört haben. Und mit möglichen diversen Ablegern wird man die Ränkespiele auf Westeros nicht so schnell aus dem kulturellen Gedächtnis bekommen.

5. «South Park»

Animiertes GIFGIF abspielen

Seit 1997 schafft die es die amerikanische Animationsserie, genüsslich politisch inkorrekt wirklich alles der Lächerlichkeit preiszugeben; im Gegensatz zu den «Simpsons» nach wie vor auf hohem Niveau. (aargauerzeitung.ch)

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