Beim Online-Speicherdienst «myCloud» von Swisscom gab es eine gravierende Panne, die bei Privatkunden zu unwiderruflichen Datenverlusten führte. Der «Tages-Anzeiger» hat den Vorfall am Donnerstagabend publik gemacht.
Recherchen von watson zeigen, dass die Probleme schon im Juni 2018 auftraten. In einem dokumentierten Fall versuchten Swisscom-Techniker während Monaten, 20 Gigabyte (GB) an gelöschten Videos und anderen Dateien wiederherzustellen. Nach langem Hin und Her wurde der betroffene Kunde im April 2019 von Swisscom über den Totalverlust informiert. Er erhielt vom Unternehmen als Entschädigung eine Gutschrift von 85 Franken auf die Monatsrechnung.
Laut «Tages-Anzeiger» passierte die Löschung der User-Daten «vor rund zwei Wochen». Das trifft nicht zu und auch die Swisscom selbst macht andere Angaben.
Unternehmens-Sprecher Sepp Huber teilt mit, dass der Vorfall «auf 2018» zurückgehe. Und er schreibt:
Es dauerte offenbar bis zu einem Jahr, bis Betroffene über den unwiderruflichen Datenverlust informiert wurden. Bei watson hat sich ein Swisscom-Kunde gemeldet, der glaubhaft belegen kann, dass er letztes Jahr «einen massiven Datenverlust» von 20 Gigabyte (GB) hinnehmen musste. Er hat Screenshots erstellt und auch die MyCloud-Benutzeroberfläche mit den nicht mehr verfügbaren Dateien gefilmt.
Der junge Mann erzählt:
Nach seiner ersten Anfrage per E-Mail am 20. Juni 2018 wird der Swisscom-Kunde während Monaten vertröstet:
Wie oben erwähnt, wurden offenbar User-Dateien auf den Swisscom-Servern versehentlich in einen falschen Bereich des Online-Speichersystems verschoben.
Swisscom-Sprecher Sepp Huber erklärt:
Gemäss Darstellung des Swisscom-Sprechers handelt es sich um ein Dilemma, das nicht einfach zu lösen ist:
Das folgende Versprechen auf der MyCloud-Website dürfte viele User in falscher Sicherheit wiegen:
Fakt ist: Wenn durch technische Fehler (Skript-Programmierfehler ...) User-Daten unwiderruflich gelöscht werden können, dürfte dies einige Kunden ziemlich verunsichern.
Dazu der Mediensprecher:
Der Swisscom-Sprecher bekräftigt, dass alle betroffenen Kunden persönlich informiert wurden. «Wir zeigen uns je nach Ausmass des Datenverlusts entsprechend kulant, eine pauschale Entschädigung ist nicht vorgesehen.»
Die genaue Zahl der von myCloud-Datenverlusten Betroffenen verrät die Swisscom nicht. Angeblich wurden «einige hundert» Kundinnen und Kunden direkt informiert.
Die allermeisten der betroffenen Nutzer – laut Sepp Huber 98 Prozent – hätten nur «einen sehr geringen Anteil ihrer Daten verloren». Nämlich maximal 5 Prozent der Daten.
MyCloud-User, die sich vergewissern wollen, können den Status ihrer Online-Daten auf mycloud.ch abfragen.
Auf juristischem Weg eine bessere Entschädigung zu erklagen, bezeichnet der Zürcher Internetanwalt Martin Steiger laut «Tages-Anzeiger» als schwierig: «In den Nutzungs- und Teilnahmebedingungen schützt sich die Swisscom gegen jegliche Haftung – wie das bei solchen Internetverträgen oft der Fall ist.» Hier habe sich Swisscom die grossen Internetkonzerne wie Amazon oder Google zum Vorbild genommen.
Der «Tages-Anzeiger» bezeichnet die von Swisscom verschuldete Datenpanne in einem journalistischen Kommentar als Katastrophe. Beklagt wird der Image-Verlust: «Denn die Schweiz galt bisher als sicherer Hort für sensible Daten.»
Das niederschmetternde Tagi-Urteil ist nach Meinung des watson-Redaktors etwas übertrieben und zielt am eigentlichen Problem (Löschproblematik, siehe oben) vorbei.
Halten wir fest: MyCloud ist ein kostenloser Onlinespeicher für Privatkunden. Aktuell sind laut Swisscom-Sprecher 400'000 User registriert. Nicht nur diese Swisscom-Kunden, sondern alle Smartphone- und PC-User dürften durch den mehr als ärgerlichen Vorfall aufgeschreckt worden sein. Wer etwas Positives daraus ziehen will: Unbedingt das eigene System zur Datenspeicherung, respektive Datensicherung, prüfen!
Die Swisscom betreibt ihre Cloud in Rechenzentren auf Schweizer Boden, und ausschliesslich durch eigene Mitarbeitende. Es werden laut Unternehmen keine Daten ausserhalb der Swisscom-Rechenzentren «gehalten». Über die Vorteile, die hiesige Speicher-Dienste bieten, wurde schon viel geschrieben. Ein Stichwort lautet Rechtssicherheit. Und die ist durch die MyCloud-Panne nicht infrage gestellt.
Cloud-Anwendungen für Geschäftskunden bauen grundsätzlich auf einer anderen IT-Architektur auf und sind ausgelegt auf entsprechend höhere Anforderungen an die Verfügbarkeit, wie der Swisscom-Sprecher betont. «Diese Applikationen verfügen über umfassende Backuplösungen.»
Und was sagt der MyCloud-User, der watson seinen Leidensweg geschildert und viel Geduld und Nerven brauchte? Er habe damals das sogenannte «Unlimitierte» Angebot genutzt, das es mit dem Mobilfunk-Abo gab. Heute nutze er das Pro-Abo mit 2 Terabyte Speicher, für 6.90 Fr. pro Monat.
Backup. Backup. Backup.
Das Zauberwort lautet Redundanz. Das heisst, man sollte Sicherheitskopien von wertvollen, unverzichtbaren Daten, bzw. Dateien, an mehreren (und geografisch unterschiedlichen) Orten speichern. Zum einen auf einem lokalen Datenträger, wie zum Beispiel einer schnellen Festplatte (SSD-Speicher) oder einem NAS (Network Attached Storage). Zum andern kann man einen Online-Speicherdienst einrichten.
Sicherheit. Sicherheit. Sicherheit.
Experten raten, sensible Daten nur verschlüsselt auf Cloud-Server hochzuladen, denn man müsse immer davon ausgehen, dass sich Dritte Zugriff verschaffen können.
Um das Datendiebstahl-Risiko zu minimieren, sollte man einen Online-Speicherdienst nutzen, der eine Zwei-Faktor-Authentifizierung (2FA) bietet.
Korrektur: In einer früheren Artikel-Version hiess es fälschlicherweise, Swisscoms MyCloud biete keine Zwei-Faktor-Authentifizierung. Diese Funktion kann man aktivieren.
Was hältst du von Cloud-Speichern im Allgemeinen und MyCloud von Swisscom im Speziellen? Welche Strategie und praktische Lösung verwendest du für die Datensicherung?
85 CHF sind nicht das, was man erwartet für 20GB!
Eine schnelle Aufklärung + eine Entschuldigung + die Behebung des Problems sind das mindeste!
Zeigt aber auch wieder gut, warum ich meine Cloud-Daten separat nochmals speichere. Viele merken es jedoch erst, wenns zu spät ist.
https://steigerlegal.ch/2019/07/12/mycloud-swisscom-haftung/