Der «Guardian» hat am Montag eine Geschichte aus China publiziert, die so gar nicht ins Bild passt, das wir von Huawei und den chinesischen Konsumenten haben.
Bekanntlich läuft es Huawei trotz einschneidender US-Sanktionen gut. Oder zumindest besser, als sich dies Donald Trump und seine Wirtschaftskrieger wünschen. Das Gebaren der imperialistischen Amerikaner hat eine Trotzreaktion ausgelöst, so dass die Chinesinnen und Chinesen statt des neuesten iPhones in Scharen Huawei-Handys kaufen.
Doch nun erhielt der Hurra-Patriotismus einen argen Dämpfer, wie die «Guardian»-Korrespondentin Lily Kuo aus Peking berichtet. Der Vorzeige-Telekommunikations-Konzern stehe zuhause unter Beschuss. Und zwar wegen des fragwürdigen Umgangs mit einem ehemaligen Mitarbeiter.
Der Mann heisst Li Hongyuan, war 13 Jahre für Huawei tätig und sass acht Monate im Gefängnis, nachdem er auf seine Rechte als Arbeitnehmer gepocht und vom Unternehmen eine finanzielle Abfindung gefordert hatte.
Im Januar 2019 sei der Mann wegen angeblicher Erpressung von der Polizei verhaftet und bis August inhaftiert worden, um schliesslich wegen «unklarer strafrechtlicher Tatsachen und unzureichender Beweise» freigelassen zu werden. Dies zeigten online verfügbare Gerichtsdokumente.
Lis Schicksal, bzw. seine skandalöse Geschichte, wurde erst bekannt, als er am 30. November einen offenen Brief an den Präsidenten von Huawei schrieb.
Einen Tag später, am 1. Dezember, veröffentlichte Huawei einen anderen offenen Brief und brachte damit bei den ansonsten wohlgesonnenen Chinesen das Blut in Wallung.
Um die Aufregung zu verstehen, muss man wissen, dass die Tochter des Huawei-Gründers seit einem Jahr in Vancouver unter Hausarrest steht und Kanada nicht verlassen darf.
Meng Wanzhou, die von der Sekretärin zur Finanzchefin des chinesischen Vorzeige-Konzerns aufgestiegen war, wurde vor einem Jahr verhaftet, auf Betreiben der USA.
Huaweis Finanzchefin wird vorgeworfen, über eine inoffizielle Tochterfirma Geschäfte mit dem Iran gemacht und dadurch gegen US-Sanktionen verstossen zu haben. Mengs Anwälte versuchen, ihre Auslieferung an die USA zu verhindern, bei einer Verurteilung droht ihr eine lange Gefängnisstrafe.
Am 1. Dezember, dem Jahrestag ihrer Verhaftung, hat die Huawei-Finanzchefin, die sich in der westlichen Hemisphäre Sabrina Meng nennt, einen offenen Brief veröffentlicht. Darin dankt sie verschiedensten Leuten für ihre Unterstützung und macht auch den Huawei-Mitarbeitern in China Mut.
Mengs offener Brief wurde auf Englisch auf der Huawei-Website veröffentlicht und via Social-Media-Kanäle verbreitet, wo er laut BBC über 60 Millionen Aufrufe erzielte.
Allerdings gab es nicht nur positive Reaktionen: Internet-User werfen Huawei und seiner Finanzchefin laut «Guardian» Heuchelei vor und erinnern an das Schicksal von Li Hongyuan. Dieser «normale» Angestellte sei hinter Gittern gelandet, weil er auf seine Rechte als Arbeitnehmer pochte.
Auf Weibo drückten chinesische User ihre Unterstützung für Li aus. Wegen drohender Zensur und staatlicher Verfolgung allerdings nicht mit geharnischten Worten, sondern in Form eines Zahlencodes: «985, 996, 035, 251, 404».
Ständig appelliere Huawei an den Patriotismus der chinesischen Bevölkerung und prangere die Entführung von Meng an, dann gehe das Unternehmen hin und lasse einen Mitarbeiter, der auf sein Recht poche, ins Gefängnis werfen.
Die Huawei-Managerin muss zwar eine Fussfessel tragen, kann sich ansonsten aber frei in Kanada bewegen und darf auch Familienangehörige empfangen. «So viel Glück hatten zwei kanadische Staatsbürger in China, der Ex-Diplomat Michael Kovrig und der Korea-Experte Michael Spavor, nicht. Sie wurden kurz nach Mengs Verhaftung festgenommen und ins Gefängnis gesteckt», schreibt Business Insider.
Die chinesische Regierung behauptet zwar, die beiden hätten die nationale Sicherheit gefährdet. Experten seien aber zum Schluss gekommen, dass sich China für die Meng-Verhaftung rächen wollte. Fakt sei: Noch heute müssten die beiden im Gefängnis ausharren. Und dies wohl unter schlimmen Bedingungen. Gemäss Berichten kanadischer Medien mussten die beiden zumindest am Anfang in Einzelzellen sitzen, in denen das Licht durchgehend brannte. Und bis heute wurden keine Besuche von Familienangehörigen genehmigt.
Für die beiden Kanadier und ihre Angehörigen müsse das höhnisch klingen, was Meng nun anlässlich des ersten Jahrestags ihrer Verhaftung verlauten lasse, kommentiert Business Insider. Das Leiden und die Not der Huawei-Erbin hielten sich im Vergleich zu ihrem Schicksal in Grenzen. Meng dürfe auch Besuch empfangen und ihre Familie einladen. Wobei dies ihr steinreicher Vater bislang nicht genutzt habe.
Ren Zhengfei bezeichnete seine Tochter in einem Interview mit CNN als kleine Ameise, gefangen zwischen [...] zwei Supermächten. Und: «Sie sollte stolz sein, in dieser Situation [...] zu sein. Im Kampf zwischen zwei Nationen wurde sie eine Trumpfkarte.» Diese Erfahrung sei gut für Meng.
Halten wir fest: Der Wirtschaftskrieg zwischen den USA und China hat bereits immensen Schaden und menschliches Leid angerichtet. Von Kollateralschäden zu sprechen wäre zynisch. Vor allem angesichts der inhaftierten Kanadier.
Der Kampf um die öffentliche Meinung, respektive die Deutungshoheit, geht unvermindert weiter. Das belegen die neusten von Huawei bezahlten Twitter-Postings.
Ebenfalls am Montag verbreitete sich eine andere Nachricht, die den Wirtschaftskrieg der USA gegen China im Allgemeinen und Huawei im Speziellen betrifft: Laut einer aktuellen Untersuchung enthält das im September vorgestellte neue Flaggschiff-Smartphone, das Huawei Mate 30, nicht nur keine Android-Apps von Google, sondern auch keine US-amerikanischen Chips oder andere US-Teile mehr. Die Chinesen haben demnach die US-Abhängigkeit massiv reduziert.
Huawei habe bislang weder die Klage des ehemaligen Mitarbeiters bestätigt noch zu den Vorwürfen Stellung genommen, hält die «Guardian»-Korrespondentin fest.
Original-Quellen:
Huawei hin oder her.