Es war ein grosser Kontrast zum TV-Duell zwischen Donald Trump und Präsident Joe Biden. Kamala Harris, die neue Präsidentschaftskandidatin der Demokraten, lieferte sich eine hitzige Debatte mit dem Ex-Präsidenten, der schon ein halbes Dutzend Präsidentschaftsdebatten hinter sich hat.
Wie haben sich die beiden Kandidaten geschlagen? Womit überraschte Trump und worauf kommt es für Harris jetzt an? HSG-Professor Christoph Frei ordnet ein.
Herr Frei, was ist Ihnen von der Debatte besonders aufgefallen?
Christoph Frei: Die im Vorfeld wichtigste Frage war, wem es in der Debatte gelingen würde, Kamala Harris zu definieren. Donald Trump kennt man. Seine Art, seine Inhalte sind bekannt. Aber wer ist Kamala Harris? Wird sie in der Debatte durch Trump definiert, oder gelingt es Harris, sich selber zu positionieren?
Und was ist Ihr Fazit?
In diesen 90 Minuten ist es Kamala Harris über Erwarten gut gelungen, sich selbst zu positionieren. Die umgekehrte Formulierung trifft es vielleicht noch besser: Sie hat verhindern können, von Trump formatiert, geprägt zu werden. Zum Teil über sorgfältig vorbereitete Ablenkungen. Mehrfach hat Harris angegriffen, um sich nicht verteidigen zu müssen.
Zum Beispiel?
Die wohl grösste Angriffsfläche bei Harris ist die Frage der Immigration. Präsident Biden hatte sie beauftragt, in Lateinamerika die Auswanderung in die USA an den Wurzeln zu bekämpfen. Was natürlich nicht so einfach ist, vor allem nicht in kurzer Frist. Aber eben: Harris antwortete bei diesem Thema nicht auf die Frage, sondern warf unvermittelt ein, bei den Wahlkampfveranstaltungen von Donald Trump habe es erstaunlich wenig Leute. Trump, bekanntermassen sensibel in Bezug auf die Grösse seiner Events, tappte in die Falle, verlor die Contenance und erging sich in Tiraden aller Art - gekrönt von der Feststellung, kriminelle Einwanderer verspeisten die Haustiere patriotischer Amerikaner.
Donald Trump sagte nach dem TV-Duell, es sei seine beste Debatte gewesen. Wo konnte er punkten?
Ich würde unterscheiden zwischen Donald Trump als Sprecher und als Zuhörer. Sprechend hat er das gemacht, was er immer macht. Als Zuhörer war er in meiner Wahrnehmung mindestens ebenbürtig, auch in der Körpersprache. Er blieb weitgehend ruhig und diszipliniert, bisweilen lächelte er sogar. So kennt man ihn nicht. Einmal konnte er gar zu Harris sagen: «Jetzt rede ich», weil sie ihn unterbrochen hatte. Als Zuhörer ist er also anders aufgetreten, als man es sich von ihm gewohnt ist.
Und ja doch, es gibt ja durchaus Themen, in denen sich Trump argumentativ nicht verstecken muss. Ein Beispiel gibt die Wirtschaftspolitik. Harris skizziert ein Amerika, in dem alle ebenbürtig sind und Chancen bekommen. Über Zuschüsse und Subventionen hinaus bleibt der Weg dorthin indessen reichlich unbestimmt. Hier hätte Trump mehr punkten können. Und seinen vielleicht wichtigsten Trumpf spielt er erst ganz zum Schluss. Bei allen Versprechen, die Harris macht, lässt sich ja doch einwenden: Warum hat sie in den letzten dreieinhalb Jahren nichts in die Richtung gemacht? Das ist eine gute Frage. Sie kam nur einmal und zu spät.
Wer hat in Ihren Augen die Debatte gewonnen?
Das hängt vom Kriterium der Beurteilung ab. Wenn man die Frage nimmt, wer Kamala Harris überzeugender zu definieren vermochte, dann hat wohl Harris gewonnen. Trumps Anwerfungen waren insgesamt zu polemisch, zu pauschal. «Unter dieser Präsidentin wird Amerika sein wie Venezuela unter Drogen» - na ja. Harris wich zwar häufig aus, blieb indessen diszipliniert, leidenschaftlich aber kalkuliert. Mehrere Kommentatoren selbst aus dem republikanischen Lager meinten hinterher, Harris habe die Debatte gewonnen.
Was bedeutet das nun für den Rest des Wahlkampfes?Bisherige Umfragen deuten auf ein enges Rennen hin. Die Erfahrungen grad der letzten Jahre zeigen, dass die Demokraten deutlich mehr Stimmen holen müssen, damit sie die Mehrzahl auch der Elektoren gewinnen - wir erinnern uns an Trump gegen Hillary Clinton. Will Harris gewinnen, müsste sie in den nächsten Umfragen deutlich vorne liegen.
Wenn sie die Nadel in den kommenden Tagen nicht zu ihren Gunsten ausschlägt, wenn die Kandidaten gleichauf bleiben, dann wird es eng für die Demokraten. Die Implikation wäre: «Was Kamala Harris sagt, kommt bei den Menschen nicht wirklich an.» Manche ihrer Aussagen, etwa zur Wirtschaftspolitik, wirkten reichlich abstrakt.
Entscheidend werden die sogenannten «Swingstates» wie Pennsylvania und Michigan, die mal für die Demokraten mal für die Republikaner stimmen. Worauf kommt es hier besonders an?
Einerseits kommt es auf Ressourcen an. Wer hat das Geld, um die Werbetrommel in den entscheidenden Staaten noch einmal richtig zu rühren? Am Ende geht es aber darum, wer die Leute dort besser mobilisieren kann. Diesbezüglich sind Prognosen enorm schwierig. Und der folgende Satz mag abgedroschen tönen, scheint mir aber immer noch richtig: Weil Harris eine Frau ist, muss sie noch besser sein, um zu gewinnen.
Taylor Swift gilt als eine der Personen, die viele Menschen zum Wählen bringen könnte. Sie hat sich vor wenigen Stunden für Kamala Harris ausgesprochen. Könnte sie bei dieser knappen Ausgangslage einen Einfluss haben?
Sie hat etwa so viel Einfluss wie Elon Musk auf der anderen Seite, wobei Musk deutlich mehr Ressourcen hat, um Donald Trump zu unterstützen, als Taylor Swift bei den Demokraten. Aber auch hier: wie viele Stimmen solche Parteinahmen den Kandidaten tatsächlich einbringen, werden wir nie erfahren. Grad wir Akademiker in unseren gut geschützten Biotopen sollten mit Prognosen eh bescheiden bleiben. Wer das Rennen machen wird, wissen wir erst hinterher.
(aargauerzeitung.ch)
Bezüglich der Migration hätte man durchaus erwähnen können, dass die Republikaner das Geld, um gegen dieses Problem anzukommen, monatelang blockiert haben.
Und die letzte Frage von Trump war nur eine letzte, versuchte Provokation. Trump war vier Jahre lang Präsident und hat selbst nicht viel erreicht. Das zum einen und zum anderen ist Harris nicht amtierende Präsidentin sondern Vizepräsidentin.