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Kurz und Sobotka im Visier: Das Neuste zur Korruptionsaffäre in Österreich

Das Neuste zu Österreichs Korruptionsaffäre in 5 Punkten

Ein ehemaliger Vertrauter von Sebastian Kurz belastet nicht nur den Ex-Kanzler, sondern auch Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka. Beide weisen die Vorwürfe zurück – doch die Opposition fordert Konsequenzen.
19.10.2022, 16:4920.10.2022, 11:29
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Was ist passiert?

Österreichs ehemaliger Kanzler Sebastian Kurz und die konservative Regierungspartei ÖVP sind nach umfangreichen belastenden Aussagen eines Insiders mit immer konkreteren Korruptionsvorwürfen konfrontiert.

epa09616421 Austrian ex-chancellor Sebastian Kurz speaks during a press conference at the Political Academy of the Austrian People's Party (OeVP) in Vienna, Austria, 02 December 2021. Kurz announ ...
Österreichs Ex-Kanzler Sebastian Kurz.Bild: keystone

Am Dienstag wurde ein rund 450-seitiges Protokoll der Korruptionsstaatsanwaltschaft publik, welches Kurz noch stärker unter Druck setzt. In diesem Dokument wird der Ex-Kanzler als Auftraggeber steuerfinanzierter und manipulierter Meinungsumfragen bezeichnet. Geäussert wurden diese Anschuldigungen von Thomas Schmid. Dieser war einst Vorstand der staatlichen Beteiligungsagentur ÖBAG und Generalsekretär im Finanzministerium. Zudem galt er als enger Vertrauter von Ex-Kanzler Kurz.

Wie sehen die Vorwürfe konkret aus?

Laut Schmid war Kurz massgeblich daran beteiligt, dass das Finanzministerium Anzeigen in einer Zeitung schaltete, die im Gegenzug manipulierte Umfragen veröffentlichte. Kurz habe nicht nur von den gefälschten Umfragen gewusst, sondern sie sogar in Auftrag gegeben, so die Vorwürfe Schmids.

Von dem Ministerium seien teils auch Umfragen verdeckt bezahlt worden. Damit soll sich Kurz noch in seiner Zeit als Aussenminister 2017 den Weg an die Parteispitze und ins Kanzleramt geebnet haben. Schmid, der früher im Finanzministerium arbeitete und die Staatsholding ÖBAG managte, belastete auch andere ÖVP-Politiker und einen Unternehmer, unter anderem wegen angeblicher Interventionen in Steuerangelegenheiten.

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Thomas Schmid, einst ein enger Vertrauter von Kurz.Bild: imago images/photonews.at

Was sagt Kurz zu den Vorwürfen?

Kurz wehrte sich am Mittwoch auf Facebook gegen die Vorwürfe. Schmid habe gegenüber der Staatsanwaltschaft zugegeben, mehrfach gelogen zu haben. «Am Ende wird sich herausstellen, dass das auch in diesem Fall zutrifft», so Kurz.

Dennoch rechnet er offenbar mit einer Anklage: Er freue sich darauf, die Anschuldigungen vor Gericht zu entkräften, schrieb der Ex-Kanzler, der heute als Unternehmer und als strategischer Berater für den milliardenschweren US-Investor und Donald-Trump-Unterstützer Peter Thiel arbeitet.

Noch vorige Woche hatte sich der 36-jährige ehemalige Politik-Star Kurz in positiverem PR-Licht gesonnt, als er anlässlich der Veröffentlichung eines Buches über seine bisherige Karriere zahlreiche Interviews absolvierte. Die Korruptionsermittlungen, die voriges Jahr zu seinem Rücktritt geführt hatten, kamen in dem Buch nicht vor und wurden von Kurz etwa im Gespräch mit dem Sender ORF so beiseite gewischt: «Ich kann Ihnen nur sagen, dass all diese Vorwürfe inzwischen für mich mittlerweile keine allzu grosse Relevanz mehr haben.» Wenige Tage später ist die Affäre um fragwürdige Umfragen und Inserate wieder das zentrale Thema der österreichischen Politik.

Wer wird sonst noch belastet?

In seinen Aussagen erhebt Schmid auch Vorwürfe gegen einen Mann, der noch immer eine wichtige Position in der österreichischen Regierung hat: Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka, auch er Mitglied der ÖVP. Ihm wird vorgeworfen, sich engagiert zu haben, damit keine Steuerprüfungen bei den ÖVP-nahen Stiftungen Alois-Mock und Erwin-Pröll geführt werden. Dies sei dann tatsächlich «im Sinne von Mag. Sobotka erledigt worden», so Schmid.

President of the National Council of Austria Wolfgang Sobotka is recognized by the Speaker of the House of Commons following Question Period, in Ottawa, Ontario, Monday, Sept. 26, 2022. (Adrian Wyld/T ...
Auch Wolfgang Sobotka steht derzeit stark unter Druck.Bild: keystone

Sobotka weist diese Vorwürfe zurück. Gegenüber der Nachrichtenagentur APA sagte er, Schmid wolle ihn anschwärzen. Die Vorwürfe seien «vollkommen haltlos», wehrt sich Sobotka. Gleichzeitig erhebt er selbst Vorwürfe gegen den ehemaligen Kurz-Vertrauten. «Wenn jemand anscheinend seit Monaten krampfhaft versucht, den Kronzeugenstatus zu erlangen, dann ist ihm jedes Mittel recht, um mildernde Umstände bei der Strafbemessung zu erreichen», so Sobotka. Mit dem Anschwärzen politischer Entscheidungsträger sei ihm «die maximale mediale Aufmerksamkeit garantiert».

Welche Folgen haben die Vorwürfe?

Schmids Aussagen schlagen in der Politik Österreichs hohe Wellen. Der amtierende Regierungschef Karl Nehammer, auch er Mitglied der ÖVP, äusserte sich am Mittwoch in einem knappen Statement, in welchem er «volle Aufklärung, die von den Ermittlungsbehörden zu leisten ist», forderte.

Brisant sind die Vorwürfe gegen Kurz und Sobotka auch, weil ihre Partei ÖVP derzeit in einer Koalition gemeinsam mit den Grünen das Land regiert. Laut der Parlamentarierin Nina Tomaselli, die die Grünen in dem Ausschuss vertritt, haben sich bereits bekannte Vorwürfe durch Schmids Informationen nun «zu ganz harten Beweisen» verdichtet. Die Koalition sei deshalb «selbstverständlich» belastet, räumte sie ein.

Ein Ende der Koalition stellten jedoch weder sie noch andere prominente Grünen-Politiker in den Raum. Nun sei die Justiz am Zug, hiess es. Allerdings sprach sich Vizekanzler und Grünen-Chef Werner Kogler angesichts der Schmid-Protokolle für eine Verlängerung des U-Ausschusses aus.

20220929 31. Sitzung des parlamentarischen OEVP-Untersuchungsausschusses WIEN, OESTERREICH - 29. SEPTEMBER: Fraktionsfuehrerin der Gruenen im OEVP-U-Ausschuss Nina Tomaselli bei der 31. Sitzung des pa ...
Grünen-Parlamentarierin Nina Tomaselli.Bild: www.imago-images.de

Die Opposition um die SPÖ berief am Mittwoch hingegen kurzfristig eine Pressekonferenz ein und forderte in dieser den sofortigen Rücktritt Sobotkas. Dieser sei nun «untragbar im zweithöchsten Amt der Republik», so SPÖ-Vizeklubchef Jörg Leichtfried. FPÖ-Chef Herbert Kickl kritisierte derweil, Sobotka sei «durch all diese Vorwürfe schon längst selbst zur grössten Belastung für die Würde des Hohen Hauses geworden». Wie Leichtfried forderte auch er deshalb einen Rücktritt des Nationalratspräsidenten.

(dab, mit Material von Keystone-SDA)

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13 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
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ujay
19.10.2022 17:26registriert Mai 2016
Glaubt wirklich irgend jemand, Kurz sei aus familiären Gründen damals Knall auf Fall von allen Aemtern zurückgetreten!?😉
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Restef
19.10.2022 19:51registriert Februar 2017
Und jetzt kann er nicht einmal mehr zurücktreten…
262
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