Am vergangenen Freitag hat die Rennleitung der Grand Old Party (GOP), das Republican National Committee (RNC), die beiden Abgeordneten Liz Cheney und Adam Kinzinger abgemahnt. Die beiden haben nicht nur für ein Impeachment von Donald Trump gestimmt, sie sitzen auch im Ausschuss zur Abklärung der Ereignisse vom 6. Januar.
Die Abmahnung an sich ist schon ein Skandal. Doch damit nicht genug. In der Begründung des RNC wurde festgehalten, dass es sich beim Mob, der das Kapitol gestürmt hatte, um «gewöhnliche Bürger» gehandelt habe, «die ihre legitimen politischen Rechte» wahrgenommen hätten.
Für die Wahlstrategen der Demokraten ist das, wie wenn Weihnachten und Ostern auf den gleichen Tag fallen. Vor ihrem geistigen Auge sehen sie bereits die Spots, in denen man sieht, wie genau diese «gewöhnlichen Bürger» ihre «legitimen politischen Rechte» ausüben: Sie prügeln mit der amerikanischen Flagge auf Polizisten ein, quetschen deren Köpfe in Türen, beschmieren die Wände des Kapitols mit Fäkalien und johlen: «Hängt Mike Pence!».
Das RNC folgte mit seinem missglückten Communiqué einmal mehr sklavisch den Vorgaben von Donald Trump. Dieser hatte zuvor an einem Rally in Texas ebenfalls erklärt, die Kapitolstürmer seien keinesfalls Chaoten, sondern Patrioten – und er werde sie übrigens allesamt begnadigen, sollte er 2024 wiedergewählt werden.
Das war selbst für eingefleischte Trump-Versteher eine Brücke zu weit. Lindsey Graham, republikanischer Senator aus South Carolina und notorischer Wendehals, machte einmal mehr eine Kehrtwende und verurteilte Trumps Begnadigungsabsichten. Asa Hutchinson, republikanischer Gouverneur aus Arkansas, tat es ihm gleich, genauso wie Larry Hogan, Gouverneur von Maryland, und Chris Christie, der ehemalige Gouverneur von New Jersey, ein langjähriger Vertrauter von Trump.
Die Tinte auf dem RNC-Communiqué war noch nicht trocken, da setzte Mike Pence noch einen drauf. An einer Veranstaltung der erzkonservativen Federal Society widersprach der ehemalige Vizepräsident seinem ehemaligen Boss und erklärte, er habe niemals die Option gehabt, am 6. Januar die Zertifizierung der Elektorenstimmen zu verhindern.
Genau dies hatte Trump jedoch am besagten Rally einmal mehr tatsachenwidrig behauptet. Pence hätte es in der Hand gehabt, seine Wahlniederlage zu verhindern, erklärte er. Pence hat kaltes Wasser über diese Aussage geschüttet. «Präsident Trump irrt sich» erklärte er. «Ich hatte kein Recht, das Wahlresultat auf den Kopf zu stellen.»
Trumps jüngste Eskapaden lassen das Establishment der GOP verzweifeln. Sie fürchten, dass der Ex-Präsident in seinem Rachefeldzug und seiner Big Lie die rosigen Aussichten auf einen Sieg der Republikaner bei den Zwischenwahlen im kommenden November aufs Spiel setzt. So klagt etwa das «Wall Street Journal» – das inoffizielle Sprachrohr des GOP-Establishments – in einem redaktionellen Kommentar:
Das GOP-Establishment hätte gerne, wenn Politiker wie Glenn Youngkin das Image der Partei prägen würden. Dieser hat im vergangenen November die Wahl zum Gouverneur von Virginia gewonnen und den Demokraten eine empfindliche Niederlage beigefügt. Youngkin entspricht dem, was heute als gemässigter Republikaner durchgeht. In der Sache ist er konservativ, im Ton gemässigt.
Das GOP-Establishment möchte auch, dass die Wahlniederlage endlich abgehakt und sich die Partei auf Themen wie die Inflation und die Situation an der Grenze zu Mexiko konzentriert. Trump hingegen wird immer vulgärer und setzt immer offener auf die Karte Rassismus. So beklagt er sich neuerdings über die «radikalen, bösartigen und rassistischen Strafverfolger», die ihm das Leben schwer machen. Er spielt dabei auf die Verfahren an, die in Georgia und New York gegen ihn im Gang sind. Alle darin verwickelten Staatsanwälte sind schwarz.
Auch das Versprechen von Joe Biden, eine schwarze Frau in den Supreme Court zu wählen, wird nun vom Trump-Lager als Beweis für einen angeblichen Rassismus gegen Weisse uminterpretiert. Damit macht Trump zwar seine Basis happy, doch er verprellt gleichzeitig die Frauen in den Vorstädten, auf deren Stimmen die Republikaner auf Gedeih und Verderb angewiesen sind.
Der Ausschuss zur Abklärung der Ereignisse vom 6. Januar fördert derweil immer neue Details eines geplanten Staatsstreichs zutage. Trump hat nicht nur seinen Vize genötigt, die Elektorenstimmen der Swingstates zurückzuweisen. Er hat auch zuerst das Pentagon, dann das Justizministerium und zuletzt das Departement of Homeland Security aufgefordert, die Wahlmaschinen zu konfiszieren. Alle haben dies abgelehnt.
Ebenso ist bekannt geworden, dass der Ex-Präsident sogar den Nachrichtendienst NSA einspannen wollte, um einen nicht vorhandenen Wahlbetrug nachzuweisen. Sein Anwalt Rudy Giuliani hat derweil dafür gesorgt, dass in den sieben Swingstates alternative Elektoren eine Bestätigung unterschrieben und an den zuständigen Stellen eingereicht haben, in welchen die Stimmen Trump zugeschrieben wurden.
Voraussichtlich im kommenden April oder Mai wird der Ausschuss öffentliche Hearings durchführen. Für ein Spektakel hat er inzwischen reichlich Stoff.
Die Demokraten hingegen scheinen das Tal der Tränen durchschritten zu haben. Jüngste Daten zeigen, dass die Wirtschaft sich weit besser erholt hat als bisher vermutet. Ebenso ebbt die Omikron-Welle ab. Anders als beim Rückzug der Truppen aus Afghanistan managt die Biden-Regierung die Krise in der Ukraine kompetent.
Trumps Eskapaden haben zur Folge, dass sogar eine Mini-Reform der Wahlgesetze durch den Senat geschleust werden kann. Dabei soll nicht nur ein für allemal geklärt werden, welche Kompetenzen der Vizepräsident bei der Zertifizierung der Elektorenstimmen hat. Ebenso wird definiert, welche Rechte die Bundesstaaten haben, wenn Wahlresultate angezweifelt werden. Nicht nur der notorisch widerborstige Senator Joe Manchin hat sich bereits öffentlich hinter diese Reform gestellt, auch verschieden Republikaner haben dies getan.
Die Tage von Donald Trump sind indes noch längst nicht gezählt. Er sitzt auf einer Kriegskasse von über 140 Millionen Dollar, die er in den Vorwahlen einsetzen kann, sollte er tatsächlich eine Wiederwahl anstreben. Doch die Zeit läuft ihm langsam davon. So erklärt Dan Eberhart, ein prominenter Mäzen und Trump-Anhänger, in der «Financial Times»: «Die Eiswürfel schmelzen. Es gibt nach wie vor ein Verlangen nach Trump und Trumpismus – aber die Relevanz hat abgenommen.»