Jeder Fussballreporter, der etwas auf sich hält, verwendet heute bei jeder passenden und unpassenden Gelegenheit den Begriff «Körpersprache». Gelten für die Politik die gleichen Kriterien wie für den Sport, dann hat das Trump-Lager allen Grund, sich Sorgen zu machen. Die Körpersprache der Mitglieder des Ausschusses zur Abklärung der Ereignisse am 6. Januar gleicht seit Wochen der einer Katze, die soeben eine Maus verspeist hat. Offenbar haben sie schon viele, für Trump vernichtende Fakten, zusammen getragen.
Das Selbstvertrauen des Vorsitzenden Bennie Thompson, seiner Stellvertreterin Liz Cheney sowie von Adam Schiff & Co. dürfte seit gestern nochmals einen Zacken zugelegt haben, denn der Supreme Court hat Donald Trump zusätzlich eine schallende Ohrfeige verpasst. Acht der neun Mitglieder dieses Gremiums haben entschieden, dass das Archiv des Weissen Hauses rund 700 Dokumente um die Ereignisse vom 6. Januar an den Ausschuss herausrücken darf. Die ersten davon wurden bereits ausgeliefert.
Bei den Demokraten löst dieses Urteil Champagner-Stimmung aus. Bennie Thompson spricht von einem «Sieg des Rechtsstaates und der amerikanischen Demokratie» und fügt hinzu: «Unsere Arbeit wird weiter gehen, und wir werden nun alle Fakten aufdecken, welche zu den Gewalttaten am 6. Januar geführt haben.»
Tatsächlich ist es gut möglich, dass dem Urteil des Supreme Courts dereinst das Prädikat «historisch» verliehen wird, ähnlich wie dies bei Watergate der Fall war. Damals wurde Richard Nixon gezwungen, die Tonbänder herauszurücken, die bewiesen, dass er über den Einbruch ins Büro der Demokraten wusste, und dass er auch die Vertuschung dieses Vorfalls aktiv förderte. Kurz nach Herausgabe der Tonbänder musste Nixon zurücktreten.
Donald Trump befindet sich zwar bereits in seinem Exil in Florida. Trotzdem könnte das Urteil des Supreme Courts auch für ihn verheerende Konsequenzen haben. Nun wird der Ausschuss über einen sogenannten «paper trail», eine Papierspur verfügen. Das bedeutet, dass bei den noch im Frühjahr erwarteten öffentlichen Hearings die Aussagen der zahlreichen Zeugen durch das Einblenden von Tweets, Videos und Ausschnitten aus anderen Dokumenten untermauert und damit um ein Vielfaches glaubwürdiger gemacht werden können.
Unter den nun freigegebenen Dokumenten befinden sich Dinge wie: Was für Stichworte hat der Ex-Präsident seiner Pressesprecherin Kayleigh McEnanay vorgeschrieben? Oder: Was wollte er in seiner ersten, später verworfenen TV-Ansprache an die Kapitol-Stürmer sagen? Und schliesslich: Was hat er in den 187 Minuten getan, die es dauerte, bis er sich endlich zu dieser Ansprache durchringen konnte?
Zusätzlich erhält der Ausschuss nun auch Kenntnis darüber, wer im fraglichen Zeitraum wen angerufen hat, wer Zutritt zum Oval Office hatte und wer an welchem Meeting teilgenommen hat.
Kein Wunder, wollte Trump mit Berufung auf ein «executive privilege» die Herausgabe dieser Dokumente verhindern. Seine Eingaben standen jedoch schon zu Beginn weg auf wackligen Füssen. Das präsidiale Privileg, das die Veröffentlichung von Ereignissen im Weissen Haus schützt, steht nur dem amtierenden Präsidenten zu; und Joe Biden machte unmissverständlich klar, dass er dieses Privileg nicht in Anspruch nehmen will.
Doch selbst im Amt wäre Trump abgeblitzt. In der Begründung ihres Urteils haben die obersten Richter nämlich festgehalten, dass im vorliegenden Fall das öffentliche Interesse überwiege.
Für einmal haben die beteiligten Richter das Vorurteil widerlegt, wonach die Mühlen der Justiz langsam mahlen. In bloss drei Monaten hat Trump gleich drei juristische Klatschen erhalten. Er hat seine Klage im Oktober in erster Instanz eingereicht, in der Hoffnung, das Verfahren bis zu den Zwischenwahlen hinauszögern zu können. Dann, so das Kalkül, würden die Republikaner die Mehrheit im Abgeordnetenhaus zurückgewinnen und dem Ausschuss-Spuk ein Ende bereiten. Der Plan ist nicht aufgegangen. Alle drei am Verfahren beteiligen Instanzen haben nicht nur eindeutig, sondern auch rasch gehandelt.
Das Urteil ist nicht nur für Trump, sondern auch für seine Handlanger ein Schlag ins Gesicht. Sein ehemaliger Chefstratege Steve Bannon, sein ehemaliger Stabschef Mark Meadows und weitere Mitglieder des inneren Zirkels haben sich mit Berufung auf das präsidiale Privileg geweigert, als Zeugen vor dem Ausschuss aufzutreten.
Gegen Bannon hat das Justizministerium deswegen bereits Klage erhoben. Die anderen werden sich nun genau überlegen müssen, ob sie ihre Weigerung aufrechterhalten, oder ob sie eine Gefängnisstrafe riskieren wollen. Ein Aufenthalt im Knast ist unangenehm, selbst wenn er nur ein Jahr dauern sollte.
Auf dem juristischen Parkett hat das Trump-Lager derzeit wenig Fortüne. Parallel zum Urteil des Obersten Gerichtshof hat der Ausschuss zwei weitere Vorladungen verschickt, und zwar an Nicholas Fuentes und Patrick Casey.
Fuentes ist ein hart gesottener rechtsextremer White Supremacist, der unter anderem an der von Faschisten organisierten Demonstration in Charlottesville teilgenommen und mitgeholfen hat, den Sturm auf das Kapitol zu organisieren. Casey soll eine sechsstellige Summe in Bitcoins erhalten haben, die dazu diente, diesen Sturm zu finanzieren.
Schliesslich muss sich Trump auch noch mit Letitia James herumschlagen. Die Justizministerin des Bundesstaates New York hat soeben eine detaillierte Begründung eingereicht, weshalb sie Donald Trump und seine Kinder als Zeugen einvernehmen will. In dieser Begründung listet sie detailliert auf, wie die Trump Organization versucht hat, Finanzinstitute und die Steuerbehörden mit weit überrissenen Angaben hinters Licht zu führen.
Das bekannteste Beispiel dabei: Trump hat seine Wohnung im Trump Tower in New York nicht nur dreimal grösser gemacht, als sie tatsächlich ist. Er hat ihren Preis auch um mehr als 200 Millionen Dollar über dem effektiven Wert veranschlagt.
Es eilt. Die USA und die alle Demokratien weltweit warten stündlich darauf, dass die Gerechtigkeit und das Recht seinen Lauf nimmt.
(Man darf ja mal träumen...😊)