«Wir werden dich finden, Bro, und mit dir abrechnen, zuerst juristisch und danach auf andere Weise», tobt Steve Bannon auf seinem Blog. Gerichtet sind die Drohungen des ehemaligen Chefstrategen von Donald Trump gegen William Barr. Auch der Ex-Präsident schiesst aus vollen Rohren gegen seinen ehemaligen Justizminister. Via seine Sprecherin Liz Harrington lässt er ausrichten, Barr sei ein «feiger Rino» (ein Republikaner nur dem Namen nach) und ein «Betrüger im Dienste der marxistischen Demokraten».
Dass sich die Hasstiraden von Trump und den Seinen ausgerechnet gegen Barr richten, erstaunt auf den ersten Blick. Kaum einer hat eine längere Schleimspur im Weissen Haus hinterlassen als der ehemalige Justizminister. Barr hat den Mueller-Report bis zur Unkenntlichkeit verfälscht und damit entschärft. Er hat Michael Flynn, den ehemaligen Sicherheitsberater, entlastet und dafür gesorgt, dass Trumps Kumpel Roger Stone von den Richtern mit Samthandschuhen angefasst wurde.
Im Vorfeld der Wahlen 2020 hat er im Sinne von Trump vor angeblichen Wahlfälschungen gewarnt. Selbst in seinem Rücktrittsschreiben hat er den Ex-Präsidenten über den Klee hinaus gelobt. Beim zweiten Hearing des Ausschusses zur Abklärung der Ereignisse rund um den 6. Januar 2021 hat sich das Blatt gewendet. Die Ausschnitte aus den Aussagen Barrs, die gezeigt wurden, haben es in sich.
Barr widersprach Trump Punkt für Punkt. Nein, es habe keinen Wahlbetrug gegeben, so der Ex-Justizminister. Das sei alles Bullshit, habe er Trump mehrmals erklärt, doch dieser habe das nicht zur Kenntnis nehmen wollen und immer neue, noch abstrusere Verschwörungstheorien vorgebracht. «Das hat mich irgendwie demoralisiert», so Barr.
Man kann in diesen Aussagen den Versuch Barrs sehen, einen letzten Rest an Selbstachtung zu verteidigen. Doch da ist nicht mehr viel vorhanden. Man kann die Wutausbrüche von Trump und den Seinen als Folge persönlicher Verletztheit über das illoyale Verhalten eines ehemaligen Verbündeten betrachten. Es geht jedoch um viel mehr.
Was in den ersten beiden Hearings bekannt wurde, reicht bereits aus, um ein Strafverfahren gegen Trump einzuleiten. Liz Cheney, die Vize-Präsidentin des Ausschusses, hat schon mehrfach darauf hingewiesen, gegen welche Paragrafen Trump verstossen hat. Ebenso hat ein Bundesrichter in einem Verfahren gegen John Eastman erklärt, Trump habe wahrscheinlich kriminell gehandelt. Eastman ist der Verfassungsjurist, der eine fragwürdige Anleitung für Mike Pence verfasst hatte, die es dem Ex-Vize angeblich erlaubt hätte, das Wahlresultat zugunsten von Trump umzubiegen.
Kommt dazu, dass die Hearings entgegen allen Unkenrufen sehr erfolgreich sind. Mehr als 20 Millionen Amerikanerinnen und Amerikaner verfolgen sie live am TV. Zudem werden die Highlights von anderen Medien aufgenommen und weiterverbreitet. Damit steigt auch der Druck auf Justizminister Merrick Garland, sich nicht nur mit den kleinen Fischen zu begnügen, sondern endlich auch Trump ins Visier zu nehmen.
Stoff dazu gibt es reichlich. Neal Katyal, ein ehemaliger Strafverfolger in der Obama-Regierung und Professor an der Georgetown University in Washington, führt in einem Gastkommentar in der «New York Times» aus, wie Trump juristisch belangt werden könnte.
Da wäre einmal Obstruktion gegen ein öffentliches Verfahren. Dies ist ein schweres Verbrechen, besonders, wenn nachgewiesen werden kann, dass der Angeklagte aus korrupten Motiven gehandelt hat. Trump muss auch damit rechnen, dass er sich wegen eines «versuchten Betrugs an den Vereinigten Staaten» verantworten muss. Am gravierendsten wäre eine Anklage wegen einer «aufrührerischen Verschwörung».
Sollte es tatsächlich zu einer Anklage gegen Trump kommen, wird entscheidend sein, ob Trump nachgewiesen werden kann, dass er wissentlich kriminell gehandelt hat. Ansonsten kann er sich darauf berufen, er sei überzeugt gewesen, dass er die Wahlen tatsächlich gewonnen habe.
Die Aussagen von Barr zertrümmern diese Verteidigung. Wenn der eigene Justizminister mehrmals darauf hingewiesen hat, dass kein Wahlbetrug vorgelegen habe, dass dies alles Bullshit sei, kann der Ex-Präsident diese Lüge nicht mehr aufrechterhalten, zumal Barrs Aussagen von anderen Insidern gestützt werden. Auch Bill Stepien, der ehemalige Wahlkampfmanager, und Jason Miller, ein enger Berater, und sogar Ivanka Trump haben Barrs Aussagen unterstützt.
So gesehen ist die Wut auf Barr verständlich. Seine Aussagen haben Trump einen Schritt näher an ein Strafverfahren gebracht.
Ach ja, und was ist mit Rudy Giuliani? Zeugen haben ausgesagt, dass er in der Wahlnacht stockbetrunken im Weissen Haus aufgetaucht sei und den Präsidenten dazu überredet habe, vorzeitig einen Wahlsieg zu verkünden. Der Ex-Bürgermeister von New York dementiert heftig. Er habe den ganzen Abend nur Pepsi Light getrunken, behauptet er.
Mag sein. Bei Rudy Giuliani weiss man nie, ob er betrunken oder nüchtern ist. Durchgeknallt ist er immer.
Ja, wie oft haben wir das nun schon gelesen in den letzten Jahren?