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Der Übermensch kehrt zurück

Der Supermensch kehrt zurück. 3D Model von zwei Menschen übereinander geblendet mit Spritzen im Hintergrund.
Bild: watson/imago
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Der Übermensch kehrt zurück

Das von Friedrich Nietzsche entwickelte Konzept feiert bei den Broligarchen eine Wiedergeburt.
25.03.2025, 12:2525.03.2025, 12:25
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«Gott ist tot», stellte der Philosoph Friedrich Nietzsche schon gegen Ende des 19. Jahrhunderts fest. Er meinte damit, dass die Kirche als Sinnstifter ausgedient hat und den Menschen fortan nichts anderes übrig bleibt, als ihrem Leben aus eigener Kraft einen Sinn zu verleihen. Dazu muss der Mensch jedoch aus sich hinauswachsen und zum «Übermenschen» werden.

Das Konzept des Übermenschen hat historisch gesehen sehr viel Leid über die Menschen gebracht. In seiner harmlosesten Variante mag es zwar bloss dazu führen, dass jemand, der zu viel Nietzsche konsumiert hat, in seinem Testament bestimmt, dass an seiner Beerdigung Frank Sinatras «My Way» gespielt wird.

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Friedrich Nietzsche.

Benito Mussolini und andere Faschisten haben jedoch das Konzept des Übermenschen dahingehend verstanden, dass es die Grundlage für einen brutalen Sozialdarwinismus bildet, zur Vorstellung, dass sich in der Gesellschaft und in der Ordnung der Nationen die Stärksten durchsetzen. Angesichts der verheerenden Katastrophen, die der Faschismus in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts angerichtet hat, glaubte man, dass der Irrglauben an einen Übermenschen endgültig überwunden war.

Ein Irrtum, wie sich herausstellt. Gestattet mir deshalb, vorzustellen: der «Übermensch» des 21. Jahrhunderts. Einen davon hat der «Economist» in seiner jüngsten Ausgabe porträtiert: Der 47-jährige Tech-Milliardär Bryan Johnson will ewig leben. Deshalb mutet er seinem Körper unglaublich viel zu. Er schluckt täglich über 100 Pillen, nimmt nach 11 Uhr keine Nahrung mehr zu sich, verbringt mindestens eine Stunde im Gym und schläft grundsätzlich alleine. Damit auch alles unter Kontrolle bleibt, lässt er sich für mehr als zwei Millionen Dollar jährlich rund um die Uhr von einem Team von Spezialisten überwachen.

Johnson schreckt auch vor exotischen Massnahmen nicht zurück. So hat er sich eine Infusion mit dem Blut seines Sohnes verpassen lassen, in der Überzeugung, das würde den Prozess der Alterung verlangsamen. Diesen Trick hat er übrigens von Peter Thiel übernommen. Auch der 57-jährige Financier hat es mit dem ewigen Leben und lässt sich regelmässig Blut von unter 25-Jährigen spritzen. In Honduras hat Thiel auch eine Art Privatstadt namens Prosperà gegründet, wo Experimente am menschlichen Körper durchgeführt werden dürfen, die anderswo verboten sind.

Johnson und Thiel führen weiter, was Ray Kurzweil einst begonnen hat. Dieser an sich geniale Erfinder und Investor postuliert schon seit Jahrzehnten die «Singularity», das Verschmelzen von künstlicher und menschlicher Intelligenz. Wie Johnson konsumiert Kurzweil daher auch Unmengen von Pillen, hält ein striktes Diät- und Fitness-Regime ein und hofft so, noch so lange am biologischen Leben zu bleiben, bis er als künstliches Leben im Cyberspace weitermachen kann.

Co-founder of Singularity University Dr. Ray Kurzweil congratulates the students of the first commencement of the school in Mountain View, Calif. on Friday, Aug. 28, 2009. Singularity University is ba ...
Will im Cyberspace ewig leben: Ray Kurzweil. Bild: AP

Es ist kein Zufall, dass der Wunsch, dem Tod ein Schnippchen schlagen zu können, gerade bei den Tech-Oligarchen so weit verbreitet ist. «Die Kombination von Krypto-Reichtum, Kolonien auf dem Mars und die Möglichkeit, ewig zu leben, ist die perfekte Zusammenfassung der Fantasiewelt, welche die Technokraten errichten wollen», stellt Jonathan Taplin in seinem Buch «The End of Reality» fest.

Elon Musks Version dieses Traums ist der Cyborg, die Kombination von Mensch und Maschine. Zu diesem Zweck hat er die Firma Neuralink gegründet. Diese will mit einem Chip im Gehirn erreichen, dass die menschliche Intelligenz um ein Vielfaches gesteigert wird. Diese Vorstellung teilt Musk übrigens mit Sam Altman, mit dem er einst OpenAI gegründet und mit dem er sich mittlerweile gründlich zerstritten hat. Nur auf diese Weise glaubt Musk, dereinst mit der künstlichen Intelligenz Schritt halten zu können.

Auch andere Mitglieder der Broligarchen machen auf der Suche nach dem neuen Übermenschen mit. Marc Andreessen, Jeff Bezos und selbst Bill Gates sind an Start-ups beteiligt, die dem Geheimnis des ewigen Lebens auf die Spur kommen wollen. Der deutsche Milliardär hat diesen Wunsch auf einem psychedelischen Trip entdeckt und will nun jeden mit zehn Millionen Dollar belohnen, der einen Durchbruch auf dem Gebiet des Anti-Agings schafft.

Dugin Elon Musk teaser
Gegenseitige Bewunderung: Alexander Dugin und Elon Musk.Bild: keystone/watson

Nicht nur Reichtum, sondern auch politische Überzeugung eint die neuen Übermenschen. Sie sind alle erzreaktionär. Deshalb ist es nicht verwunderlich, dass auch Donald Trump Jr. in diesem Kreis auftaucht, und es ist auch nicht weiter verwunderlich, dass die russische Mythologie bei ihnen hoch im Kurs steht.

Alexander Dugin, auch «Putins Rasputin» genannt, ist ein typischer Vertreter des russischen Mystizismus, der grosse Parallelen zum Faschismus aufweist. Er wird neuerdings auch von den amerikanischen Rechtsextremen hofiert. Tucker Carlson hat ihn interviewt und fand ihn «unwiderstehlich». Auch Steve Bannon gehört zu den Bewunderern. Kein Wunder: Dugin verachtet die Demokratie und den Liberalismus und sieht Russland als letzte Bastion gegen den Untergang der christlichen Werte.

Bis anhin war Dugin ein überzeugter Gegner der USA und setzte alles daran, die Hegemonie der Führungsmacht des Westens gemeinsam mit den Chinesen zu brechen. Jetzt aber beginnt er umzudenken. «Es wird täglich offensichtlicher, dass sich die USA und Russland auf der gleichen Wellenlänge, aber die Globalisten der EU auf der Gegenseite befinden», postete Dugin kürzlich auf Twitter.

Der Wunsch nach ewigem Leben paart sich mit krudem Mystizismus. Dieser Film wird kein Happy End haben. Wir werden den Zeiten, in denen sich die Übermensch-Fantasien auf Frank Sinatra und «My Way» beschränkten, noch nachtrauern.

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96 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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tychi
25.03.2025 12:22registriert Juli 2016
Beobachtungen:

1. Diese Leute sind erzreaktionär und berufen sich aufs Christentum, dessen Gründer (Jesus) jedoch den irdischen Besitztümern eine Totalabfuhr erteilte, der früh verstarb und eben gerade NICHT ewig auf Erden lebte, sondern die bleibende Statt im Jenseits/Himmel gefunden hat.

2. Sie sind alles Männer, deren Antriebsfeder wohl die höllische Angst vor der eigenen Bedeutungslosigkeit ist.

3. Sie betrachten Empathie als Defizit, wohl auch weil sie selbst nicht zur Empathie fähig sind. Eigentlich traurige Gesellen.
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El_Chorche
25.03.2025 12:34registriert März 2021
Wir sollten die Milliardäre zu deren eigener Sicherheit baldmöglichst einfrieren, bis ewiges Leben technisch machbar ist.
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slnstrm
25.03.2025 12:11registriert August 2023
Dann ist es ja gut, dass ich kein Broligarch bin. Lieber sterblich als durchgedreht. 😊
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96
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    Mit einem grossangelegten Angriff auf Nuklearanlagen, militärische Ziele und Wohnhäuser hochrangiger iranischer Funktionäre versucht Israel gezielt, die Führung der iranischen Verteidigungskräfte zu eliminieren. Aus israelischer Sicht war das Unternehmen bisher sehr erfolgreich. Vor allem bei den Islamischen Revolutionsgarden überlebten viele hochrangige Mitglieder die gezielten Angriffe nicht.

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