Ist Donald Trump Nero, der römische Kaiser, der (angeblich) Rom angezündet hat? Oder Scarface, der kubanische Drogenhändler, der sich im gleichnamigen Film von Brian de Palma in seiner Villa einbunkert und im Kokain-Rausch wahllos auf die anrückenden Polizisten ballert?
Das Verhalten des abgewählten US-Präsidenten lässt viele Vergleiche zu. Allen gemeinsam ist, dass sie davon ausgehen, dass die verbleibenden Tage der Trump-Ära mehr als nur ungemütlich werden. So schreibt die «Washington Post» in einem redaktionellen Kommentar:
Dabei ist die Situation im Weissen Haus ohnehin schon mehr als absurd. Trump hat sich offenbar mit seinen engsten Mitarbeitern zerstritten, mit seinem Stabschef Mark Meadows, dem Anwalt Pat Cipollone und gerüchteweise gar mit seinem Vize Mike Pence.
Zutritt zum Oval Office sollen nur die Personen erhalten, die ihn in seiner Meinung bestätigen, die Wahlen gewonnen zu haben. Dazu gehören nebst dem unverwüstlichen Rudy Giuliani der ehemalige Sicherheitsberater Michael Flynn, der ihn zu einem Militärputsch aufgefordert hat. Oder Sidney Powell, die irre Anwältin, die eine Verschwörung von CIA, George Soros und RINOs (falsche Republikaner) gegen Trump entdeckt haben will.
Neuerdings soll gar Marjorie Taylor Greene, die neu gewählte Abgeordnete aus Georgia und bekennende QAnon-Anhängerin, das Ohr des Präsidenten haben.
Beraten von diesem Team von Psychopathen und fest entschlossen, eine verlorene Wahl noch in einen Sieg umzubiegen, ist der ohnehin wilde Präsident völlig unberechenbar geworden. So hat er gestern 15 Leute begnadigt und die Strafe von fünf weiteren umgewandelt, ohne dabei das übliche Prozedere mit dem Justizdepartement zu durchlaufen.
Insgesamt hat Trump nun 45 Menschen begnadigt, nicht etwa, weil sie es verdient hätten, sondern einzig deshalb, weil sie ihm zu Diensten standen. Mit anderen Worten, Trump hat das Begnadigungsrecht des Präsidenten völlig korrumpiert. Jack Goldsmith, Rechtsprofessor an der Harvard University, erklärt dazu in der «New York Times»:
Zu den neu Begünstigten zählen George Papadopoulos, ein Mitglied seines Wahlteams, der das FBI angelogen hatte. Oder Duncan Hunter, Chris Collins und Steve Stockman, Politiker, die wegen Insiderhandel oder Betrug zu teils langen Gefängnisstrafen verurteilt wurden.
Besonders widerlich ist die Begnadigung von vier ehemaligen Mitarbeitern der Sicherheitsfirma Blackwater. Diese hatten im Irak ohne Not 17 Zivilisten erschossen, darunter zwei Kinder. In drei aufwändigen Prozessen wurden sie deswegen verurteilt. Blackwater gehört Erik Prince, dem Bruder der Erziehungsministerin Betsy DeVos. Er spielte in der Russland-Affäre ebenfalls eine zwielichtige Rolle.
Völlig unerwartet hat der Präsident gestern auch gedroht, das soeben vom Kongress verabschiedete Covid-Hilfspaket zu blockieren. Bisher hatte sich Trump keinen Deut um dieses Gesetz gekümmert. Doch nun verlangt er, dass die direkte Unterstützung an alle Amerikanerinnen und Amerikaner nicht 600, sondern mindestens 2000 Dollar betragen soll. Zudem müssten alle unnützen Elemente aus dem Gesetz gestrichen werden.
Ob Trump blufft oder nicht, ist nicht klar. Weil dieses Gesetz vom Kongress mit einer Zweidrittels-Mehrheit verabschiedet wurde, kann der Präsident es grundsätzlich nicht mehr umstossen. Er kann jedoch mit juristischen Tricks eine Verzögerung erreichen.
Auf jeden Fall ist die Veto-Drohung rational nicht nachvollziehbar. Trump schadet damit der eigenen Partei, denn es waren die Republikaner, welche die Direktzahlungen möglichst gering halten wollten. Nancy Pelosi, Mehrheitsführerin der Demokraten im Abgeordnetenhaus, twitterte denn auch umgehend: «Endlich hat der Präsident der Summe von 2000 Dollar zugestimmt. Wir Demokraten sind bereit, dies sofort umzusetzen.»
Trumps irrationales Verhalten wird für die Grand Old Party zu einer Belastung. Weil sie die Wahl von Joe Biden anerkannt haben, wütet der Präsident nun auch gegen Mitch McConnell, den Mehrheitsführer im Senat, und dessen Stellvertreter John Thune, einen stockkonservativen Senator aus South Dakota.
William Barr, sein einst treuester Diener, hat Trump mittlerweile verlassen. Der Justizminister hatte sich geweigert, einen Sonderermittler gegen Hunter Biden einzusetzen oder nicht vorhandene Wahlfälschungen zu untersuchen. Selbst Lindsey Graham, einer der schlimmsten Speichellecker, geht neuerdings auf Distanz.
Trotzdem ist Trump entschlossen, am 6. Januar alles noch zu seinen Gunsten zu wenden. Dann muss der Kongress das Ergebnis der Wahlmänner bestätigen. Eine kleine Gruppe von Abgeordneten und ein neu gewählter Senator aus Alabama sind offenbar bereit, dieses bisher unbedeutende Ritual zu durchbrechen und diese Bestätigung in die letzte Schlacht für Trump zu verwandeln.
Trump und seine Getreuen haben keine Chance, diese Schlacht zu gewinnen. Immerhin aber könnte der Präsident ein weiteres Mal seine Rachegelüste befriedigen. Sein Vize Mike Pence muss nämlich das Resultat bestätigen. Er wird wohl Joe Biden zum gewählten Präsidenten erklären. Damit wird er sich die ewige Feindschaft Trumps und der republikanischen Basis einhandeln – und er wird seine Träume, dereinst selbst im Oval Office zu sitzen, begraben müssen.