Madeleine Albright war amerikanische Aussenministerin in der Regierung von Bill Clinton. Heute hat sie den Status einer Grand Old Stateswoman der Geopolitik. In einer Kolumne in der «New York Times» fällt sie heute ein vernichtendes Urteil über Wladimir Putin:
«Anstatt den Weg zu russischer Grösse zu ebnen, würde eine Invasion der Ukraine sicherstellen, dass Putin für alle Zeiten in Schande leben müsste. Sein Land wäre diplomatisch isoliert, wirtschaftlich geschwächt und – angesichts einer gestärkten westlichen Allianz – strategisch verwundbar.»
Die Tatsache, dass man ihn 2014 mehr oder weniger gewähren liess, sollte Putin nicht in Sicherheit wiegen. «Es wäre alles andere als eine Wiederholung der Ereignisse nach der Annexion der Krim», so Albright. «Es wäre vielmehr ein Szenario, das an die verunglückte sowjetische Besetzung von Afghanistan erinnert.»
Grand Old Stateswoman: Madeleine Albright.Bild: EPA/EPA
Die Tatsache, dass er über ein Arsenal von Atomwaffen verfüge, werde Putin ebenfalls nicht weiterhelfen, so Albright weiter. Er werde ein Paria der Weltpolitik sein, umgeben von «Typen wie Bashar-al Assad, Alexander Lukaschenko und Kim Jong-un.»
Mrs. Albrights Worte in Gottes Ohr. Es gibt jedoch auch ein «Aber», ein sehr grosses sogar. Eine diametral entgegengesetzte Einschätzung der Lage liefern so die beiden Politologen Liana Fix und Michael Kimmage im Magazin «Foreign Affairs».
Die beiden erinnern an den Bürgerkrieg in Syrien und die damalige Einschätzung der Ereignisse. Auch damals hiess es, die Russen würden sich in einen Sumpf begeben, in dem sie versinken würden. Es sollte sich als Irrtum erweisen. «Die Obama-Regierung verpasste es, zu antizipieren, was geschehen würde, sollte die russische Intervention Erfolg haben», so Fix/Kimmage. Das Resultat: Russland ist wieder eine ernstzunehmende Macht im Nahen Osten.
Die beiden Politologen warnen auch, die Vereinigten Staaten und ihre Verbündeten seien angesichts einer russischen Militäraktion überhaupt nicht darauf vorbereitet, eine neue Sicherheitsordnung für Europa auf die Beine zu stellen.
Was also, wenn Putin alles auf eine Karte setzt und gewinnt? Die Folgen lassen sich in sieben Punkten zusammenfassen:
Die Nato wird ihre Glaubwürdigkeit verspielen. «Jede Vorstellung, sie könnte weiterhin Frieden für den Kontinent garantieren, wird zu einem Artefakt aus längst vergangenen Zeiten», so Fix/Kimmage.
Die USA und Europa würden sich in einem permanenten Wirtschaftskrieg mit Russland befinden.
Vergleiche mit dem Kalten Krieg werden hinfällig. «Im Gegenteil, eine russische Besetzung der Ukraine würde eine weite Zone von Destabilisierung und Unsicherheit eröffnen, welche von Estland und Polen bis zur Türkei und Rumänien reicht», so Fix/Kimmage.
Deutschlands Stellung in Europa würde massiv geschwächt. «Weil sie über eine stärkere Militärmacht verfügen, würden Frankreich und Grossbritannien das Zepter in Europa in die Hand nehmen», so Fix/Kimmage.
Östliche Staaten wie Estland, Lettland, Litauen, Polen und Rumänien müssten deutlich mehr Nato-Truppen auf ihrem Boden dulden.
Millionen von Menschen würden aus der Ukraine fliehen. In den nicht sofort besiegten Teilen des Landes würde ein blutiger Guerillakrieg ausbrechen.
Die Flüchtlingswelle würde den rechtsextremen Populisten in ganz Europa Aufwind verschaffen. Putin würde dies zu seinem Vorteil ausnutzen.
Die USA müssten ihre geopolitische Strategie neu überdenken. Eigentlich wollte sich die Biden-Regierung darauf einstellen, China in Schach zu halten. «Ein Erfolg von Russland in der Ukraine würde bedeuten, dass sich die USA wieder Europa zuwenden müssten», so Fix/Kimmage.
Putin zu unterschätzen sei deshalb ein schwer wiegender Irrtum, warnen Fix/Kimmage. «Ein Sieg Russlands in der Ukraine ist nicht Science Fiction».
Man kann auch die Geschichte oder William Shakespeare bemühen. Das Verhalten des russischen Präsidenten erinnert zwar an einen verrückten König. Wie aber sagte schon Polonius im Stück «Hamlet»: «Ist dies auch Wahnsinn, so ist doch Methode drin.»
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Die beliebtesten Kommentare
Firefly
23.02.2022 14:03registriert April 2016
Würde mich nicht wundern, wenn in den nächsten Tagen/Wochen Taiwan von China angegriffen würde.
Ein Geschichtslehrer meinte einmal, "Noch nie wurde ein Krieg gewonnen!". Als typisch schwarzweiss denkende Teenager brauchten wir eine Weile, bis wir begriffen hatten, was er meinte. Schaut man die obige Liste an, wird auch heute noch jedem klar, dass der Term "Krieg gewinnen" komplett falsch ist.
Was heisst "gewinnt"? (Im Krieg gibt es nur Verlierer) Das Putin tatsächlich die Ukraine erobert?
In dem Fall müssten wir uns alle warm anziehen... Aber vorallem Finnland, Lettland, Litauen, etc. Denn in seinen Reden sieht man klar dass er nicht nur der Ukraine die Unabhängigkeit abspricht, so wie er das einstige sowjetische Grossrussland lobt...
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(Im Krieg gibt es nur Verlierer)
Das Putin tatsächlich die Ukraine erobert?
In dem Fall müssten wir uns alle warm anziehen...
Aber vorallem Finnland, Lettland, Litauen, etc.
Denn in seinen Reden sieht man klar dass er nicht nur der Ukraine die Unabhängigkeit abspricht, so wie er das einstige sowjetische Grossrussland lobt...