
Stacey Plaskett in Aktion vor dem Senat.Bild: keystone
Analyse
Stacey Plaskett, Abgeordnete von den U.S. Virgin Islands, zeigte im Impeachment-Prozess nüchtern und methodisch auf, wie der Ex-Präsident den Sturm aufs Kapitol geplant und organisiert hat.
11.02.2021, 14:1911.02.2021, 15:09

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Republikaner und konservative Medien wie Fox News argumentieren in etwa wie folgt: Okay, der Sturm aufs Kapitol war unschön, aber es war Randale und kein geplanter Staatsstreich. Den Ex-Präsidenten treffe keine Schuld. Er habe den Mob nicht angestiftet, sondern bei seiner Rede vor dem Kapitol lediglich von seinem Recht auf Meinungsfreiheit Gebrauch gemacht.
Überhaupt sei das Impeachment verfassungswidrig, da Trump nicht mehr im Amt sei. Am besten also bringe man das Ganze möglichst schnell hinter sich. Das Land habe wichtigere Probleme zu bewältigen.

Führt die Manager an: Jamie Raskin.Bild: keystone
Am ersten Tag wurde die Sache mit der Verfassung geklärt – das Impeachment ist verfassungsmässig –, und gleichzeitig wurde auch aufgezeigt, dass es keine gute Idee ist, beim Honorar der Anwälte knausrig zu sein. Was niemand für möglich gehalten hat: Trumps Verteidiger sind noch schlechter als Rudy Giuliani.
Am zweiten Prozesstag ging es um die Rolle Trumps beim Sturm aufs Kapitol. Auftritt Stacey Plaskett, eine der demokratischen Anklägerinnen – sie werden Manager genannt – im Prozess. Die Frau war eine Wucht.
Untermalt von Videos und Tonbandaufzeichnungen von Kapitol-Polizisten zeichnete sie minutiös nach, wie der Mob gezielt nach Vize-Präsident Mike Pence und demokratischen Politikern wie Nancy Pelosi Ausschau gehalten hatte, in der Absicht, sie zu töten.
Dieses Video soll Trump während des Impeachment-Verfahrens zum Verhängnis werden
Video: watson
«Das war ein Mob, der vom Präsidenten der Vereinigten Staaten geschickt wurde, um die Zertifizierung einer Wahl zu verhindern», so Plaskett. «Präsident Trump hat ein Ziel auf den Rücken dieser Politiker gemalt, und der Mob ist ins Kapitol eingedrungen, um sie zu jagen.»
Plaskett schickte auch die These, wonach der Ex-Präsident nichts von den Plänen der Rebellen gewusst haben soll, ins Reich der Märchen. «Diese gewalttätigen Attacken wurden nicht im Geheimen ausgeheckt», so Plaskett. «Die Aufständischen wähnten sich im Glauben, sie würden sich in den Dienst des Präsidenten stellen – und seine Befehle ausführen.»
Zusammen mit den anderen Managern gelangt es Plaskett aufzuzeigen, wie aus dem Commander in Chief ein «Inciter in Chief», ein Anstifter zu einem Umsturz wurde. Und zwar wie folgt:
Schon im Frühling 2020 begann Trump zu ahnen, dass er die Wahlen verlieren könnte. Deshalb sprach er immer wieder von angeblich gezinkten Wahlen. Nur ein Wahlbetrug könne seinen Sieg verhindern, wiederholte er unablässig in Interviews und auf Wahlkampfveranstaltungen.
Nachdem er die Wahlen tatsächlich verloren hatte, wollte Trump zunächst mit einem Heer von Anwälten das Resultat anfechten und zu seinen Gunsten umbiegen. Erfolglos: Von 61 Klagen hielt gerade mal eine vor den teils konservativen Richtern statt. Der Supreme Court wollte nicht einmal auf die Klagen eintreten, obwohl Trump mit drei Ernennungen für eine komfortable konservative Mehrheit in diesem Gremium gesorgt hatte.

Letzte Ehre für den getöteten Polizisten Brian Sicknick.Bild: keystone
Deshalb begann Trump, einen gewaltsamen Umsturz zu planen. Per Tweet forderte er seine Anhänger auf, am 6. Januar nach Washington zu pilgern, «es werde wild werden», versprach er dabei. Auch bei der Demonstration vor dem Kapitol hatte das Trump-Team seine Finger im Spiel. Ursprünglich war sie an einem anderen Ort und zu einem anderen Zeitpunkt geplant gewesen.
Trump hat die Wut seiner Anhänger systematisch mit der Grossen Lüge geschürt und danach die Voraussetzungen geschaffen, dass sie sich gezielt entladen konnte. Als schliesslich der Sturm aufs Kapitol begann, unternahm der Präsident nichts, um ihn zu stoppen.

Sollte getötet werden: Nancy Pelosi.Bild: keystone
Im Gegenteil: Er verfolgte belustigt das Treiben am TV und setzte dabei Tweets gegen seinen Vize Pence ab. Er hat damit grobfahrlässig seine Pflichten verletzt. Oder wie es Joaquin Castro, Abgeordneter aus Texas und einer der Manager, formulierte: «Als die Gewalt ausbrach und alle ihn anflehten, etwas zu unternehmen, sagte er niemals: ‹Stoppt die Attacke.›»
Die Darbietung der demokratischen Ankläger vor dem Senat war so eindrücklich, dass selbst einige Republikaner beeindruckt waren. So erklärte John Thune, die Nummer zwei der Grand Old Party, die Manager hätten «einen guten Job abgeliefert». Auch Ted Cruz, der republikanische Hardliner, zollte Respekt. Die Präsentation sei «mächtig und emotional» gewesen, gab er zu Protokoll.
Es ist unwahrscheinlich, dass Trump verurteilt werden wird. Zu gross ist die Angst der Republikaner vor ihren eigenen Wählern. Trotzdem haben die demokratischen Ankläger viel erreicht, vielleicht sogar Geschichte geschrieben. Sie haben die billigen Ausreden des Trump-Lagers förmlich pulverisiert.
«Wir werden noch jahrelang in ihrer Schuld sein» erklärt daher E.J. Dionne, Kolumnist in der «Washington Post». «Punkt für Punkt haben sie die Lügen über den Wahlbetrug widerlegt. Und sie haben aufgedeckt, wie Trump über lange Zeit die politische Gewalt angeheizt hat.»
Trump-Anhänger stürmen Kapitol
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Trump-Anhänger stürmen Kapitol
quelle: keystone / manuel balce ceneta
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