Mark Meadows war der letzte von insgesamt vier Stabschefs von Donald Trump. In dieser Eigenschaft war er sehr nahe am Geschehen im Weissen Haus. Insbesondere spielte er eine Schlüsselrolle in der Big Lie, der unsinnigen These, wonach Trump die Wahlen gewonnen habe. Meadows war auch massgeblich daran beteiligt, Joe Biden seinen Sieg mit dunklen Machenschaften streitig zu machen.
Es liegt daher auf der Hand, dass der Ausschuss zur Abklärung der Vorfälle des Sturms auf das Kapitol ein grosses Interesse an Meadows hat. Deshalb hat es ihm eine Vorladung als Zeuge zukommen lassen und ihn aufgefordert, relevante Dokumente vorzulegen.
Zunächst wollte Meadows dem Beispiel von Trumps ehemaligem Chefstrategen Steve Bannon folgen und dem Ausschuss den Stinkefinger zeigen. Mit der Begründung, Trump habe ihm unter Berufung auf das «executive privilege» eine Aussage untersagt, schlug er die Aufforderung, als Zeuge zu erscheinen, in den Wind.
Unter «executive privilege» versteht man das Recht des Präsidenten, keine Auskunft geben zu müssen über Dinge, die sich im Weissen Haus abspielen. Dieses Privileg besitzt ein Präsident jedoch nur, solange er im Amt ist, und der amtierende Präsident Biden hat ausdrücklich erklärt, dass er dieses Privileg im Fall von Meadows nicht in Anspruch nehmen will.
Der ehemalige Stabschef hätte daher bei einem Nichterscheinen eine Anklage des Justizministeriums riskiert, die ihn ins Gefängnis bringen würde.
Bannon geht dieses Risiko ein, Meadows nicht. Bennie Thompson, der demokratische Vorsitzende des Ausschusses, erklärte gestern: «Mr. Meadows hat via seinen Anwalt Kontakt mit uns aufgenommen. Er hat dem Komitee Dokumente überwiesen und wird bald für eine Befragung zur Verfügung stehen.»
Sollte Meadows tatsächlich über die Vorgänge im Weissen Haus vor und während des 6. Januars aussagen, dann hätte Trump ein gewaltiges Problem. Der Ex-Stabschef kennt die Details und weiss vor allem, was der Ex-Präsident wusste, inwieweit er in die Vorgänge involviert war, mit wem er gesprochen und warum er so lange gezögert hat, seine Anhänger zum Abbruch des Sturms aufzufordern.
Trump kann jedoch auch hoffen, dass Meadows blufft, dass er bloss Banalitäten preisgeben wird und sich in den heiklen Fragen auf das erwähnte «executive privilege» oder auf den fünften Zusatz der Verfassung beruft. Dieser besagt, dass niemand zu einer Aussage gegen sich selbst gezwungen werden darf.
Der Ausschuss hat auch grosses Interesse an den Aussagen von Jeffrey Clarke. Dieser war ein eher unscheinbarer Chefbeamter im Justizministerium, der die Big Lie zum Anlass nehmen wollte, selbst Justizminister zu werden. Er verfasste einen Brief, in dem er das Parlament von Georgia auffordern wollte, ein Verfahren wegen Wahlbetrugs einzuleiten. Der amtierende Justizminister weigerte sich jedoch, diesen Brief zu unterzeichnen. Trump wollte ihn deshalb feuern und durch Clarke ersetzen. Weil die gesamte Teppichetage des Justizministeriums daraufhin mit Rücktritt drohte, liess der Ex-Präsident davon ab.
Clarke will sich offenbar für Trump opfern und dem Beispiel von Bannon folgen. Deshalb muss auch er mit einer Strafklage des Justizministeriums rechnen.
Trump selbst versucht derweil mit allen Mitteln zu verhindern, dass das Archiv des Weissen Hauses die Dokumente dem Ausschuss zur Verfügung stellt, welche die Vorgänge rund um den 6. Januar protokollieren. Er beruft sich selbstredend auf das «executive privilege». Damit ist er jedoch in erster Instanz bereits durchgefallen.
Derzeit läuft die Anhörung vor dem Appellationsgericht, und es sieht schlecht aus für Trump. Seine letzte Hoffnung ist der Supreme Court. Allerdings haben die obersten Richter in Sachen Big Lie schon einmal gegen ihn entschieden, obwohl er drei von ihnen eingesetzt hat.
Der Ex-Präsident will daher vor allem eines: Zeit gewinnen. Sollte es ihm gelingen, das Verfahren bis zu den Zwischenwahlen zu verzögern, hat er gute Chancen, dass ein wieder von den Republikanern beherrschtes Abgeordnetenhaus das Verfahren einstellt.
Allerdings: Ob sein Anhang die Geduld dazu aufbringt, ist fraglich. Im Trump-Lager brechen immer häufiger Streitereien aus. So sind sich beispielsweise sein ehemaliger Sicherheitsberater Michael Flynn und ein Anwalt namens Lin Wood in die Haare geraten. Es geht um QAnon, die mehr als merkwürdige Kultbewegung, welche behauptet, eine Elite von Demokraten und Hollywood-Stars würde das Blut von geopferten Kindern trinken, um sich jung zu behalten. Trump würde sie befreien und alle Kinderschänder hinrichten lassen.
Michael Flynn, einst ein tüchtiger Nachrichtenoffizier, hat sich QAnon verschrieben und ist einer der wichtigsten Bannerträger der Bewegung geworden. Doch offenbar hat er es dabei nie ernst gemeint. In einem Telefongespräch hat er die QAnon-Thesen offenbar als «völligen Unsinn» abgetan. Lin Wood, ein weiterer Fahnenträger des Kults, hat dies ausgenutzt und das Telefongespräch öffentlich gemacht, um so Flynn bei den QAnon-Anhängern zu diskreditieren.
Wood hat dabei auch auf ein Strafverfahren gegen Sidney Powell aufmerksam gemacht. Die Anwältin hat Flynn einst in seinem Strafverfahren verteidigt. Berühmtheit hat sie jedoch vor allem erlangt, weil sie zusammen mit Rudy Giuliani juristische Wortführerin der Big Lie war. Unter anderem hat sie behauptet, die Wahlcomputer seien mit einer Software manipuliert gewesen, welche ursprünglich der 2013 verstorbene Präsident von Venezuela, Hugo Chavez, in Auftrag gegeben habe.
Sidney Powell ist deswegen auf zivilrechtlichem Weg von der Herstellerfirma der Wahlcomputer verklagt worden, und zwar in der Höhe von Milliarden. Nun droht ihr auch ein Strafverfahren. Die «Washington Post» berichtet, dass die Staatsanwaltschaft von Washington D.C. gegen Powell wegen Veruntreuung von Spenden ermittelt. Sie hat Gelder gesammelt, um sie angeblich für ihren Kampf gegen die vermeintliche Wahlmanipulation einzusetzen. Diese Gelder hat sie jedoch, so der Verdacht, für private Zwecke verwendet.
Krach gibt es auch unter den Republikanern im Repräsentantenhaus. Ausgelöst hat ihn Lauren Boebert, eine Abgeordnete aus dem Bundesstaat Colorado. Sie gehört wie Marjorie Taylor Greene, Matt Gaetz und Paul Goslar zum extremen Flügel der Grand Old Party und schreckt vor gar nichts zurück. So hat sie die demokratische Abgeordnete Illhan Omar, eine Muslima, völlig grundlos beschuldigt, eine Selbstmord-Attentäterin zu sein.
Das ging selbst einigen Republikanern zu weit. Nancy Mace, eine Abgeordnete aus South Carolina, verurteilte die Äusserungen von Boebert. Daraufhin schaltete sich Taylor Greene ein und bezeichnete die Äusserungen von Mace als «Abfall». Mace tweetete als Antwort das Fäkalien- und das Verrückter-Clown-Emoji. Matt Gaetz seinerseits bezeichnete Mace als «Betrügerin».
All dies bringt Kevin McCarthy, den Führer der republikanischen Minderheit im Abgeordnetenhaus, zunehmend in Bedrängnis. Er will um jeden Preis nach den Zwischenwahlen Nancy Pelosi als Speaker ablösen. Dazu braucht er jedoch die Unterstützung des radikalen Flügels. Dieser Flügel droht jedoch, die Wahlchancen der Republikaner ernsthaft zu gefährden.
Nein!? Doch! Oh....