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Lukaschenko lässt sich in Weissrussland mit 80 Prozent wiederwählen

Lukaschenko lässt sich in Weissrussland mit 80 Prozent wiederwählen

11.10.2015, 22:2911.10.2015, 22:45
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Bei der Präsidentenwahl in Weissrussland hat der autoritäre Amtsinhaber Alexander Lukaschenko laut Wählerbefragungen mit über 80 Prozent der Stimmen gewonnen. Kurz nach Schliessung der Wahllokale am Sonntagabend ging die staatliche Agentur Belta in Minsk mit dieser Zahl an die Öffentlichkeit. Sie berief sich auf Nachwahlbefragungen dreier Institute, die Lukaschenko bis zu 84.1 Prozent zuschrieben.

In der Innenstadt von Minsk versammelten sich mehrere Dutzend Gegner des Präsidenten, um gegen die Wahl zu demonstrieren.

Er hat nur geschwitzt, weils heiss war: Alexander Lukaschenko bei einer Pressekonferenz anlässlich der Wahlen.
Er hat nur geschwitzt, weils heiss war: Alexander Lukaschenko bei einer Pressekonferenz anlässlich der Wahlen.
Bild: VASILY FEDOSENKO/REUTERS

Der seit 1994 regierende Präsident steuerte bei der Wahl eine fünfte Amtszeit an. Auf dem Spiel steht für ihn vor allem ein besseres Verhältnis zur Europäischen Union (EU).

Unruhen nach letzter Wahl

Bei der letzten Wahl 2010 hatte er knapp 80 Prozent der Stimmen für sich reklamiert. Danach war es in Minsk zu Unruhen gekommen; Lukaschenko liess Hunderte seiner Gegner festnehmen. Die EU und die USA verhängten daraufhin Einreiseverbote und sperrten Konten.

Bei der Stimmabgabe hatte sich Lukaschenko am Sonntag erfreut gezeigt über Berichte, dass Brüssel über eine Lockerung der Sanktionen gegen seine Führung nachdenkt. «Sie haben verstanden, dass Sanktionen nur schaden. Sie haben gesehen, dass Weissrussland ein normaler Staat ist», sagte er. Angesichts der Wirtschaftskrise hofft er auf eine Wiederannäherung an die EU.

Als Zeichen einer entspannteren Atmosphäre bei dieser Wahl liess die Polizei am Samstag eine nicht genehmigte Kundgebung der Opposition zu.

Protest der Opposition nach der Wahl.
Protest der Opposition nach der Wahl.
Bild: ROMAN PILIPEY/EPA/KEYSTONE

Berlin: Testfall für Verhältnis zur EU

«Die Wahlen sind ein Testfall für den möglichen Ausbau unserer Kooperation mit Weissrussland», erklärte das Auswärtige Amt in Berlin. «Unsere Erwartung ist, dass sich Repressionen wie 2010 nicht wiederholen dürfen.»

Den drei zugelassenen Gegenkandidaten wurden bei der Abstimmung keine Chancen eingeräumt. Die Bewerber Sergej Gajdukewitsch und Nikolai Ulachowitsch gelten als regimetreu. Der versprengten weissrussischen Opposition nahe steht nur Tatjana Korotkewitsch, die sich als erste Frau um die Präsidentschaft in Weissrussland bewarb.

Manipulationsanfälliges Verfahren

Die Beteiligung lag nach Angaben der regimetreuen Wahlkommission zwei Stunden vor Schliessung der Wahllokale schon höher als 80 Prozent. Bei Wahlen in Weissrussland sind immer wieder Fälschungsvorwürfe erhoben worden. Um die 40 Prozent der Wähler gaben ihre Stimme schon in den Tagen zuvor ab. Dieses Verfahren gilt als manipulationsanfällig.

40 Prozent der Wähler gaben ihre Stimme schon Tage vor der Wahl ab.
40 Prozent der Wähler gaben ihre Stimme schon Tage vor der Wahl ab.
Bild: VASILY FEDOSENKO/REUTERS

Dabei steht trotz dessen Polizeistaatsmethoden ein grosser Teil der Bevölkerung zum Langzeit-Präsidenten. «Ich habe Lukaschenko gewählt, denn eine Alternative gibt es nicht», sagte eine Wählerin im Osten von Minsk. «Es ändert sich sowieso nichts», erklärte der 79-jährige Anatoli. «Das habe ich alles schon mehrmals erlebt.»

Gegen russische Luftwaffenbasis

Erneut wies Lukaschenko Moskauer Pläne für eine Luftwaffenbasis in Weissrussland zurück. Er werde mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin darüber reden. Aber wenn, wolle Weissrussland die Flugzeuge lieber unter eigener Kontrolle haben.

Zugleich bekräftigte Lukaschenko die Verbundenheit mit dem grossen Nachbarn: «Wir bleiben nicht nur Freundesland für Russland, das ist unser engstes Bruderland.»

Die neue Literaturnobelpreisträgerin Swetlana Alexijewitsch rechnet noch lange nicht mit einem Ende der Diktatur in ihrer Heimat. «Für die Freiheit braucht es freie Menschen und die gibt es noch nicht», sagte die Weissrussin am Samstag in Berlin.

In Weissrussland komme es nach einem Spruch Stalins nicht darauf an, wer wähle, sondern wer die Stimmen auszähle. (sda/dpa/meg)

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