Wegen einer besorgniserregenden Ausbreitung der Delta-Variante des Coronavirus ist Lissabon für zweieinhalb Tage abgeriegelt. Vom Freitagnachmittag (16.00 Uhr) und bis zum Montagmorgen (6.00 Uhr) dürfen die gut 2,8 Millionen Bewohner der Hauptstadt Portugals den Grossraum Lissabon nur aus triftigem Grund verlassen. Auswärtige dürfen nur in Ausnahmefällen einreisen. Touristen, die in Lissabon landen, um in einem anderen Landesteil Ferien zu machen, oder auch Besucher, die nach Hause zurückfliegen, sind nicht betroffen. Ministerpräsident António Costa wies Kritik zurück, die Massnahme sei angesichts einer noch relativ entspannten Lage übertrieben. Die Abriegelung sei angemessen, sagte er bei einem Besuch in Brügge. «Wenn man keine Massnahmen ergreift, nimmt die Pandemie wieder zu.
Costa ist besorgt: «Niemand kann garantieren, dass wir nicht zum Lockdown zurückmüssen.» Der Grund: Mit 928 neuen Infektionen binnen 24 Stunden verzeichnete Lissabon am Donnerstag den höchsten Wert seit dem 19. Februar. Das waren rund 75 Prozent aller in Portugal registrierten Fälle (1233). In der «Area Metropolitana» Lissabons wohnen aber lediglich rund 27 Prozent aller 10,3 Millionen Bürger Portugals.
Weil bereits die letzte Corona-Welle im Grossraum Lissabon ihren Ursprung hatte, macht die Regierung die Hauptstadt übers Wochenende dicht, nur noch mit triftigem Grund darf sie betreten oder verlassen werden. Mit dem «sanitären Zaun» um Lissabon, so werden die Beschränkungen in Portugal auch genannt, möchte die Politik verhindern, dass die Hauptstadtregion wieder den Rest des Landes infiziert, wie die «FAZ» schreibt.
In Lissabon breite sich derzeit die zunächst in Indien entdeckte Delta-Variante des Coronavirus relativ stark aus, sagte Präsidentschaftsministerin Mariana Vieira da Silva. «Es ist nicht leicht, solche Massnahmen zu ergreifen, aber uns erschienen sie unerlässlich, damit die Lage, die in Lissabon derzeit herrscht, nicht auf das ganze Land übergreift», betonte sie.
Gemäss dem nationalen Gesundheitsinstitut INSA deuten die aktuellen Daten darauf hin, dass die Delta-Variante schon mehr als die Hälfte der neuen Fälle in der Region ausmacht. Dies könne zu einem beschleunigten Anstieg beitragen, wird Epidemiologe Manuel Carmo Gomes in der Zeitung «Publico» zitiert. Die Delta-Variante löse die britische Variante ab, sagt Carmo Gomes. Die britische Mutante hatte ihren Ursprung Anfang Jahr in Portugal und beschäftigte anschliessend ganz Europa.
Fakt ist: Die Infektionszahlen steigen an. Wie die «FAZ» schreibt, liegt die Inzidenz in den vergangenen 14 Tagen bei 81 Fällen pro 100'000 Einwohner. Im Grossraum Lissabon sind es aktuell jedoch bereits 240 Fälle pro 100'000 Einwohner, in ganz Portugal 90,5. Die Delta-Infektionen betreffen besonders die unter 40-Jährigen, die noch nicht geimpft sind. «Es sind die jungen Leute, die es leid sind, zu Hause zu sein, die ausgehen, die Partys feiern», sagt Carmo Gomes. Der Epidemiologe zeigt sich wenig optimistisch: «Es fängt langsam an; jeden Tag wächst es ein wenig, irgendwann gibt es eine Explosion.»
Die aktuellen Zahlen sind weit weg von denjenigen im Januar, damals wurden pro Tag mehr als 14'000 Neuinfektionen registriert. Dies mündete damals in einem strengen Lockdown für welchen diverse Experten lobende Worte übrig hatten. Mit der Abriegelung der Hauptstadt Lissabon soll verhindert werden, dass es erneut zu einem Lockdown kommt, auch wenn dieser derzeit nicht ausgeschlossen werden kann.
(rst, mit Material von Keystone-Sda)