449 Tage. So lange ist es her, seit Grossbritannien am 23. März 2020 den Lockdown ausgerufen hat. Drei Wellen, 4,5 Millionen Infektionen und 128'000 Todesfälle später und es gab Licht am Ende des Tunnels: Premierminister Boris Johnson hat für den 21. Juni den sogenannten «Freedom Day» (zu Deutsch: «Tag der Freiheit») angekündigt. An diesem Tag sollten die letzten Coronamassnahmen aufgehoben werden. In Grossbritannien hätte wieder «business as usual» geherrscht.
Doch so weit wird es vorerst nicht kommen, die Briten müssen sich noch etwas gedulden. Der britische Premierminister Boris Johnson verlängerte am Montag die noch geltenden Corona-Massnahmen bis zum 19. Juli, wie er bei einer Pressekonferenz in London erklärte. Grund dafür ist die zunächst in Indien entdeckte Delta-Variante des Coronavirus.
Droht Grossbritannien trotz seiner fortgeschrittenen Impfkampagne eine vierte Welle? Werfen wir einen Blick auf die Zahlen.
Von einer vierten Welle zu sprechen wäre momentan noch etwas übertrieben. Nichtsdestotrotz steigen die Fallzahlen wieder in Grossbritannien. Nach einer schweren dritten Infektionswelle mit vielen Toten lag die Inzidenz seit April bei weit unter 30 Infektionen pro 100.000 Einwohnerinnen. Die täglichen Fallzahlen stabilisierten sich bei rund 2000 Fällen.
In den letzten Tagen lagen die Fallzahlen jedoch bei rund 7500 Fällen pro Tag und die 7-Tage-Inzidenz lag bei 67.5. Das ist immer noch weitaus tiefer als die zwischenzeitliche Inzidenz von über 600 im Winter. Trotzdem: Die Neuinfektionen verdoppeln sich momentan binnen kurzer Zeit. Und dies, obwohl bereits 57 Prozent der Bevölkerung voll geimpft ist.
Grund für diesen raschen Anstieg dürfte die Delta-Variante sein. Sie verbreitet sich derzeit rasant und verdrängt die Alpha-Variante. Jene also, die zuerst in Grossbritannien entdeckt wurde und für eine heftige zweite Welle in ganz Europa sorgte.
Der Delta-Variante hat innert kürzester Zeit die Oberhand gewonnen. Daten aus den Sequenzierungen zeigen, dass mittlerweile mehr als 90 Prozent der Neuinfektionen auf die Delta-Variante zurückzuführen sind. Anfang April waren es noch weniger als zwei Prozent.
Aktuellen Daten zufolge verbreitet sich Delta also noch einmal schneller als Alpha. Und Alpha hat sich bereits 40 bis 90 Prozent schneller ausgebreitet als zuvor dominante Varianten. Die britischen Gesundheitsbehörden gehen aufgrund ersten erhobenen Daten nun davon aus, dass sich Delta nochmals um 50 Prozent schneller verbreitet als Alpha. Die Datenlage ist allerdings noch mager. Weiterführende Studien müssen dies erst noch beweisen.
Schaut man sich die Daten der Sequenzierungen aus Europa an, so ist es vor allem Grossbritannien, das mit Delta zu kämpfen hat. In anderen europäischen Ländern spielt diese Variante noch keine sehr grosse Rolle.
In der Schweiz ist bisher, wenn überhaupt, nur ein sehr leichter Anstieg der Delta-Variante messbar.
Dass sich die Mutation so schnell in Grossbritannien ausbreiten konnte, dürfte mit der Verbindung des Landes zu Indien zusammenhängen und der relativ trägen Antwort der britischen Regierung, nachdem Delta in Indien an Fahrt aufnahm. Erst am 23. April wurde Indien auf die sogenannte Rote Liste gesetzt, nachdem Bangladesch und Pakistan bereits am 9. April auf der Liste landeten. Indien wurde die Einstufung anfangs aus politischen Gründen erspart.
“By Monday 19 July we will aim to have double jabbed two thirds of the adult population”
— BBC Breaking News (@BBCBreaking) June 14, 2021
UK PM Boris Johnson says “it is sensible to wait just a little longer” as he outlines delay to lifting further restrictions
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Auch nachdem Indien auf die Quarantäneliste gekommen war, durften Inder:innen noch nach Grossbritannien einreisen. Wer dort ankam, konnte die Quarantänezeit zu Hause im Kreise der Familie verbringen. Gute Voraussetzungen für Delta.
Die Früchte dürfen die Briten nun in Form einer Verschiebung des «Freedom-Days» ernten. Boris Johnson hat angekündigt, bis dahin das Impfprogramm nochmals beschleunigen zu wollen. Und gegen geimpfte Leute soll nach jetzigem Wissensstand auch Delta keine Chance haben.