Die St.Gallerin Simone Wenk (47) und ihr Appenzeller Mann Jürgen Lanker (50) leben seit 14 Jahren auf Mallorca. Im besonders bei Deutschen und Schweizern beliebten Badeort und Fischerdorf Cala Ratjada an der Ostküste besitzen die beiden zwei Restaurants – die «Heidi Schnitzelhütte», das edlere «Del Mar» – sowie das kleine Canyamar Beach Hotel. Meistens läuft bei ihnen Radio SRF1. «Ich bin keine typische Auswanderin. Ich habe der Schweiz nie den Rücken gekehrt», sagt die frühere Flight Attendant der Swissair.
Das Geschäft brummte, langsam konnte sich das Paar aus dem Tagesgeschäft zurückziehen und vermehrt das schöne Leben auf Mallorca geniessen. Dann schlug Corona mit voller Wucht zu. Kaum hat die Saison nun wieder angezogen, gibt es schon wieder Negativschlagzeilen.
Sauftouristen pfiffen in El Arenal auf die Corona-Regeln, die Regierung hat den Ballermann dichtgemacht. Das Image von Malle leidet einmal mehr. Wie sehr trifft dich das?
Simone Wenk: Die Leute, die ihr Hirn im Flieger lassen, sich wie Unzivilisierte verhalten, kaum betreten sie die Insel und bei uns einfach nur die Sau rauslassen, wollen wir einfach nicht mehr. Davon haben die Inselbewohner wirklich die Nase voll. Wir brauchen keine Sauftouristen. Aber es ist zum Glück schon viel besser geworden als früher. Wir haben viele Aktivurlauber wie Radfahrer, Golfer, Wanderer, Segler, Taucher, Kletterer wie auch Yogis und spirituell Suchende, welche die wunderschöne Insellandschaft schätzen. Über den Vorfall am Ballermann gibt es viele Gerüchte. Ich habe schon gehört, dass die Videos schon zwei Jahre alt seien. Ob das wirklich stimmt, weiss ich nicht. Aber es gibt auf Mallorca durchaus Leute, die die Grenzen wieder dichtmachen wollen, dies unter dem Motto «Mallorca gehört uns». Da muss man sich nicht wundern, denn die Einheimischen möchten auch während der Saison ruhig schlafen können. Ohne Angst zu haben, dass Besoffene randalieren.
Du lebst und arbeitest in Cala Ratjada, eine Stunde entfernt vom Ballermann, der grossen Hochburg der deutschen Urlauber. Wie sieht bei euch die Lage momentan aus?
Beginnen wir mit den positiven Dingen. Mallorca fühlt sich derzeit an wie zu Anfängen des Tourismus in den 60er-Jahren. Die Insel ist extrem sauber, an den Stränden hat es nur wenig Leute, das Wasser ist überall klar, die Saufgelage sind verschwunden. Stell dir vor: Am Strand findest du keinen einzigen Zigistummel. Und die Angestellten in den Restaurants tragen dich auf Händen. Sie verwöhnen die Gäste und sind froh, dass sie wieder zu tun haben. Als Urlauber ist es wohl der schönste Moment, den es je gegeben hat, die Insel zu besuchen. Das muss man ganz ehrlich sagen. Müssten wir uns keine Sorgen um das Geschäft machen, dann würden wir es einfach nur geniessen. Mallorca ist ein absoluter Traum gerade, und das mitten in der Hochsaison. Das wird man so wohl nicht nochmals erleben.
Was für die Touristen gut ist, hört sich schlecht für das Geschäft an.
Es ist schon heftig. Im Moment sind noch nicht einmal die Hälfte der Hotels offen. Jene, die Touristen empfangen, sind oftmals nur zu zwanzig Prozent belegt. Immerhin haben nun die meisten Boutiquen offen und es hat wieder mehr Touristen in den Gassen. Zwar sind alle Discos zu. Aber das Leben kehrt zurück. Nächste Woche wollen die meisten Hotels wieder öffnen.
Warum so zaghaft?
Weil man nicht weiss, ob die Touristen wirklich kommen. Man hört, dass dieses Jahr wohl viele im eigenen Land oder in Nachbarsländern ihren Urlaub verbringen wollen. Auch die Maskenpflicht hat viele Leute abgeschreckt. Das wird in den Medien total aufgebauscht. RTL hat jüngst einen Beitrag gesendet, wo Touristen mit Masken am Strand gezeigt werden. Das sind Fake-News, denn man muss an den Playas gar keine Maske tragen! Die deutschen Medien sind eine absolute Katastrophe und verbreiten vor allem gerne übertriebene, negative News, die oft so gar nicht stimmen.
Du und dein Mann besitzen zwei Restaurants und ein kleines Hotel. Kommt ihr über die Runden?
Es ist schon trist. Unser sonst so beliebtes Hotelito verzeichnet kaum Buchungen. Und das mitten in der Hochsaison. Wir haben mit den drei Geschäften hohe Fixkosten. Die Restaurants sind inzwischen wieder offen. Aber ob es sich wirklich rentiert, ist noch fraglich.
Ist die Saison überhaupt noch zu retten?
Die Saison kann man nicht mehr retten, dafür ist es einfach Mitte Juli schon viel zu spät. Man darf ja auch nicht vergessen, dass während der Saison März bis Oktober auch das Geld für den Winter reinfliessen muss, denn viele Betriebe sind nur in der Sommersaison geöffnet. Wir hoffen einfach, dass wir heuer trotz Corona mit einer schwarzen Null abschliessen können und so relativ glimpflich davon kommen werden. In den letzten Jahren haben wir sehr erfolgreich gewirtschaftet und sind froh, dass wir jetzt etwas auf der Seite haben.
Unterstützt euch der spanische Staat in dieser schwierigen Situation?
Ausser viel Blabla hat die Regierung für Selbständigerwerbende kaum was gemacht. Unsere Angestellten hingegen sind vorläufig abgesichert. Die bekommen einige hundert Euro für den Erwerbsausfall. Viele können nun erstmals den Sommer auf Mallorca geniessen, ohne arbeiten zu müssen. Einfach mit weniger Geld. Aber es gibt hier im Dorf auch viele, die keine Unterstützung erhalten haben. Die Schlange bei den Lebensmittelausgabestellen am Rathaus ist lange.
Was ist dein grösster Wunsch für den Rest des Jahres?
In so einer Krisensituation ändern sich die Wünsche komplett. Wir haben mit voller Wucht gemerkt, wie schnell unser Alltag, unsere Finanzen und unsere Gesundheit in Gefahr geraten sind. Natürlich wünschen wir uns, dass wir, unsere Familien und unser Personal gesund bleiben und dass es keine Covid-19 Fälle mehr gibt. Letztes Jahr haben wir unser Ziel erreicht. Wir lebten unseren Traum. Nach zehn Jahren harter Arbeit konnten wir endlich etwas ruhiger treten. Dann ist von einem Tag auf den anderen alles zusammengebrochen – ohne, dass wir etwas dagegen tun konnten. Nun versuchen wir, trotz der vielen Sorgen, die positiven Sachen zu sehen und das Beste daraus zu machen.
Jede Medaille hat bekanntlich zwei Seiten. Und so ist es auch mit dem Coronavirus. Es ist eine sehr mühsame, aber auch sehr lehrreiche Zeit.Und wenn ich noch was wünschen darf: Viele Mallorca-Lovers! Liebe Genussmenschen, kommt zu uns auf diese wunderschöne Insel und erlebt dieses kleine Paradies. Lasst euch von dem Virus oder der Maskenpflicht bitte nicht verunsichern. Wenn ihr nach Mallorca kommt, dann seid ihr hier wirklich sicher. Es war und ist alles unter Kontrolle. Das zeigen ja auch die Zahlen. Mallorca ist kaum betroffen, nicht mehr als bei einer normalen Grippe. Die Zahl der Todesfälle beträgt auf den gesamten Balearen insgesamt nur 228. Davon entfallen 89 auf Seniorenheime, wo es zurzeit keinen einzigen aktiven Fall mehr gibt. Die verschärfte Maskenpflicht ist nur zu unserem Schutz und unserer Sicherheit.
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