War Portugal noch glimpflich durch die erste Welle der Corona-Pandemie gekommen, wird es nun mit voller Wucht von der dritten Welle überrollt – noch bevor es sich richtig von der zweiten Welle erholen konnte, wie die Grafik zeigt.
Der Höhepunkt wurde am 28. Januar mit 16'432 Neuinfektionen an einem Tag gemeldet.
Auch die Todeszahlen schossen sprunghaft in die Höhe. Seit Beginn der Pandemie hat Portugal 13'000 Corona-Tote zu beklagen – fast die Hälfte davon stammen alleine vom Januar. Der Druck auf die Spitäler ist enorm.
Besonders dramatisch ist die Lage angesichts des überlasteten Gesundheitssystems. Eigentlich wenig überraschend, wie der Präsident der Gesellschaft für Innere Medizin, João Araújo Correia, sagt. Denn in den vergangenen zehn Jahren sei die Zahl der Krankenhausbetten «konstant reduziert» worden.
Nun stehen Krankenwagen vor den Spitälern in Lissabon und an der Algarve Schlange und warten darauf, neue Covid-19-Patienten einliefern zu können. Aufgrund des Platzmangels werden bereits Patienten in andere Spitäler ausgeflogen.
Der grösste Fehler lag wohl in der Lockerung von Corona-Beschränkungen kurz vor Weihnachten. Hinzu kommt eine relativ grosse portugiesische Auslandsgemeinde in Grossbritannien, die über die Festtage in ihr Heimatland zurückgekehrt war, um die Zeit mit ihren Familien zu verbringen. Für die Eskalation der rasanten Ausbreitung dürfte schliesslich die eingeführte britische Virusmutation B.1.1.7 verantwortlich gewesen sein.
Mitte Januar verhängte die portugiesische Regierung schliesslich einen strikten Lockdown. Seither sind auch die Schulen geschlossen, die meisten Angestellten befinden sich im Homeoffice und Flugverbindungen nach Grossbritannien und Brasilien, wo sich die ansteckenderen Varianten verbreiten, wurden gestrichen. Doch die Massnahmen kamen zu spät, weshalb Portugal die Situation nicht mehr alleine stemmen kann.
Die portugiesische Regierung sah sich gezwungen, internationale Hilfe anzufordern. Als erstes Land ist Deutschland dem Hilferuf gefolgt und hat die deutsche Bundeswehr mit einem Team von 26 Personen ausgesandt, welches gestern im Land eingetroffen ist. Mitgeschickt wurden auch Beatmungsgeräte und Krankenhausbetten.
Der österreichische Bundeskanzler Sebastian Kurz hat Portugal ebenfalls seine Unterstützung zugesichert:
Es ist ein Gebot der europäischen Solidarität, rasch und unbürokratisch zu helfen, um Menschenleben zu retten. 🇦🇹 hat bereits bisher in der Pandemie Intensivpatienten aus Frankreich, Italien sowie Montenegro aufgenommen und wird nun auch Intensivpatienten aus Portugal aufnehmen.
— Sebastian Kurz (@sebastiankurz) January 31, 2021
Wie die Boulevard-Zeitung Blick berichtet, habe Portugal auch bei der Schweiz nachgefragt, ob sie zur Aufnahme von Patienten bereit sei, was die Schweiz bejaht haben soll. Die offizielle Anfrage werde demnächst erwartet.
Die angeordneten Massnahmen von Mitte Januar scheinen langsam ihre Wirkung zu entfalten: Am Dienstag sank die Zahl der auf Intensivbetten liegenden Covid-Patienten erstmals seit langer Zeit wieder – wenn auch nur sehr gering von 865 auf 852.
Auch die Fallzahlen bewegen sich seit dieser Woche endlich wieder nach unten. Dennoch dürfte eine Entspannung der Lage erst Mitte Februar zu erwarten sein.