Der Handelskrieg zwischen den beiden Supermächten nimmt Fahrt auf. Das war absehbar. Aber was für Ziele verfolgt dabei der amerikanische Präsident? «Foreign Affairs», das wohl bedeutendste Magazin für geopolitische Themen, versucht, Antworten auf diese Fragen zu geben. Sie sind sehr widersprüchlich ausgefallen.
Nichts verbindet die Politik von Donald Trump mit seinem Vorgänger Joe Biden – ausser der Haltung gegenüber China. So lautet die gängige Meinung der zuständigen Experten. Beide, der Ex- und der Wieder-Präsident, sehen China als Erzrivalen der USA, den es gilt, in Schranken zu halten, wie dies einst im Kalten Krieg gegenüber der Sowjetunion der Fall war.
Nach 100 Tagen von Trump im Weissen Haus ist diese bisher als gesichert geltende These ins Wanken geraten. «Statt sich einen Wettkampf mit China und Russland zu liefern, will Trump jetzt mit ihnen zusammen arbeiten und will Deals mit ihnen abschliessen, die noch in seiner ersten Amtszeit als gegen die Interessen der USA gegolten hätten», stellt Stacie Goddard, Politologin am Wellesley College fest.
Goddard glaubt, dass der US-Präsident keinen Machtkampf zwischen den Supermächten will. «Trump strebt eine Welt an, die von Strongmen verwaltet wird, die sich gegenseitig absprechen und ihre Sicht einer globalen Ordnung durchsetzen. Das geschieht nicht immer harmonisch, aber immer zweckgerichtet», so Goddard.
Etwas salopp kann man auch sagen: So wie Mafia-Bosse ihre Reviere will Trump die Welt aufteilen. In dieser Welt haben die Grossen das Sagen und die Kleinen müssen kuschen. Deshalb hat der US-Präsident auch kein Verständnis für den Freiheitskampf der Ukrainer, aber sehr viel Empathie für den russischen Präsidenten. «Trump betrachtet Xi und Putin als ‹smarte und entschlossene› Führer, die ‹ihr Land lieben›», stellt Goddard fest. «Er betont, dass er mit ihnen auskommen kann und behandelt sie auf Augenhöhe.»
Für die Mafia-These spricht, dass Trump wie Xi und Putin der Wokeness und dem Islam den Kampf angesagt hat. Schon im Wahlkampf hat er mehrmals betont, dass der wahre Feind im Inneren zu suchen sei. Das Problem der Mafia-These liegt darin, dass der Rest der Welt nicht mitmachen wird. «Dank der von der Globalisierung geschaffenen wirtschaftlichen Abhängigkeiten dürfte es heute den Mächten sehr schwierig fallen, die Welt ordentlich aufzuteilen», so Goddard.
Niemand glaubt heute noch, dass China sich mit wachsendem Wohlstand in eine Demokratie nach westlichem Vorbild verwandeln wird. Denkbar ist jedoch, dass die harte Linie von Präsident Xi Jinping zumindest teilweise wieder revidiert wird und China sich zu einem gigantischen Singapur entwickelt. Vor zwei Jahrzehnten schien das Land ja in dieser Richtung unterwegs zu sein.
Einer, der eine solche Entwicklung für denkbar hält, ist Rana Mitter, Politologe an der Harvard Kennedy School. Er glaubt nicht, dass China Taiwan um jeden Preis wieder ins Reich eingliedern will, schon gar nicht mit militärischen Mitteln. «Ein solcher Krieg wäre ein Lose-Lose-Szenario für alle», stellt er fest. (…) Die Eroberung von Taiwan würde einen schweren Schlag für die chinesische Soft Power darstellen.»
Mit seinem rücksichtslosen Vorgehen gegen die ehemaligen Verbündeten hat Trump seinem Erzrivalen einen geopolitischen Steilpass offeriert. «China kann sein globales Ansehen unterfüttern, indem es sich auf Schlüsselthemen wie die grüne Transformation konzentriert», stellt Mitter fest. «Es kann sich so als Anführer präsentieren, und das in einer Zeit, in der sich die Vereinigten Staaten in die gegensätzliche Richtung entwickeln.»
Eine sanftere Version von China könnte so zu einer attraktiven Alternative zu den immer aggressiver werdenden USA werden. «Für den Westen wird es deutlich schwieriger werden, gegen ein China zu argumentieren, das sich ab 2040 als Schöpfer einer friedlichen Weltordnung präsentiert», so Mitter.
J.D. Vance mag die Chinesen noch als «Bauern» beschimpfen. Diese Sicht entspricht jedoch in keiner Weise mehr der Realität. So stellt etwa Erich Schmidt, der ehemalige CEO von Google, in einer Gastkolumne in der «New York Times» fest: «In einer Vielzahl von Technologien hat China mit den USA gleichgezogen, ja, ist gar teilweise im Vorsprung, vor allem auf dem Gebiet der künstlichen Intelligenz.»
Gleichzeitig hat China rund 1,4 Milliarden Einwohner, fast viermal so viel wie die USA. Und wie Kurt Campell und Rush Doshi in «Foreign Affairs» betonen: «Quantität ist ebenfalls eine Qualität.»
Mit seinen «reziproken Steuern» hat Trump nicht nur China bestraft, sondern auch die westlichen Verbündeten vor den Kopf gestossen. Für Campell und Doshi ist diese Politik unverständlich. Für sie kann Amerika längerfristig gegen China nur dann bestehen, wenn es ebenfalls Quantität vorweisen kann. Deshalb stellen sie fest:
«Washington kann nur dann Skaleneffekte erzielen, wenn es die bisherige Allianz von gemanagten Beziehungen in eine Plattform verwandelt, in der militärische, wirtschaftliche und technologische Kapazitäten gebündelt werden.»
Selbstverständlich kämpft auch China mit Problemen. Doch sie sind lösbar. Gemäss Campell und Doshi ist es daher eine Illusion, zu glauben, dass Chinas Position als Werkstatt der Welt in absehbarer Zeit kollabieren wird. «Deshalb wird Washington Verbündete und Partner in einem Ausmass brauchen, wie das bisher noch nie der Fall war.»
Die Voraussetzungen für eine solche Koalition gegen China sind vorhanden. Zusammen mit Europa, Australien, Kanada, Indien, Japan, Südkorea und Mexiko verfügen die USA über einen potenziellen Markt, der rund viermal grösser ist als der chinesische. Robert Lighthizer, einer von Trumps wirtschaftlichen Beratern in seiner ersten Amtszeit und ein harter China-Falke, hat sich deshalb für einen solchen Schutzwall gegen Peking eingesetzt.
Die aktuellen Einflüsterer im Weissen Haus hingegen lästern gegen das «woke» Europa und versuchen, die Partnerschaft von Russland und China zu sprengen, ein wohl aussichtsloses Unterfangen. «Die Vereinigten Staaten engagieren sich in einem kontraproduktiven diplomatischen Boxkampf und verschaffen so China die Möglichkeit, die Rolle des vernünftigen Partners zu spielen», so Campell/Dosh. «Washington täte besser daran, sich mit seinen Verbündeten zu versöhnen anstatt mit Gegnern, die von einem tiefen antiamerikanischen Ressentiment angetrieben sind.»
Das ist ja auch der blinde Fleck, von diesen Fachleuten aus den Wirtschafts- und Politikwissenschaften, wenn die das jeweils zu erklären versuchen: Deren Erklärungsansätze gehen grundsätzlich von plus/minus rationale Entscheidungen treffenden Individuen und/oder Institutionen aus. Aber weder das eine noch das andere trifft derzeit auf die USA zu.
Nicht weil es Sinn oder Vorteile für Amerika geben würde sondern weil Trump am liebsten Dikatator wäre was ja eigentlich nichts anderes ist als ein Mafia-Boss der über ein ganzes Land bestimmt.