Im Zusammenhang mit dem Fischsterben in der Oder hat Polens Wasserbehörde nach eigenen Angaben 282 Abwasserabflüsse ohne aktuelle wasserrechtliche Genehmigung entdeckt. Es werde derzeit geklärt, von wo aus diese Leitungen zur Oder gelegt wurden und wem sie gehören, sagte der designierte neue Chef der Wasserbehörde, Krzysztof Wos. In 57 Fällen sei bereits die Polizei informiert worden.
Zuvor hatte der Vorsitzende des Umweltausschusses im Brandenburger Landtag, Wolfgang Roick (SPD), entsprechende Angaben gefordert. «Was wir leider nicht haben und das ist durchaus ein Punkt, den wir verändern wollen, ist eine Übersicht oder ein Kataster über die Mengen, die in Polen – auch mit Genehmigung – eingeleitet werden», sagte er. «Bisher, was wir wissen, ist es so, dass ein Rückhaltebecken die Ursache durchaus sein kann.» Dieses sei geöffnet worden. Aus dem Becken sei dann Salz ausgetreten, das zu einem verstärktem Wachstum der Goldalge und zum Fischsterben beigetragen habe.
Roick sieht auch mögliche Defizite auf deutscher Seite. Es gehe darum zu prüfen, «ob es eine andere Art der Überwachung» geben müsse, sagte er. Die Frage sei, ob an der einen oder anderen Stelle im Landesumweltamt «nicht ausreichend Personal da war». Aus seiner Sicht hat die Behörde möglicherweise zu langsam reagiert.
Das Landesamt hatte laut Umweltministerium vom 7. zum 8. August Veränderungen in Frankfurt (Oder) unter anderem beim Sauerstoffgehalt festgestellt, von den Werten allein habe die Behörde aber nicht von einem Fischsterben ausgehen können. Nun sollen Warn- und Meldeketten überprüft werden.
Eine ganzheitliche Erklärung für das Fischsterben gibt es bislang nicht. Allein an zu hohen Salzgehalten könne es nicht liegen, sagte Brandenburgs Umweltminister Axel Vogel (Grüne). In den vergangenen zwei Jahren habe es regelmässig ähnlich hohe und höhere Werte in dem Fluss gegeben, ohne dass es zu solch einem Fischsterben gekommen sei, sagte er in einer Sondersitzung des Umweltausschusses. «Hinzu kamen diesmal ein extremes Niedrigwasser und extrem hohe Temperaturen», erläuterte der Minister.
In der Oder hätten über Wochen Temperaturen über 25 Grad geherrscht, sagte Vogel. Dies habe das Wachsen der Goldalge begünstigt. «Aber auch die Goldalge allein kann das Fischsterben nicht verursacht haben, dazu müssen weitere Faktoren kommen», meinte er. In der Oder gebe es noch mehr Stoffe, «die dort nicht hingehören». Vogel verwies dabei auf überhöhte Werte eines Pestizids, die über mehrere Tage nachgewiesen worden seien.
Er sprach von einer Umweltkatastrophe ungeahnten Ausmasses: «Ein Fischsterben, wie wir es noch nie hatten – zumindest seit 1989 – mit gigantischem Ausmass.» Allein in der Verbrennungsanlage der Raffinerie PCK Schwedt seien bereits 22 Tonnen Fischkadaver entsorgt worden, weitere 88 Tonnen seien dort zur Vernichtung angemeldet, sagte Vogel. In einer weiteren Anlage in Rüdersdorf seien bereits 8 Tonnen verbrannt worden, «und viele Tonnen toter Fisch sind noch gar nicht erfasst.» Die polnische Feuerwehr sprach am Dienstag von 202 Tonnen tote Fische, die aus der Oder geborgen worden seinen.
Auch aktuell sei das Wasser in der Oder für die Lebewesen noch nicht wieder in Ordnung, meinte der Minister. Bei Versuchen seien Wasserkrebse eingesetzt worden, die in kurzer Zeit tot gewesen seien. «Daran sehen wir, es gibt zumindest für Kleinlebewesen noch toxische Stoffe in der Oder», erklärte der Minister.
Nach Einschätzung von Berufsfischer könnte es zwei bis drei Jahre dauern, bis sich der Bestand erholt. Zu hoffen sei, dass hinter dem Fischsterben eine nur kurzfristig giftige Substanz stehe und sich diese nach und nach verdünne, sagte Lars Dettmann, Geschäftsführer des Landesfischereiverbands Brandenburg-Berlin. Dann könnte sich das Leben im Fluss erholen.
Hoffnungen, einem Fischsterben entgehen zu können, gibt es am Stettiner Haff in Mecklenburg-Vorpommern. «Die gute Nachricht ist, dass wir weiterhin keine toten Fische im Kleinen Haff haben», teilte Umweltminister Till Backhaus (SPD) am Dienstag mit. Auch die untersuchten Proben von frischem Fisch zeigten «keine Auffälligkeiten oder Schadstoffe». Er sei deshalb zuversichtlich, dass die vorsorgliche Empfehlung, Wasser aus dem Haff nicht zu nutzen und dort nicht zu baden, aufgehoben werden könne.
In der Oder wurden auf polnischer und deutscher Seite in den vergangenen Wochen massenhaft tote Fische entdeckt und eingesammelt. Auf deutscher Seite war das massive Fischsterben in der Oder am 9. August bekannt geworden. In Polen hatte es dagegen bereits Ende Juli erste Hinweise gegeben.
Die deutschen Behörden werfen der polnischen Seite vor, sie zu spät informiert und damit die Suche nach der Ursache erschwert zu haben. Polens Regierungschef Mateusz Morawiecki hatte nach Bekanntwerden der Umweltkatastrophe den bisherigen Chef der Wasserbehörde sowie den Leiter der Umweltbehörde entlassen.
Verwendete Quellen:
(dpa,AFP,t-online,sje)