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Andrew Tate und die «Manosphere»: SP-Wermuth will jungen Männern helfen

«Ein unlösbarer Konflikt» – SP-Wermuth sagt Tate-Fans und der «Manosphere» den Kampf an

Eine Recherche zeigt: Tausende junge Schweizer interessieren sich für die frauenverachtenden Männlichkeitsideale von Influencer Andrew Tate. SP-Co-Präsident Cédric Wermuth will gegen die sogenannte «Manosphere» vorgehen.
21.05.2025, 18:0021.05.2025, 21:47
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«Neulich habe ich mich mit einer Tussi unterhalten – story of my life. Natürlich hat sie nur Scheisse erzählt.»
«Schau dich im Spiegel an und entscheide, ob du ein verdammter Verlierer bist. (...) Wenn du ein Gewinner bist, ist es dir scheissegal, wie du dich fühlst. Arbeit muss erledigt werden.»
«Es ist unmöglich, dass eine Frau mehr Geld verdient als ich, wegen ihrer Lebenseinstellung. Ich erobere. Sie geniesst Momente und Erinnerungen. Sie will Freizeit, Urlaub, Zeit mit Freunden … Ich will Geld verdienen.»

Diese toxischen, frauenfeindlichen und vermeintlich längst überholten Männlichkeitsideale äussert Influencer Andrew Tate in seinen kostenpflichtigen Online-Kursen. Die Teilnehmer: grossmehrheitlich junge Männer. Zu Hunderttausenden schalten sie sich ein und lauschen den Worten des ehemaligen Kickboxers.

epa11980131 Former professional kickboxer and social media influencer Andrew Tate speaks with TV reporters after returning from a trip in the United States, in front of their property, in Bucharest, R ...
Influencer Andrew Tate.Bild: keystone

Tate, britisch-amerikanischer Doppelbürger, lebt gemeinsam mit seinem Bruder Tristan seit einiger Zeit in Rumänien. Das konservative Männerbild, das er seiner Gefolgschaft vermitteln will, ist das eine. Das andere: Die Ermittlungen, die seit Jahren gegen die Tates am laufen sind. Den Brüdern wird unter anderem Menschenhandel und Vergewaltigung vorgeworfen. Die beiden streiten alles ab.

Eine gross angelegte Recherche des Tages-Anzeigers zeigt nun: Auch Tausende Schweizer nehmen an den Online-Kursen von Andrew Tate teil. Im Zentrum dieser Kurse: eiserne Disziplin, Sport, Reichtum und Macht. Auch Erfolg versprechende Geschäftsmodelle wie Krypto werden präsentiert. Tate nennt sein Programm «The Real World University», die Kursleiter sind «Professors».

Das Netzwerk, in dem sich Tate und seine Nacheiferer aufhalten, hat den Namen Manosphere erhalten (übersetzt: Männer-Sphäre). Dieses besteht aus Websites, Blogs, Foren, YouTube-Kanälen und Social-Media-Gruppen. Dort drehen sich die Debatten um besagte Männlichkeitsideale, nehmen aber auch misogynen, radikalen, gewalttätigen und demokratiefeindlichen Charakter an.

Dieser Entwicklung will SP-Co-Präsident Cédric Wermuth nicht länger zuschauen. Er hat im Parlament einen Vorstoss mit dem Titel «Ausstieg aus der Manosphere erleichtern» eingereicht.

Massnahmen gegen Manosphere

Gegenüber watson sagt Wermuth: «Mir wurde in den vergangenen Monaten bewusst, wie weit diese Manosphere-Männlichkeitsvorstellungen in die Mitte der Gesellschaft vorgerückt sind.» Deswegen will Wermuth Massnahmen anregen, die jungen Männern beim Ausstieg aus der Manosphere helfen sollen.

Nationalrat Cedric Wermuth, SP-AG, und Co-Praesident SP Schweiz, spricht waehrend einer Medienkonferenz ueber den Start der Abstimmungskampagne gegen die Pensionskassen-Reform, am Dienstag, 2. Juli 20 ...
Cédric Wermuth zeigt sich gegenüber den Tendenzen der Manosphere besorgt.Bild: keystone

Konkret sollen niederschwellige Präventions- und Ausstiegsangebote geschaffen werden, die betroffenen Männern, aber auch ihren Angehörigen, zur Verfügung stehen. Wermuths Fokus richtet sich dabei vor allem auf die «digitale Sozialarbeit», welche auf junge Männer und deren Verhalten im Internet abzielt. «Im öffentlichen Raum wird die Jugendarbeit seit den 90er-Jahren in jeder Schweizer Gemeinde aufgebaut. Im Internet gibt es solche Angebote quasi nicht.»

Man wisse, wo die jungen Männer online unterwegs seien. Wo sie sich träfen und radikalisierten. Genau dort gelte es, diese Männer direkt anzusprechen, so Wermuth. Er betont:

«Natürlich kann die Schweiz die Probleme der Manosphere nicht allein angehen, doch irgendjemand muss ja anfangen.»

«Wenn ich Zucker esse, macht mich das manchmal fertig»

In der Recherche des Tages-Anzeigers kommen drei junge Männer zu Wort, die ihr Leben nach den Empfehlungen Tates gestalten. Ein Hochbauzeichner-Lehrling erzählt: «Ich stehe jeden Morgen um 5 Uhr auf, lese 15 Minuten in einem Buch über Mindset und Disziplin, gehe 30 Minuten joggen und um halb 8 zur Arbeit.»

Dabei bleibt es nicht. Nach der Arbeit schaut sich der 18-Jährige zwei Stunden Lektionen von Tate an und macht eine weitere Stunde Sport. Als Abschluss folgt kalt und warm duschen, dann liest der junge Mann Bücher über Ernährung und ein paar Seiten in der Bibel.

«Fuck vegetarians, that’s not real.»
Für Andrew Tate gehört Fleisch zu jeder Mahlzeit.

Dass diese Ideale junge Männer überfordern können, liegt auf der Hand. Ein anderer junger Schweizer (16) bestätigt: «Manchmal mag ich nach einem Arbeitstag nicht noch die Kurse absolvieren. Wenn ich keine Energie für eine weitere Lektion habe oder die Regeln breche und doch Zucker esse, dann macht mich das manchmal fertig.»

Im Internet teilen die Teilnehmer von Tates Lektionen, was sie sich im Leben alles verbieten: Alkohol, Drogen, Fernsehen, Pornos schauen, onanieren (nur Sex mit der Ehefrau).

Bier
Ein kühles Bier kommt für die Tate-Anhänger nicht infrage.Bild: Shutterstock

Mit Fragen der gewaltlegitimierenden Männlichkeit befasse er sich schon länger, sagt Wermuth. Die Wahl von Donald Trump im vergangenen November habe ihm jedoch gezeigt, welch gefährliche Kraft die Manosphere ausüben könne.

«Bei Trump war die Unterstützung aus der Manosphere zum ersten Mal so offen ein zentraler Faktor für politischen Erfolg in einem so wichtigen Amt. Diese Männlichkeitsbilder sind eng mit der rechten und konservativen Politik verbunden», sagt Wermuth. Tatsächlich hat eine Mehrheit der jungen Männer gemäss Nachwahlbefragungen für Donald Trump gestimmt.

Veraltete und neue Rollenbilder

Eine Frage bleibt: Wie ist es zu erklären, dass das konservative, frauenfeindliche Männerbild Tates auch bei jungen Männern in der Schweiz so gut ankommt? Dafür gebe es zwei Gründe, glaubt Wermuth.

Das eine sei der reale Aufstieg von Frauen in der Gesellschaft. Männer müssten Privilegien abgeben. «Männer verlieren zunehmend ihre Machtpositionen, das fühlt sich für einige offenbar als Rückschritt an. Die Manosphere ist die unschöne Antwort darauf.»

Das andere: Die Verunsicherung, die man bei jungen Männern feststelle. Wermuth führt aus:

«Die alten Rollenbilder sind nach wie vor da und werden von rechts genährt. Als Mann muss man der harte Macker, der Alleinverdiener sein, keine Emotionen zeigen. Das neue Männerbild verlangt von den Männern hingegen eine einfühlsame und emotionale Seite, es gilt, sich an der Care-Arbeit zu beteiligen. Und es fehlt an Vorbildern. Das ist ein unlösbarer Konflikt und in einer solchen Situation sind einfache Antworten, wie sie Tate anbietet, ein willkommenes und verheerendes Mittel.»

Bis im Herbst hat der Bundesrat Zeit, auf die Fragen in Wermuths Interpellation zu reagieren. Seinen Vorstoss sieht er als Ergänzung zum Bestreben seiner Partei, gegen Misogynie und geschlechtsspezifische Gewalt vorzugehen. «Die Aufgabe für Cis-Männer wie mich ist es, an einer eigenen, ernsthaften Emanzipationsbewegung gegen diese gewaltlegitimierenden Rollenbilder zu arbeiten.»

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358 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Opossum2
21.05.2025 23:51registriert Januar 2022
Wenn ich Ski fahren lernen will, suche ich jemanden, der gut Ski fahren kann, der es mir beibringt. Wenn ich mir Tipps holen will, wie man in die IT Branche kommt, frage ich Leute, die in der IT Branche erfolgreich sind. Wenn ich Familienvater in einer langfristigen Beziehung werden will, frage ich dagegen nicht Männer, die dies haben um Rat oder noch besser deren Frauen, sondern irgendwelche frustrierten Typen, die selbst das nicht erreicht haben, was ich mir wünsche. Logisch. Ist wie Fahrunterricht bei jemandem ohne Führerschein.
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WatSohn?
21.05.2025 22:42registriert Juni 2020
Auf die Empfehlungen dieses kriminellen Schwachkopfs fallen nur Männer mit einem unterirdischen Selbstwertgefühl und meist geringer Intelligenz herein. Männer, die sich in ihrer Rolle wohlfühlen, begegnen Frauen auf Augenhöhe und haben es nicht nötig, ihr Ego durch Machogehabe aufzupolieren.
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slash
21.05.2025 22:20registriert Januar 2014
Muss dieser Begriff jetzt wirklich Man(o)sphere heissen? Das verunglimpft einfach alle Männer. Kann man es einfachheitshalber nicht einfach Arschloch-Verhalten nennen?
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