Die Empörung in der ukrainischen Gemeinschaft in Deutschland könnte kaum grösser sein: Friedrich Merz, Bundesvorsitzender der CDU, hatte am Montagabend in einem Interview mit «BILD TV» über geflohene Ukrainer gesagt: «Wir erleben mittlerweile einen Sozialtourismus dieser Flüchtlinge: nach Deutschland, zurück in die Ukraine, nach Deutschland, zurück in die Ukraine.»
Mittlerweile hat er eine Art Entschuldigung hinterhergeschoben: Das Wort «Sozialtourismus» sei eine «unzutreffende Beschreibung eines in Einzelfällen zu beobachtenden Problems». Falls seine Wortwahl als verletzend wahrgenommen werde, bitte er um Vergebung, twitterte Merz.
Zu meinen Äußerungen von gestern über die Flüchtlinge aus der Ukraine gibt es viel Kritik. Ich bedaure die Verwendung des Wortes „Sozialtourismus“. Das war eine unzutreffende Beschreibung eines in Einzelfällen zu beobachtenden Problems. (1/3) (FM)
— Friedrich Merz (@_FriedrichMerz) September 27, 2022
Mein Hinweis galt ausschließlich der mangelnden Registrierung der Flüchtlinge. Mir lag und liegt es fern, die Flüchtlinge aus der Ukraine, die mit einem harten Schicksal konfrontiert sind, zu kritisieren. (2/3) (FM)
— Friedrich Merz (@_FriedrichMerz) September 27, 2022
Wenn meine Wortwahl als verletzend empfunden wird, dann bitte ich dafür in aller Form um Entschuldigung. (3/3) (FM)
— Friedrich Merz (@_FriedrichMerz) September 27, 2022
Aber der Schaden ist angerichtet. Auch wenn sich in Deutschland lebende Ukrainerinnen bemühen, sich möglichst diplomatisch zu äussern – ihre Verärgerung ist deutlich zu spüren. «Wir sind sehr enttäuscht und hätten so etwas nicht von der CDU erwartet», schreibt Krista-Marija Läbe t-online in einer Mail. «In unserer Heimat sterben jeden Tag so viele Menschen durch den Krieg, und Menschen werden vergewaltigt und gefoltert. In Zusammenhang mit diesem brutalen russischen Angriffskrieg von ,Sozialtourismus' zu sprechen, ist respektlos.»
Läbe ist Sprecherin des in Berlin ansässigen Vereins Vitsche, einer Vereinigung junger Ukrainer in Deutschland. Der Verein hat sich gegründet, um Proteste gegen den Krieg sowie Kultur- und Bildungsveranstaltungen zu organisieren. Ausserdem unterstützt er ukrainische Flüchtlinge und organisiert humanitäre Hilfe für das Land. «Wir hoffen, dass dies nur ein Ausrutscher war, Herr Merz seinen Fehler wirklich einsieht und von solchen Äusserungen Abstand nimmt», ergänzt Läbe.
Seit März dieses Jahres ist auch Aliona Rybak in Deutschland. t-online hatte sie bereits getroffen, als sie gerade am Berliner Hauptbahnhof angekommen war. Sie sagt, dass viele aus bürokratischen Gründen zurück in die Ukraine müssen – etwa, um wichtige Dokumente zu holen. «99 Prozent der Menschen kamen für ein paar Wochen nach Deutschland. Sie dachten nicht, dass der Krieg so lange dauern wird», sagt sie heute.
Rybak arbeitet mittlerweile in einem Kindergarten. «Um hier einen Job zu bekommen, musste ich mein Bildungszertifikat einreichen. Als ich aber nach Deutschland flüchtete, habe ich es natürlich nicht mitgenommen. Mein Mann konnte es mir schicken, aber viele Geflüchtete haben diese Möglichkeiten nicht und müssen selbst zurück.»
Angesicht von Schicksalen wie dem von Rybak und vielen anderen klingen Merz' Worte besonders bitter. «Ich hoffe, dass der Krieg bald aufhört und ich in meine Heimat zurückkehren und meinen Mann umarmen kann. An Tagen, an denen es mir emotional nicht gut geht, packe ich jeden Abend meinen Koffer. Aber ich verstehe, dass eine Heimkehr im Moment nicht möglich ist», erzählt die 39-Jährige t-online.
Dass Friedrich Merz einen schweren Fehler gemacht hat, stellt die politische Aktivistin Yelyzaveta Plitkova klar. Sie lebt seit fünf Jahren in Deutschland, studiert an der Freien Universität zu Berlin. «Ich hoffe, dass Herr Merz auch versteht, dass er mit seinen Aussagen ziemlich gut der russischen Propaganda dient, weil seine Worte auch ausserhalb von Deutschland gehört werden», sagt sie t-online.
Merz' Aussagen hätten sie sehr verletzt. «Es gibt keine Ukrainerinnen, die geflüchtet sind, weil sie darauf Lust hatten.» Die Reaktionen vieler Deutscher, die ihren Ärger über die Aussagen des CDU-Vorsitzenden geteilt hätten, haben sie aber gefreut.
Verwendete Quellen:
(t-online, kvw, mtt)
Erst mal faktenfrei Quatsch behaupten und Menschen beleidigen, die dem Grauen des Krieges entkommen sind.
Dann nicht dazu stehen und eine windelweiche "Entschuldigung" hinterherschieben.
Und der Maulheld wurde mal als potenzieller Kanzler gehandelt...