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Luxus, Muskeln, Terror: Das Doppelleben des Farhad N.

Farhad N. setzt sich als Bodybuilder in Szene: In den sozialen Netzwerken präsentierte er sich als Sportler und Luxus-Liebhaber.
Farhad N. setzt sich als Bodybuilder in Szene: In den sozialen Netzwerken präsentierte er sich als Sportler und Luxus-Liebhaber.bild: tiktok

Luxus, Muskeln, Terror: Das Doppelleben des Farhad N.

Erfolg auf der Bühne, Extremismus im Netz: Das Online-Leben von Farhad N. liefert wichtige Hinweise zu den Motiven seiner blutigen Tat in München.
14.02.2025, 11:1614.02.2025, 11:16
Ellen Ivits / t-online
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Ein Artikel von
t-online

Am Donnerstagmorgen raste ein Fahrer mit seinem Auto in eine Menschenmenge in München und verletzte dabei mindestens 30 Menschen, manche davon schwer. Der mutmassliche Täter ist ein Asylbewerber aus Afghanistan. Die Polizei nahm ihn noch am Tatort fest.

Der 24-jährige Farhad N. wurde nach übereinstimmenden Medienberichten im Januar 2001 in Kabul geboren. Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur kam der Tatverdächtige Ende 2016 nach Deutschland – wie rund 50'000 weitere Afghanen in jenem Jahr. Nach Informationen des «Spiegel» reiste er als unbegleiteter minderjähriger Flüchtling über das Mittelmeer und Italien in die Bundesrepublik ein. In München wurde er von einer evangelischen Jugendhilfeeinrichtung betreut.

Laut offiziellen Dokumenten stellte N. 2017 einen Asylantrag, der vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) abgelehnt wurde, da seine Angaben als nicht glaubwürdig eingestuft wurden. Nach Informationen des «Spiegels» klagte Farhad N. gegen die Ablehnung, wodurch sein Fall vor dem Verwaltungsgericht München unter dem Aktenzeichen M 25 K 17.48375 landete. Das Gericht benötigte jedoch drei Jahre, um eine Entscheidung zu treffen. Erst 2020 wurde die Ablehnung bestätigt, sodass N. ab Dezember desselben Jahres als «vollziehbar ausreisepflichtig» galt. Nach Informationen der «Bild»-Zeitung hatte N. auch in Italien einen Asylantrag gestellt.

250214 -- BEIJING, Feb. 14, 2025 -- A damaged car is pictured at the site of a car-ramming incident in Munich, Germany, Feb. 13, 2025. At least 28 people, including children, were injured after a car  ...
Der demolierte Wagen von Farhad N.Bild: www.imago-images.de

«Aufenthalt des Täters absolut rechtmässig»

Ob in dieser Zeit konkrete Versuche unternommen wurden, N. abzuschieben, ist nicht bekannt. Mit der Machtübernahme der Taliban im Sommer 2021 setzte die Bundesrepublik alle Abschiebungen nach Afghanistan aus. Bereits wenige Monate zuvor hatte N. eine sogenannte Duldung erhalten, die ihm erlaubte, in Deutschland zu bleiben. Später folgte eine Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis. Zum Zeitpunkt des Anschlags lebte er in einer Mehrfamilienhaussiedlung im Münchner Süden.

Nach Aussagen des bayerischen Innenministers Herrmann war der Mann bis zum vergangenen Donnerstag nicht straffällig geworden und auch nicht ausreisepflichtig. Der 24-Jährige habe einen gültigen Aufenthaltstitel und eine Arbeitserlaubnis. «Damit war der Aufenthalt des Täters bis zum heutigen Tage nach gegenwärtigem Erkenntnisstand absolut rechtmässig», sagte Herrmann der Deutschen Presse-Agentur.

Farhad N. soll «Allahu Akbar» gerufen haben

Ermittlungsbehörden zufolge wurde N. im Jahr 2021 zweimal sicherheitsrechtlich befragt. Die Hintergründe dieser Befragungen sind bislang unklar, da sie unterschiedliche Gründe haben können. Eine Befragung kann etwa dann stattfinden, wenn ein Asylbewerber Verbindungen zu terroristischen Organisationen verheimlicht hat. Aber auch, wenn ein Asylbewerber seine vorherigen Aufenthalte in Deutschland oder einem anderen Land verschwiegen hat. Was der Grund für die Gespräche mit N. war, worum es ging und wozu sie führten, ist bislang nicht bekannt, schreibt der «Spiegel».

Der Moment, als Farhad N. festgenommen wird.
Der Moment, als Farhad N. festgenommen wird.bild: screenshot x

Nach der Tat in München sprach Ministerpräsident Markus Söder von einem «mutmasslichen Anschlag». Sicherheitskreise berichten, dass N. vor der Tat islamistische Inhalte im Internet verbreitet haben soll. Ein Zeuge gibt an, dass er bei seiner Festnahme «Allahu Akbar» gerufen habe. Die Ermittler sehen hierin mögliche Hinweise auf eine extremistische Motivation, wie sie t-online bestätigten. Die Behörden betonen jedoch, dass die genaue Tatmotivation noch untersucht werde.

Zwischen Bodybuildeing und Luxusprahlerei

In Deutschland führte N. ein öffentliches Leben als aufstrebender Bodybuilder. Er nahm an mehreren Wettbewerben teil und präsentierte sich in den sozialen Netzwerken: 68'000 Menschen folgten ihm auf Instagram, 32'800 auf TikTok. Dort prahlte er mit Luxusgütern und sportlichen Erfolgen. Mal posierte er in teurer Kleidung vor einer Ralph-Lauren-Boutique, mal zeigte er einen Porsche. Auf einer Aufnahme trägt er ein T-Shirt mit einer goldenen Schrift «Dior». Ein anderes Foto zeigt ihn auf der Motorhaube eines weissen Mini Cooper. Das Auto sieht aus wie der Wagen, mit dem N. am Donnerstag in die Menschenmenge fuhr.

Farhad N. posiert mit einem Mini Cooper: Mit so einem Auto verübte er offenbar einen Anschlag in München.
Farhad N. posiert mit einem Mini Cooper: Mit so einem Auto verübte er offenbar einen Anschlag in München.bild: instagram

Nach der Tat in München wurden seine Accounts gelöscht. Doch was einmal im Internet ist, bleibt bekanntlich im Internet.

2024 gewann er offenbar einen deutschen Wettbewerb im Bodybuilding und posierte dort mit einer schwarz-rot-goldenen Fahne. Im Mai vergangenen Jahres trat er als Junior bei einer deutschen Amateur-Bodybuilder-Meisterschaft an, im Oktober wurde er bei einem Wettbewerb Fünfter in der Rubrik «Men's Physique», meldet der «Spiegel».

Letzter Post: «Oh Allah, beschütze uns immer»

Meistens schrieb er jedoch auf Dari und postete afghanische Flaggen. Am vergangenen Mittwoch, einen Tag vor der Tat, veröffentlichte er seinen vorerst letzten Post. Auf Arabisch schrieb er: «Oh Allah, beschütze uns immer», versehen mit dem Emoji der Kaaba, dem islamischen Heiligtum.

Sein Instagram-Profil selbst verriet wenig über seine Ideologie. Auffällig hingegen war die Liste der Accounts, denen er folgte. Über 900 Seiten und Profile hatte N. dort abonniert, ein Grossteil davon mit islamischen Inhalten. Unter diesen befanden sich sowohl bekannte islamistische Prediger als auch Seiten von Organisationen, die regelmässig Koran-Suren veröffentlichten. Eine dieser Seiten gab an, keine Direktnachrichten von weiblichen Followern zu beantworten.

Auch sein TikTok-Profil zeigte ein widersprüchliches Bild. Während er dort vor allem Fotos und Videos aus dem Fitnessstudio und von sich posierend vor teuren Autos teilte, ergab sich aus seinen reposteten Beiträgen eine andere Darstellung seiner Persönlichkeit. Es sind fast ausschliesslich islamistische Inhalte, teils auf Farsi und Arabisch, teils auf Deutsch. «Alles, was du verloren hast, wird Allah mit etwas Schönerem ersetzen», ist auf einem reposteten Bild von N. zu lesen.

Auf TikTok posiert Farhad N. gerne vor dem Hintergrund von Luxus-Autos.
Auf TikTok posiert Farhad N. gerne vor dem Hintergrund von Luxus-Autos.bild: tiktok

Religiöse Worte über den Tod kurz vor der Tat in München

Weniger als 24 Stunden vor der Tat teilte er ein Video, in dem er sich mit dem Thema Tod befasst haben soll, berichtet die «Bild». Laut einer der Zeitung vorliegenden Übersetzung beschreibt diese Ansprache u. a. den Schutz, den eine verstorbene Person in ihrem Grab durch ihre guten Taten im Leben erhalte. «Wenn sich die Qual dem Verstorbenen aus irgendeiner Richtung nähert, stehen seine Gebete von oben Wache und erklären, dass es nicht erlaubt ist, aus dieser Richtung zu kommen.» Und weiter: «Allah sagte: 'Wenn ein gläubiger, frommer oder fleissiger Diener ins Grab gelegt wird, wird ein Gebet über seinem Kopf gesprochen.'»

Die Polizei setzt die Untersuchungen fort und wertet sowohl digitale als auch physische Beweismittel aus. Die genaue Tatmotivation und mögliche Verbindungen zu extremistischen Netzwerken sind Gegenstand der laufenden Ermittlungen.

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Anschlag in München
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Anschlag in München
Rettungskräfte am Tatort, nachdem ein Auto in eine Gruppe von Teilnehmern einer Demonstration der Gewerkschaft Verdi in München, Deutschland, gefahren wurde.
quelle: keystone / vifogra / paul
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Video zeigt Festnahme des mutmasslichen Täters in München
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39 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Jimmy Dean
14.02.2025 12:22registriert Juli 2015
"Das Gericht benötigte jedoch drei Jahre, um eine Entscheidung zu treffen."
Das ist eben das Hauptproblem. Klar, in der Schweiz läuft es nicht optimal, aber wenn ich mit Geflüchteten in der Schweiz spreche (mehrheitlich Syrien & Afghanistan) dann erzählen sie mir Geschichten von ihren Bekannten in DE, die z.T. jahrelang auf einen Aufenthaltsbescheid warten & in dieser Zeit kaum Begleitung & Betreuung bekommen.

Die Behörden sind überfordert mit der Menge an Asylsuchenden & wir schulden es der eigenen Bevölkerung aber auch den berechtigten Asylsuchenden, dieses Chaos in den Griff zu bekommen!
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Lordkanzler-von-Kensington
14.02.2025 19:29registriert September 2020
Diese Form des Machotums plus diese Religion ergibt nichts Gutes.
Die Vorurteile werden von der Realität noch überholt.
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    Elon Musk veröffentlicht Drogentest-Ergebnis – Zweifel bleiben
    Elon Musk hat die Ergebnisse eines freiwilligen Drogentests veröffentlicht. Weiterhin bleiben jedoch Zweifel bestehen.

    Elon Musk sah sich in den vergangenen Wochen zunehmend dem Vorwurf ausgesetzt, übermässig Drogen zu konsumieren. Nun hat der Tech-Milliardär reagiert und die Ergebnisse eines freiwilligen Drogentests auf seiner Online-Plattform X veröffentlicht. Zuvor hatte unter anderem die «New York Times» unter Berufung auf anonyme Quellen berichtet, Musk habe in der Vergangenheit angeblich «weitaus intensiver» auch harte Drogen wie Ketamin oder MDMA konsumiert, als bisher bekannt war.

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