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Spurensuche im Blut: Mann will 30 Jahre nach Mord Unschuld beweisen

Spurensuche im Blut: Mann will 30 Jahre nach Mord Unschuld beweisen

16.12.2021, 08:55
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Omar Raddad
Omar RaddadBild: Keystone

Drei Jahrzehnte nach einem der spektakulärsten Mordfälle Frankreichs hat der längst begnadigte Täter einen erneuten Anlauf unternommen, damit ein Gericht seine Unschuld feststellt. An diesem Donnerstag will das Revisionsgericht in Paris entscheiden, ob der Fall von Omar Raddad (59), der seit Jahren Schlagzeilen macht, erneut untersucht oder aufgerollt wird.

Als im Juni 1991 die blutüberströmte Leiche der reichen Witwe Ghislaine Marchal (65) im Heizkeller ihrer Villa an der Côte d'Azur gefunden wurde, stand mit Blut an der weiss getünchten Kellertür geschrieben: «Omar hat mich getötet». Die Polizei brauchte nicht lange zu suchen. Omar Raddad, der marokkanische Gärtner, wurde vier Tage danach festgenommen und später wegen Mordes verurteilt. Sein Anwalt sprach von einem Justizirrtum und schweren Ermittlungsfehlern.

Zwar stammte das Blut der Aufschrift tatsächlich von der Toten - doch ist unbewiesen, ob sie den Satz auch selbst geschrieben hat. Ferner ergaben spätere Blutuntersuchungen, dass ein anderer Mann als Raddad zur Tatzeit im Keller gewesen sein muss: Neben dem Blut der Witwe wurden auf der Tür fremde Blutspuren gefunden. Auch das Tatmotiv, die Schulden des Gärtners, überzeugten den Anwalt nicht.

Raddad wies bei seiner Festnahme keine Verletzungen auf. An seiner Kleidung wurden keine Blutspuren der Frau festgestellt. Weil die Familie die Leiche der Witwe ungewöhnlich rasch einäschern liess, war jede spätere Spurensuche unmöglich.

Ungeklärt blieb, warum die Fingernägel der Toten nicht auf Blutspuren untersucht wurden. So hätte bewiesen werden können, dass die Frau tatsächlich den anklagenden Satz geschrieben hatte. Und völlig unklar blieb ebenfalls, wie die durch Messerstiche verwundete Frau vor ihrem Tod die Kraft fand, mit dem eigenen Blut die Worte an die Tür zu schreiben.

Der damalige Präsident Jacques Chirac erliess Raddad als Begnadigung einen Teil der Haft, der Marokkaner kam 1998 nach über sieben Jahren Haft auf freien Fuss. Ein erster Anlauf zur Wiederaufnahme scheiterte 2002.

Nun stützt seine aktuelle Anwältin sich auf eine erneute Auswertung der Blutspuren, bei der DNA-Material von vier Männern nachgewiesen wurde. Und dieses war demnach während der Tat dort hingelangt und nicht nachträglich, etwa durch die am Tatort eingesetzten Fahnder. (aeg/sda/dpa)

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