Der belarussische Machthaber Alexander Lukaschenko hat die Bildung einer gemeinsamen regionalen Militäreinheit der Streitkräfte seines Landes mit der russischen Armee angekündigt. Dies habe er mit Russlands Präsident Wladimir Putin beim informellen Gipfel der Staatschefs der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS) in Sankt Petersburg vereinbart, sagte Lukaschenko am Montag nach Angaben der Staatsagentur Belta.
«Die Basis dieser Einheit sind die Streitkräfte der Republik Belarus.» Grund für den Schritt seien die wachsenden Spannungen an der Grenze zur Ukraine, sagte der 68-Jährige weiter. Über inoffizielle Kanäle habe er erfahren, dass die Ukraine Angriffe auf das Territorium von Belarus plane. Man müsse daher darüber nachdenken, wie sich die Sicherheit des Landes erhöhen lasse.
Kremlsprecher Dmitri Peskow sagte dazu lediglich, Putin und Lukaschenko diskutierten in ihren bilateralen Gesprächen ständig über eine Vielzahl von Bereichen, dazu gehöre auch das Thema Verteidigung. Dies sei in der Militärdroktin des Unionsstaates vorgesehen, den beide Länder bilden.
Der Experte für Internationale Politik Carlo Masala schrieb in einer ersten Reaktion auf Twitter, diese Nachricht sei seit Kriegsausbruch immer wieder angekündigt worden. Umgesetzt worden sei der Schritt bislang jedoch noch nicht. Masala zufolge stelle der Schritt für Lukaschenko ein Risiko dar, da es weder im Militär noch in der belarussischen Bevölkerung grosse Sympathien für eine Beteiligung belarussischer Streitkräfte gebe.
Seit Februar immer wieder angekündigt, bislang nicht passiert. Vielleicht ändert sich das. Für Lukashenka hoch riskant, da es wohl weder im Militär und schon gar nicht in der Bevölkerung große Sympathien dafür gibt1 https://t.co/rUieeZjdq1
— Carlo "Realism, Gedankenfetzen, and Rants" Masala (@CarloMasala1) October 10, 2022
Ähnlich kommentierte der belarussische Journalist Tadeusz Giczan, Fellow am Center for European Policy Analysis (CEPA), die Ankündigung Lukaschenkos. Derzeit spreche viel dafür, dass es sich dabei um eine weitere «laute» Aussage Lukaschenkos «ohne wirkliche Substanz» handele. Denn die Ansprache des Diktators habe als einzig konkreten Inhalt lediglich die Aussage umfasst, «dass nicht viele, aber mehr als tausend russische Truppen nach Belarus» entsandt würden.
Der Sicherheitsexperte Franz-Stefan Gady analysiert den Nutzen der belarussischen Armee für den Kreml als eine «Macht im Sein». Ihm zufolge hätten sich die Truppen Lukaschenkos für Putin weniger zu einer veritablen Kampfkraft entwickelt, die es auf dem Schlachtfeld einzusetzen gelte. Vielmehr würde die Bedrohung durch einen möglichen Angriff aus dem Norden ukrainische Kräfte entlang der belarussischen Grenze binden.
Der auch als «letzter Diktator Europas» bezeichnete Lukaschenko hatte stets erklärt, sich nicht in den Krieg hineinziehen lassen zu wollen. Zugleich schloss er das angesichts der Lage nicht aus. Bislang hatte der belarussische Diktator russischen Truppen lediglich die Nutzung militärischer Stützpunkte in Belarus gewährt. In der Vergangenheit haben belarussische und russische Streitkräfte zudem Grossübungen und Manöver abgehalten. Aus Sicht der Ukraine ist Belarus bereits Kriegspartei.