Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban, Frankreichs ultrarechter Ex-Präsidentschaftskandidat Eric Zemmour, Brexit-Vorkämpfer Nigel Farage und Deutschlands ehemaliger Chef des Verfassungsschutzes Hans-Georg Maassen: Es hätte eine hochkarätige Konferenz rechter und radikal-rechter Kreise werden sollen in Brüssel, organisiert von der konservativen Denkfabrik «Edmund Burke Foundation».
Doch kurz bevor die Veranstaltung am Mittwoch starten konnte, überschlugen sich die Ereignisse. Nachdem die Organisatoren innert 48 Stunden schon zweimal eine neue Lokalität suchen mussten, weil ihnen die Eigner kurzfristig das Gastrecht entzogen, fanden sie sich schliesslich in einer eher schmuddelige Ecke Brüssels wieder - in unmittelbarer Nachbarschaft eines Sex-Clubs.
Aber auch hier waren Europas Rechte nicht sicher: Knapp zwei Stunden nach Konferenzstart, als gerade Nigel Farage auf der Bühne stand und Anekdoten aus seiner Zeit als EU-Parlamentarier zum Besten gab, fuhr die Polizei auf und teilte mit: Fertig. Der Bürgermeister der Gemeinde Saint Josse verbiete die Veranstaltung. Als Begründung nannte er die Gefährdung der öffentlichen Ordnung, da linke Organisatoren eine Protestkundgebung angekündigt hätten und man die Sicherheit nicht garantieren könne. Ausserdem würden sich unter den Teilnehmern Personen befinden, die rassistische und homophobe Positionen vertreten würden.
Auf Twitter schrieb der sozialdemokratische Politiker Emir Kir, die Rechtsextremen seien in seiner Gemeinde «nicht willkommen».
J'ai pris un arrêté du Bourgmestre pour interdire l'événement "National Conservatism Conference" pour garantir la sécurité publique.
— Emir KIR (@emir_kir) April 16, 2024
A Etterbeek, à Bruxelles Ville et à Saint-Josse, l'extrême-droite n'est pas la bienvenue.
Bei den Organisatoren breitete sich daraufhin Verzweiflung aus. Ein Skandal monströsen Ausmasses sei es, was sich die Behörden da erlaubten. Anthony Gilland vom Brüsseler Organisationsteam sprach gegenüber Journalisten vom «offensichtlich politisch motivierten Versuch», die Veranstaltung zu canceln und die Meinungsfreiheit einzuschränken. Auf der Bühne schlug Nigel Farage in dieselbe Kerbe. Es zeige sich, wie intolerant die Europäische Union geworden sei: «Das ist es, wogegen wir ankämpfen. Es geht gegen eine böse Ideologie, eine neue Form des Kommunismus», so Farage.
Die nachfolgenden Reden und Paneldiskussionen, sei es zur vermeintlichen Überlegenheit der westlichen Zivilisation oder den sinkenden Geburtenrate im Westen gerieten ob der ganzen Aufregung über den Polizeieinsatz schnell zur Nebensache. Stattdessen ging es ums Prinzipielle: Sich gegen den Zensurversuch der «liberalen Eliten» aufzulehnen. Ein Steilpass für die National-Konservativen.
Draussen war es den Polizisten aber anscheinend auch nicht mehr ganz wohl beim Versuch, die Konferenz dichtzumachen. Jedenfalls verzichtete man schlussendlich darauf, die Besucher aus dem Gebäude zu beordern, sondern begnügte sich damit, keine weiteren Teilnehmer mehr reinzulassen. Das traf auch Eric Zemmour, der seinen Auftritt nicht wie geplant abhalten konnte und unverrichteter Dinge wieder abzog.
Gleichzeitig hatte die Polizei-Blockade zur Folge, dass sich vor dem Veranstaltungsort immer mehr Journalisten und TV-Kameras aufbauten und über die Geschehnisse berichteten. Drinnen sendeten die Reporter live von den Verhandlungen zwischen der Polizei und den Veranstaltern. Im Endeffekt erreichte die Konferenz auf diesem Weg so viel mehr Publizität, als sich die Organisatoren in ihren kühnsten Träumen wohl ausgerechnet hätten.
Ob sich das Spektakel auch am zweiten Tag fortsetzen wird, wenn die Rede von Star-Gast Viktor Orban ansteht, ist ungewiss. Dass ein Brüsseler Bürgermeister einem amtierenden EU-Staats- und Regierungschef den Auftritt verbietet, scheint aber zumindest schwer vorstellbar. (aargauerzeitung.ch)