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Brüssel: Die Konferenz der Ultrarechten wird gecancelt und so zum Erfolg

Wie in Brüssel die Konferenz der Ultrarechten gecancelt und so erst recht zum Erfolg wurde

Dreimal musste sich die Konferenz der «National-Konservativen» einen neuen Veranstaltungsort in Brüssel suchen, weil ihr kurzfristig das Gastrecht entzogen wurde. Bessere Schlagzeilen konnten sich die Organisatoren nicht wünschen.
16.04.2024, 18:0817.04.2024, 15:10
Remo Hess, Brüssel / ch media
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Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban, Frankreichs ultrarechter Ex-Präsidentschaftskandidat Eric Zemmour, Brexit-Vorkämpfer Nigel Farage und Deutschlands ehemaliger Chef des Verfassungsschutzes Hans-Georg Maassen: Es hätte eine hochkarätige Konferenz rechter und radikal-rechter Kreise werden sollen in Brüssel, organisiert von der konservativen Denkfabrik «Edmund Burke Foundation».

Former MEP and Honorary President of the Reform UK party Nigel Farage, right, arrives for the National Conservatism conference in Brussels, Tuesday, April 16, 2024. (AP Photo/Virginia Mayo)
In bester Laune: Nigel Farage, Brexit-Vorkämpfer, ist zurück in Brüssel.Bild: keystone

Doch kurz bevor die Veranstaltung am Mittwoch starten konnte, überschlugen sich die Ereignisse. Nachdem die Organisatoren innert 48 Stunden schon zweimal eine neue Lokalität suchen mussten, weil ihnen die Eigner kurzfristig das Gastrecht entzogen, fanden sie sich schliesslich in einer eher schmuddelige Ecke Brüssels wieder - in unmittelbarer Nachbarschaft eines Sex-Clubs.

Aber auch hier waren Europas Rechte nicht sicher: Knapp zwei Stunden nach Konferenzstart, als gerade Nigel Farage auf der Bühne stand und Anekdoten aus seiner Zeit als EU-Parlamentarier zum Besten gab, fuhr die Polizei auf und teilte mit: Fertig. Der Bürgermeister der Gemeinde Saint Josse verbiete die Veranstaltung. Als Begründung nannte er die Gefährdung der öffentlichen Ordnung, da linke Organisatoren eine Protestkundgebung angekündigt hätten und man die Sicherheit nicht garantieren könne. Ausserdem würden sich unter den Teilnehmern Personen befinden, die rassistische und homophobe Positionen vertreten würden.

Anthony Gilland in Brüssel
Kann den Shutdown nicht verstehen: Konferenz-Organisator Anthony Gilland verhandelt mit der Polizei.Bild: CH Media/rh

Auf Twitter schrieb der sozialdemokratische Politiker Emir Kir, die Rechtsextremen seien in seiner Gemeinde «nicht willkommen».

Bei den Organisatoren breitete sich daraufhin Verzweiflung aus. Ein Skandal monströsen Ausmasses sei es, was sich die Behörden da erlaubten. Anthony Gilland vom Brüsseler Organisationsteam sprach gegenüber Journalisten vom «offensichtlich politisch motivierten Versuch», die Veranstaltung zu canceln und die Meinungsfreiheit einzuschränken. Auf der Bühne schlug Nigel Farage in dieselbe Kerbe. Es zeige sich, wie intolerant die Europäische Union geworden sei: «Das ist es, wogegen wir ankämpfen. Es geht gegen eine böse Ideologie, eine neue Form des Kommunismus», so Farage.

Polizei-Chaos beschert der Konferenz so viel Aufmerksamkeit wie möglich

Die nachfolgenden Reden und Paneldiskussionen, sei es zur vermeintlichen Überlegenheit der westlichen Zivilisation oder den sinkenden Geburtenrate im Westen gerieten ob der ganzen Aufregung über den Polizeieinsatz schnell zur Nebensache. Stattdessen ging es ums Prinzipielle: Sich gegen den Zensurversuch der «liberalen Eliten» aufzulehnen. Ein Steilpass für die National-Konservativen.

Ultrarechts Konferenz Brüssel
Hier kommt keiner mehr rein: Polizisten blockieren den Eingang zur Konferenz.Bild: CH Media rh

Draussen war es den Polizisten aber anscheinend auch nicht mehr ganz wohl beim Versuch, die Konferenz dichtzumachen. Jedenfalls verzichtete man schlussendlich darauf, die Besucher aus dem Gebäude zu beordern, sondern begnügte sich damit, keine weiteren Teilnehmer mehr reinzulassen. Das traf auch Eric Zemmour, der seinen Auftritt nicht wie geplant abhalten konnte und unverrichteter Dinge wieder abzog.

Gleichzeitig hatte die Polizei-Blockade zur Folge, dass sich vor dem Veranstaltungsort immer mehr Journalisten und TV-Kameras aufbauten und über die Geschehnisse berichteten. Drinnen sendeten die Reporter live von den Verhandlungen zwischen der Polizei und den Veranstaltern. Im Endeffekt erreichte die Konferenz auf diesem Weg so viel mehr Publizität, als sich die Organisatoren in ihren kühnsten Träumen wohl ausgerechnet hätten.

Ob sich das Spektakel auch am zweiten Tag fortsetzen wird, wenn die Rede von Star-Gast Viktor Orban ansteht, ist ungewiss. Dass ein Brüsseler Bürgermeister einem amtierenden EU-Staats- und Regierungschef den Auftritt verbietet, scheint aber zumindest schwer vorstellbar. (aargauerzeitung.ch)

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59 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Hamudi Dudi
16.04.2024 19:09registriert September 2019
Unabhängig vom Inhalt der Veranstaltung finde ich es beschämend, dass Veranstaltungen abgesagt oder verschoben werden müssen, weil die Sicherheit nicht gewährleistet werden kann. So müssten die Gegner jeweils einfach eine möglichst grosse Drohkulisse aufbauen und der Rest erledigt sich von alleine.
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In vino veritas
16.04.2024 19:42registriert August 2018
Das muss eine Demokratie aushalten, ansonsten ist sie es nicht wert Demokratie genannt zu werden. Zudem könnten sich die anderen Parteien ja erbarmen und die Themen der Rechten (z.B. Migration) endlich angehen. Dir Rechten hätten nur halb so viele Stimmen!
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DerTaran
16.04.2024 22:42registriert Oktober 2015
Nigel Farage und Hans-Georg Maassen sind deutlich rechter als mir lieb ist, aber ich würde sie noch nicht als Rechtsradikal bezeichnen. Das müssen Demokratien und die Meinungsfreiheit aushalten.
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