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Brüssel: Nato feiert ihr 75-jähriges Bestehen

Nato feiert ihr 75-jähriges Bestehen – und Russland klagt an

04.04.2024, 16:34
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epa11258698 NATO Secretary-General Jens Stoltenberg chairs the NATO Ukraine Council during a North Atlantic Treaty Organisation (NATO) Foreign Affairs Ministers meeting in Brussels, Belgium, 04 April  ...
Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg während den Feierlichkeiten in brüssel.Bild: keystone

Im Schatten des russischen Angriffskrieges in der Ukraine und begleitet von Vorwürfen Moskaus hat die Nato ihr 75-jähriges Bestehen gefeiert. Die Aussenminister der 32 Alliierten schworen sich dabei am Donnerstag auf die Fortsetzung der gemeinsamen Verteidigung und Abschreckung gegen Russland ein.

«Am Anfang hatten wir 12 Mitglieder. Heute sind wir 32. Wir müssen also etwas richtig machen.»
Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg(sda/dpa)

Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg bezeichnete das Bündnis als «das stärkste, beständigste und erfolgreichste» der Geschichte. «Am Anfang hatten wir 12 Mitglieder. Heute sind wir 32. Wir müssen also etwas richtig machen», sagte er.

Für die Zeremonie im Brüsseler Hauptquartier der Allianz war extra der normalerweise im US-Aussenministerium in Washington verwahrte Gründungsvertrag der Nato eingeflogen worden. «Noch nie hat ein einziges Dokument mit so wenigen Worten so vielen Menschen so viel bedeutet», sagte Stoltenberg mit Blick auf den nur 14 Artikel umfassenden Vertrag. Das feierliche Versprechen zusammenstehen und sich gegenseitig zu beschützen, garantiere Wohlstand, Sicherheit und Frieden.

Krieg in Osteuropa dämpft Feierstimmung

Überschattet wurde die Feier von dem anhaltenden russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine und Sorgen wegen einer möglichen Rückkehr von Donald Trump ins US-Präsidentenamt. Die deutsche Aussenministerin Annalena Baerbock mahnte in diesem Zusammenhang, die Unterstützung der ukrainischen Streitkräfte entschlossen fortzusetzen.

«Wenn die Ukraine sich nicht weiter verteidigen kann, dann droht der russische Angriffskrieg weiter Richtung europäische Grenzen zu kommen.»
Deutschlands Aussenministerin Annalena Baerbock(sda/dpa)

«Wenn die Ukraine sich nicht weiter verteidigen kann, dann droht der russische Angriffskrieg weiter Richtung europäische Grenzen, Richtung unserer eigenen Nato-Grenze zu kommen», warnte die deutsche Grünen-Politikerin. Die ukrainische Westgrenze sei nur acht Autostunden von Berlin entfernt und von da aus seien es dann auch nur noch weitere acht Autostunden nach Brüssel - in die «Herzkammer» der EU und der Nato.

Zu konkreten Forderungen des ukrainischen Aussenministers Dmytro Kuleba nach zusätzlichen Patriot-Flugabwehrsystemen sagte Baerbock, man habe klar und laut gehört, dass die Ukraine unverzüglich mehr Luftverteidigung brauche. Man werde erneut alle Partner dazu aufrufen, ihre Bestände zu überprüfen. Kuleba beriet sich am Donnerstag nach der Nato-Geburtstagsfeier mit den Aussenministern der Bündnisstaaten.

Appell vom Generalsekretär

Als besorgniserregend gilt die aktuelle Lage in der Ukraine vor allem wegen der möglichen Wiederwahl von Trump. Der ungarische Ministerpräsident Viktor Orban hatte jüngst aus einem Gespräch mit dem 77-Jährigen berichtet: Trump habe ihm gesagt, es werde im Fall seiner Rückkehr ins Weisse Haus keinen einzigen US-Penny mehr für Waffenhilfen an die Ukraine geben.

«Die europäischen Verbündeten verfügen über erstklassige Streitkräfte, umfangreiche Geheimdienstnetzwerke und einen einzigartigen diplomatischen Einfluss.»
Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg(sda/dpa)

Für Unruhe in der Nato sorgen darüber hinaus die jüngsten Äusserungen Trumps, nach denen er Bündnispartnern mit seiner Ansicht nach zu geringen Verteidigungsausgaben im Fall eines russischen Angriffs keine amerikanische Unterstützung gewähren würde. In einem Interview sagte er zudem, man dürfe nicht vergessen, dass die Nato wichtiger für Europa sei als für die USA, denn es liege ein Ozean, «ein schöner, grosser, herrlicher Ozean» zwischen den USA und «einigen Problemen» in Europa.

Stoltenberg betonte in seiner Rede, dass es eine gerechte Lastenverteilung unerlässlich sei. Gleichzeitig warnte er allerdings vor Alleingängen und verwies auf den Nutzen der Nato für die USA. «Die europäischen Verbündeten verfügen über erstklassige Streitkräfte, umfangreiche Geheimdienstnetzwerke und einen einzigartigen diplomatischen Einfluss», erklärte Stoltenberg. All dies vervielfache Amerikas Macht. Durch die Nato hätten die Vereinigten Staaten mehr Freunde und mehr Verbündete als jede andere Grossmacht.

75 Jahre Abschreckung und Verteidigung

Stoltenberg erinnerte zudem an die Geschichte des Verteidigungsbündnisses. Daran, dass in den Jahren nach dem Schrecken des Zweiten Weltkriegs die Angst vor einem weiteren verheerenden Krieg gewachsen war und dann am 4. April 1949 die Aussenminister von zwölf Ländern aus Europa und Nordamerika zusammengekommen waren, um den Gründungsvertrag der Nato zu unterzeichnen. «Sie schützte unsere Völker über die langen Jahre des Kalten Krieges hinweg – von der Berliner Luftbrücke über die Kuba-Krise bis zum Fall der Berliner Mauer», sagte Stoltenberg.

«Die Nato schützte unsere Völker über die langen Jahre des Kalten Krieges hinweg – von der Berliner Luftbrücke über die Kuba-Krise bis zum Fall der Berliner Mauer.»
Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg(sda/Dpa)

Als der Kalte Krieg endete, habe die Nato dann dazu beigetragen, zwei brutale ethnische Konflikte auf dem Balkan zu beenden. Und im Jahr 2001, nach den Anschlägen vom 11. September, habe man sich zum ersten Mal auf den berühmten Artikel 5 des Washingtoner Vertrags berufen, der besagt, dass ein Angriff auf einen Verbündeten ein Angriff auf alle ist. Mit dem Beginn des Ukraine-Konflikts 2014 sei dann ein weiterer Wendepunkt gekommen. «Seitdem haben wir die grösste Verstärkung unserer kollektiven Verteidigung seit Generationen vorgenommen», erklärte Stoltenberg.

Russland wirft Nato Destabilisierung vor

Aus Moskau kamen deswegen am Donnerstag wieder schwere Vorwürfe. «Die Nato wurde von den USA als Konfrontationsinstrument – vor allem auf dem europäischen Kontinent – geplant, konfiguriert, erschaffen und gelenkt», sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow. Aus russischer Sicht seien die Tätigkeiten des Bündnisses derzeit ein «destabilisierender Faktor», sie förderten weder Sicherheit noch Stabilität in Europa.

Russland, das vor mehr als zwei Jahren ins Nachbarland Ukraine einmarschierte, schiebt die Schuld an seinem Angriffskrieg immer wieder dem Westen zu und behauptet, dieser habe Moskau bedroht.

«Gegen die neuen Vormarschversuche Russlands werden wir Widerstand ‹wie ein Fels› leisten.»
Polens Aussenminister Radoslaw Sikorski (sda/dpa)
NATO Secretary General Jens Stoltenberg, left, shakes hands with Poland's Foreign Minister Radoslaw Sikorski a ceremony to mark the 75th anniversary of NATO at NATO headquarters in Brussels, Thur ...
Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg und der polnische Aussenminister Radoslaw Sikorski begrüssen sich in Brüssel.Bild: keystone

Der polnische Aussenminister Radoslaw Sikorski sagte in einer Rede, man habe sich bemüht, eine Annäherung an Russland zu erreichen. Letztlich sei man sich aber der bestehenden Gefahr einer Gewalteskalation bewusst gewesen. Wie andere Vertreter Ost- und mitteleuropäischer Staaten zeigte er sich bei der Zeremonie glücklich, dass sein Land nach dem Ende des Kalten Krieges der Nato beitreten konnte. Gegen die neuen Vormarschversuche Russlands werde man Widerstand «wie ein Fels» leisten. (sda/dpa/lyn)

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11 Kommentare
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JBV
04.04.2024 16:52registriert September 2021
"Aus russischer Sicht seien die Tätigkeiten des Bündnisses derzeit ein «destabilisierender Faktor», sie förderten weder Sicherheit noch Stabilität in Europa."

Um keine Lüge verlegen dieser Dmitri Peskow.

Russland wird geografisch immer ein Teil Europas bleiben. Politisch hat sich Russland durch eigenen Entschluss und Handeln aus Europa verabschiedet. Das politische Europa ist durch die NATO eindeutig sicherer und stabiler. Fast 69 Jahre gab es keine zwischenstaatlichen Eroberungskriege in Europa mehr. Russland ist die Bedrohung für Europa.
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