In der Nacht auf den 2. Juli brach in einem Gebäude in der Atomanlage Natans ein heftiges Feuer aus. Satellitenbilder zeigten, dass es weitgehend zerstört wurde. Der Vorfall sorgte für Aufsehen, denn die Anlage im Zentraliran ist ein wesentlicher Bestandteil des iranischen Atomprogramms. In Natans werden Zentrifugen zur Urananreicherung gebaut und getestet.
Nach anfänglichem Schweigen sprach die iranische Atomorganisation (AEOI) am Sonntag von «beachtlichen Schäden». Der Vorfall werde die Herstellung und Tests von neueren Zentrifugen mittelfristig verlangsamen, sagte Sprecher Behrus Kamalwandi. Aber der Iran werde sehr bald eine grössere Werkstatt mit besseren und moderneren Geräten errichten.
Der Iran arbeitet seit mehr als einem Jahr an schnelleren Zentrifugen zur Urananreicherung. Damit reagierte Teheran auf den Austritt der USA aus dem Atomabkommen im Mai 2018. In Israel zeigte man sich alarmiert. Der Bau modererner Zentrifugen wird als Beleg dafür betrachtet, dass die Iraner einmal mehr und noch intensiver nach der Atombombe streben.
Schnell kamen deshalb Spekulationen auf, es könne in Natans erneut einen Cyberangriff gegeben haben wie 2010, als Israel und die USA mit dem Computerwurm Stuxnet annähernd 1000 Zentrifugen zerstört haben sollen. Ein iranischer Regierungssprecher machte am Dienstag explizit Israel für den neuen Vorfall in Natans verantwortlich.
Israel sandte wie fast immer in solchen Fällen zweideutige Signale aus. «Nicht jeder Vorfall im Iran steht mit uns in Verbindung», erklärte Verteidigungsminister Benny Gantz. Aussenminister Gabi Aschkenasi – wie Gantz ein ehemaliger Generalstabschef – sagte hingegen: «Wir ergreifen Massnahmen, über die man besser nicht sprechen sollte.»
Eine nicht näher genannte Geheimdienstquelle aus dem Nahen Osten sagte der «Washington Post», in Natans sei ein «gewaltiger Sprengsatz» verwendet worden. Israelische Einsatzkräfte hätten ihn angebracht, als «Weckruf» an die Adresse von Teheran. Experten gehen laut der Zeitung ebenfalls von einer Bombenexplosion aus.
Damit wächst die Furcht von einer Eskalation zwischen den Erzfeinden. Bereits am 26. Juni war es in der Militäranlage Parchin zu einer Explosion gekommen. Sie gilt ebenfalls als Teil des iranischen Atomprogramms. Die iranische Führung sprach von einem Gasleck, doch Experten gehen davon aus, dass eine Fabrik zur Herstellung von Raketen betroffen war.
In der Nacht zum Montag schickte die unerklärte Atommacht Israel den Spionagesatelliten Ofek 16 ins All. Ministerpräsident Benjamin Netanjahu sagte, der Satellit verbessere deutlich «unsere Fähigkeiten, gegen die Feinde Israels vorzugehen». Der Iran wiederum behauptet, die Revolutionsgarden hätten am Persischen Golf unterirdische «Raketenstädte» errichtet.
Im Mai hatte die «Washington Post» berichtet, Israel habe mit einem Cyberangriff Computer zur Steuerung des iranischen Hafens Schahid Radschaei in der Nähe der Stadt Bandar Abbas zum Absturz gebracht. Das sei vermutlich die Antwort auf einen iranischen Hackerangriff vom April auf die israelische Wasserversorgung gewesen.
Die «Jerusalem Post» spekulierte, die jüngsten Explosionen brächten nur einen Zeitgewinn, seien aber nicht genug, um Teheran auf Dauer vom Bau von Atomwaffen abzuhalten. Der Iran solle demnach genügend spaltbares Material für eine oder zwei Atombomben besitzen. Man habe nur noch nicht entschieden, es auf waffentaugliches Niveau anzureichern.
Im Atomabkommen hatte sich der Iran 2015 verpflichtet, seine Urananreicherung auf Natans zu konzentrieren und sich 25 Jahre lang Kontrollen der Internationalen Atomenergiebehörde IAEA zu unterwerfen. Seit dem Austritt der USA, der mit laufend verschärften Sanktionen verbunden ist, fühlen sich die Iraner immer weniger an das Abkommen gebunden.
Zwischen den USA und dem Iran haben sich die Spannungen in der letzten Zeit verschärft, vor allem nach der Tötung des iranischen Generals Ghassem Soleimani im Januar. Heikel ist die Lage auch an der Grenze zwischen Israel und Syrien, wo iranische Revolutionsgarden und vom Iran unterstützte Milizen das Regime von Baschar Assad unterstützen. (pbl/sda)
Unverständlich aber das Vorgehen bleibt immer das Gleiche, die Akteure ebenfalls.